Dow Jones auf Rekord:Woher die Euphorie an der Börse kommt

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Yeah: Börsenhändler in New York feiern. (Foto: Brendan McDermid/Reuters)

Erstmals steigt der Dow Jones auf mehr als 20 000 Punkte. Welche Branchen jetzt besonders stark gewinnen.

Von Lukas Zdrzalek und Harald Freiberger

Seit Wochen kämpfte der US-Aktienindex Dow Jones mit der wichtigen Marke von 20 000 Punkten. Am Mittwoch kurz nach Eröffnung der Wall Street war es soweit: Das Börsenbarometer legte um 0,9 Prozent zu und kletterte bis auf 20 082 Zähler. Vorher hatte er sich mehrmals der Marke genähert, war dann aber immer wieder gefallen. Börsianer glaubten schon, dass die "Trump-Rally" zum Erliegen gekommen sei. Nach der Wahl des neuen US-Präsidenten am 8. November hatte es einen steilen Kursanstieg gegeben.

Nun aber heißt es: "Die Trump-Rally ist intakt und wieder da", sagte Neil Wilson, Marktanalyst bei ETX Capital. Vor allem die Entscheidung Trumps, umstrittene Pipelineprojekte voranzutreiben, kam am Mittwoch bei den Anlegern gut an, ebenso sein Treffen mit US-Automanagern.

Vor dem Wahlsieg von Trump hatte bei Anlegern noch Angst dominiert. Sie fürchteten sich vor dem Republikaner, der im Wahlkampf als unberechenbarer Hardliner aufgetreten war. Sie fürchteten, der Immobilienmogul könnte die Weltwirtschaft ins Chaos stürzen und einen Crash an den Aktienmärkten herbeiführen.

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Nach dem 8. November aber schlug die Angst plötzlich in Euphorie um. Binnen weniger Wochen legte der Dow Jones um mehr als zehn Prozent zu. In ihm sind die 30 größten börsennotierten US-Konzerne gelistet. Trump beruhigte die Investoren nach seinem Wahlsieg mit einer Rede, in der er auf einmal versöhnliche Töne anschlug. Zudem entdeckten die Anleger in Trumps Wahlprogramm plötzlich Vorschläge, die ihnen wirtschaftsfreundlich erscheinen. Einige Branchen und Firmen konnten von diesem Stimmungswechsel an den Börsen besonders stark profitieren. Ein Überblick.

Investmentbanken freuen sich über lockerere Regulierung

Sie sind die größten Gewinner des Trump-Booms: die großen Banken. Die Aktie von Goldman Sachs etwa hat seit Anfang November fast 30 Prozent an Wert hinzugewonnen, der größte Zuwachs einer Aktie im Dow Jones. Den zweitstärksten Kursgewinn verzeichnete JP Morgan Chase, der Börsenwert der Investmentbank stieg um rund 22 Prozent. Der erste Grund: Unter Trump werden wohl die Zinsen steigen, weil er die Staatsausgaben anheben möchte und dadurch die Inflation anzieht. In der Folge steigen die Gewinne der Banken, die große Teile davon im Zinsgeschäft verdienen, etwa mit der Vergabe von Krediten. Zweitens gehen viele Beobachter davon aus, dass Trump die Regeln für die Banken wieder lockern wird. Dadurch könnten die Gewinne der Geldhäuser zusätzlich steigen.

Dass ausgerechnet Goldman Sachs den stärksten Kursgewinn verzeichnet, könnte an Entscheidungen liegen, die Trump bereits getroffen hat: Er hat mehrere Manager des Geldhauses als Berater berufen. Womöglich hoffen Investoren, die Banker könnten dem Institut Vorteile verschaffen. Ironie der Geschichte: Noch im Wahlkampf hatte Trump behauptet, Goldman Sachs sei Teil der globalen Kaste, die die Arbeiterklasse ausgeraubt habe.

Versicherungen profitieren von steigenden Zinsen

In den vergangenen Jahren haben viele Versicherungen gelitten. Wegen der niedrigen Zinsen war es für sie immer schwieriger geworden, die Beiträge ihrer Kunden gewinnbringend anzulegen. Jetzt könnten die Unternehmen erstens vom Zinsanstieg, zweitens von einer lockereren Regulierung profitieren. Die Aktien der Versicherer The Travelers Companies und United Health Group legten um zehn Prozent zu.

Walt Disney wird Berater

Die Aktie von Walt Disney ist die wohl größte Überraschung im Dow Jones. Das Papier hat etwa 15 Prozent gewonnen - obwohl Trumps Pläne nicht vorsehen, die Unterhaltungsbranche besonders zu fördern. Der erste Grund für den Kursanstieg könnte sein: Der designierte US-Präsident hat den Vorstandsvorsitzenden von Walt Disney, Robert Iger, in sein Beratergremium für Wirtschaftsfragen berufen. Womöglich hoffen Aktionäre, dass dadurch Vorteile für den Unterhaltungs-Konzern herausspringen.

Chancen für Telekomkonzerne

In Deutschland kennt kaum jemand das Unternehmen Verizon, in den USA dagegen zählt es zu den bekannteren. Denn Verizon ist einer der größten Telekommunikationskonzerne des Landes, Jahresumsatz rund 130 Milliarden US-Dollar. Das Papier des Unternehmens gewann vorübergehend fast zehn Prozent, litt in den letzten Tagen aber etwas unter schwachen Zahlen. Trump hat sich gegen das Prinzip der Netzneutralität ausgesprochen. Es besagt, dass Internetanbieter wie Verizon alle Daten und deren Nutzer gleich behandeln müssen, unabhängig davon, wie stark jemand seinen Anschluss nutzt. Die Firmen dürfen nicht von einem Nutzer mehr Geld verlangen, der besonders häufig surft. Kippt Trump die Netzneutralität, ergeben sich für Telekomkonzerne neue Chancen. Zudem könnte Trump die Firmen weniger regulieren.

Weg frei für die Ölindustrie

Er hat bereits frühere Branchen-Manager in sein Team aufgenommen. Die Ölindustrie hat in den USA in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt: Immer mehr Firmen holten den klebrigen Rohstoff mit Hilfe der sogenannten Fracking-Technologie aus dem Erdreich. Zwischenzeitlich waren die USA gar der größte Ölförderer der Welt. Doch dann sank der Preis des Rohstoffs massiv. Manche Firmen gerieten in Schwierigkeiten, jetzt könnte die Industrie dank Trump ihre Rückkehr feiern, etwa der Chevron-Konzern. Die Aktie des Unternehmens kann ein Plus von knapp zehn Prozent verbuchen. Der Grund: Trump ist - anders als sein Vorgänger Barack Obama - nicht sonderlich am Klima- und Umweltschutz interessiert. Er wird die Ölindustrie nicht stärker regulieren. Im Gegenteil könnte der Republikaner sogar bestehende Gesetze lockern - und den Unternehmen so einen üppigeren Gewinn bescheren. Der designierte US-Präsident hat gerade erst den Chef des Mineralölkonzerns Exxonmobil, Rex Tillerson, zum Außenminister berufen.

Die Gefahr des Booms

Noch weiß niemand, welche seiner Pläne der US-Präsident umsetzt. Die Kursanstiege basieren (noch) nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen und Ankündigungen. Das Problem: Steigen die Aktienkurse immer weiter, können sie später umso tiefer fallen, falls Trump einige seiner Pläne nicht wahr macht. Dann könnte sich die Euphorie als Hysterie entpuppen.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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