Erfolgsinstrument Kurzarbeit:Scheck auf die Zukunft

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Eine enorme Anzahl von Arbeitsplätzen wurde in Deutschland mit der Kurzarbeit gerettet. Jetzt ist es an der Zeit, neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln.

Sibylle Haas

Es ist nicht alltäglich, dass Gewerkschaften die Arbeitgeber loben. Nun aber hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung den Unternehmen bescheinigt, bisher gut durch die Wirtschaftskrise gekommen zu sein. Was die Arbeitsplätze betrifft, gibt es auch wenig Grund zur Schelte der Firmenchefs. Viele von ihnen haben die Erleichterungen bei der Kurzarbeit genutzt und dadurch eine Menge Jobs gesichert.

Das Instrument Kurzarbeit hat in Deutschland viel bewirkt: Zahlreiche Arbeitsplätze wurden gerettet. (Foto: Foto: ddp)

Natürlich haben auch einige Firmen die Regelung missbraucht. Das ist leider so, es wäre erstaunlich, wenn es ausgerechnet bei der staatlich subventionierten Arbeitszeitverkürzung keinen Missbrauch gäbe.

Fast 600 Verdachtsfälle sind der Bundesagentur für Arbeit inzwischen gemeldet worden, betroffen sind etwa 40.000 Arbeitnehmer: Die meisten werden gezwungen, trotz verkürzter Arbeitszeit voll zu arbeiten.

Das ist unredlich, weil sich abhängig Beschäftigte diesem Druck in Krisenzeiten kaum entziehen können und weil es die Allgemeinheit belastet. Immerhin werden das Kurzarbeitergeld für die ausgefallene Arbeitszeit und ein Teil der Sozialabgaben vom Staat bezahlt.

Jeder Betrugsfall ist zu verurteilen und mit nichts zu rechtfertigen. Doch die Kurzarbeit wegen der Missbrauchsfälle zu verteufeln, wäre überzogen. Die positiven Effekte sind viel größer als die negativen Folgen einiger Betrügereien. Insgesamt haben nämlich etwa 60.000 Unternehmen von der Regelung Gebrauch gemacht.

Bis zu 1,5 Millionen Arbeitnehmer arbeiteten in der Spitze kürzer als sonst. Es wird geschätzt, dass allein dadurch 300.000 bis 400.000 Arbeitsplätze erhalten blieben - eine erhebliche Anzahl. Die Betroffenen müssen zwar mit weniger Lohn auskommen, doch die einzige und schlechte Alternative ist häufig die Arbeitslosigkeit.

Die Kurzarbeit hat damit die Stimmung in Deutschland trotz der Rezession gestützt. Sie ist ein Scheck auf die Zukunft und sollte deshalb verlängert werden, bis das Schlimmste überstanden ist. Ein Instrument zur Dauersubventionierung von Arbeitsplätzen darf sie jedoch nicht werden. Dies würde den in einigen Branchen nötigen Strukturwandel behindern und langfristig die Arbeitslosigkeit hochtreiben.

Die Manager sollten die Kurzarbeit deshalb nicht nur dazu nutzen, Geld zu sparen. Sie sollten auch in die Zukunft ihrer Mitarbeiter investieren - und damit in die ihres Unternehmens. Denn Firmen, die während der Kurzarbeit ihre Mitarbeiter qualifizieren, werden die Krise nicht nur gut überstehen, sondern gestärkt aus ihr hervorgehen. Hochqualifiziertes Personal wird für die Zukunftsbranchen Gesundheit, Energie und Klimaschutz gesucht. Fachkräfte sind sogar in der Wirtschaftskrise rar.

Unternehmen, die sich aber nur auf die vom Staat gestrickten Krisenmodelle verlassen oder in der Krise allein auf Kündigungen setzen, riskieren, auf der Strecke zu bleiben. Wettbewerber, die flexibler und kreativer sind - auch bei den Arbeitszeiten - werden sie am Markt überholen. Deshalb ist in Krisenzeiten nicht nur die Weiterbildung wichtig, sondern auch die Entwicklung von Arbeitszeitmodellen, die zum Betrieb passen.

Das könnten beispielsweise Arbeitszeitkonten sein. Dabei erbringen die Mitarbeiter ihre Leistung im Voraus, um später bei gleichem Gehalt weniger zu arbeiten. Damit lässt sich nicht nur Altersteilzeit gestalten und finanzieren, sondern beispielsweise auch ein Sabbatical, wenn der Firma bei schlechter Konjunktur die Aufträge wegbrechen und weniger Arbeitskräfte gebraucht werden.

Auch mit Teilzeitmodellen lässt sich Arbeit auf mehr Mitarbeiter verteilen. Damit können in der Krise Jobs gerettet und Menschen vor dem sozialen Abstieg bewahrt werden. Vielleicht passt es ja sogar in die Lebensgestaltung von Mitarbeitern, wenn sie ihre Arbeitszeit langfristig verringern.

Manche möchten womöglich mehr Zeit mit der Familie verbringen und andere ehrenamtlich mehr tun. Die Verkürzung von Arbeitszeit kann viele Vorteile haben. Momentan rettet sie Stellen und sichert den Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter, die sie für den nächsten Aufschwung brauchen.

© SZ vom 20.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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