Elbvertiefung:Hamburg muss sich die Schuld selbst zuschreiben

Es ist nicht das Problem der Umweltschützer, dass ein Sumpfkraut nun Hamburgs wichtigstes Zukunftsprojekt, die Elbvertiefung, verzögert. Verantwortlich sind die Behörden.

Kommentar von Angelika Slavik

Der Katzenjammer ist groß in Hamburg nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Der Ausbau der Elbe, den die Stadt und die Hafenwirtschaft um jeden Preis wollten, wird noch einmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Und das Schlimmste ist: Die Schuld an dieser Misere muss sich Hamburg auch noch selbst zuschreiben.

Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als sei hier ein existenziell wichtiges Infrastrukturprojekt an ein paar renitenten Umweltschützern und deren Begeisterung für irgendein seltsames Sumpfkraut gescheitert. Schließlich ist es eine breite Allianz, die sich für die Elbvertiefung starkmacht - nicht einmal die Hamburger Grünen haben sich offen gegen den Ausbau der Elbe gestellt. Zu groß ist der wirtschaftliche Druck. Der Hafen braucht die Elbvertiefung, um gegen die weltweite Konkurrenz bestehen zu können. Und die Stadt braucht den Hafen, viele Tausend Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt vom ihm abhängig. Der Hafen ist die Zukunft dieser Stadt. Muss man die wirklich riskieren wegen einer Pflanze, für die sich zuvor kaum jemand interessiert hat?

Das Spannungsfeld zwischen den Interessen der Wirtschaft und jenen des Umweltschutzes ist bei Großprojekten so oft Ausgangspunkt für hitzige Auseinandersetzungen. Und nicht nur in Hamburg hätte man viel Geld und Zeit sparen können, hätte man sich zu einer konstruktiven Gesprächskultur durchringen können. Es ist nicht die Schuld der Umweltschützer, dass ein Sumpfkraut namens Schierlings-Wasserfenchel nun Hamburgs wichtigstes Zukunftsprojekt verzögert. Verantwortlich dafür sind die Behörden. Sie haben die Argumente der Gegner ignoriert wie ein nerviges Störgeräusch. Sie haben deren Hinweise, dass die Pläne geltendes EU-Recht verletzen, nicht ernst genommen. Sie haben sich darauf verlassen, dass die wirtschaftlichen Argumente für das Projekt schwerer wiegen als die Mängel in der Planung. Diese Arroganz war grob fahrlässig.

Hamburg ist den eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden

Wie viel die eigenen Überzeugungen wert sind, zeigt sich erst, wenn es anstrengend wird, ihnen gerecht zu werden. Das gilt für Menschen, das gilt für Unternehmen - und das gilt eben auch für Behörden. Und Hamburg, das sich so gern als offen, kommunikativ und umweltfreundlich inszeniert, ist den eigenen Ansprüchen im Ringen um die Elbvertiefung nicht gerecht geworden. Ja, es ist anstrengend, Umweltschützer in ein Großprojekt einzubinden. Ja, es kostet Geld, den Ansprüchen des Naturschutzes gerecht zu werden.

Trotzdem lohnt sich der Aufwand: Zum einen, weil Umweltschützer manchmal auch recht haben. Es gibt neben dem kollektiven Interesse an Wachstum und Wohlstand auch eines daran, dass Arten erhalten und Flüsse lebendig bleiben. Und zweitens, weil Akzeptanz auch in weniger industrienahen Kreisen die Wirtschaftlichkeit von Großprojekten erhöht: Mehr als ein Jahrzehnt Verzögerung bei der Elbvertiefung war für Hamburg schon jetzt teurer, als es umweltgerechte Planung je hätte sein können.

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