Diesel-Skandal:USA verwehren VW-Manager die Ausreise

Volkswagen AG Chief Executive Officer Matthias Mueller Holds News Conference After Meeting Automobile Assembly Line Workers At VW Headquarters

Wollte eigentlich noch im November in die USA reisen: VW-Chef Matthias Müller.

(Foto: Bloomberg)
  • US-Behörden sind unzufrieden mit der Kooperation von Volkswagen bei der Aufarbeitung des Abgasskandals.
  • Die VW-Spitze zögert derzeit, Manager zu Gesprächen und Befragungen in die USA zu schicken, weil sie fürchtet, dass die Mitarbeiter dort festgehalten werden.
  • Einem VW-Mann in den USA soll schon der Pass entzogen worden sein.

Von Max Hägler

Warum die US-Behörden mit der Aufklärung von VW unzufrieden sind

Mary Nichols könnte man leicht unterschätzen. Die Frau mit dem Kurzhaarschnitt lacht viel und ist schon 70 Jahre alt. Aber die Chefin der kalifornischen Umweltbehörde Carb ist eine mächtige Kritikerin - von Dieselmotoren und damit in diesen Wochen vor allem von Volkswagen. "Wir versuchen, eine internationale Industrie in eine neue Richtung zu lenken", solche Sätze sagt sie und meint damit: Weg vom Dieselantrieb, hin zu Elektrowagen, gerade nach dem Abgasskandal.

Mit Volkswagen kommen Nichols und ihre Leute dabei offenbar immer weniger zurecht. Erst hatten die Techniker des deutschen Konzerns die Schummeleien über viele Monate geleugnet. Und auch jetzt hakt es, die Informationen aus Deutschland scheinen viel zu spärlich zu fließen.

"Sehr enttäuscht" sei man, schrieb die Carb am 2. November an VW: Bereits zum zweiten Mal habe man Schummeleien beim Abgasverhalten von Dieselautos feststellen müssen. Innerhalb von 72 Stunden solle sich VW melden und einen Gesprächstermin vereinbaren, die Gesprächspartner sollten sich dann bereithalten zur Unterredung.

Warum VW-Manager fürchten, in den USA festgehalten zu werden

Nichols vertritt die Position, dass VW "das Ausmaß des angerichteten Schadens" noch gar nicht erkannt habe. Die Deutschen hätten seit Bekanntwerden der Manipulation nicht adäquat reagiert. Anstatt echte Lösungen für das Emissionsproblem zu präsentieren, gehe es dem Autohersteller mit der Bildung von Rücklagen und den internen Untersuchungen in erster Linie darum, "sich den Aktionären gegenüber gut darzustellen", zitierte die Wirtschaftswoche die Behördenchefin, die auch drohte: "Es ist eine sehr schwerwiegende Sache, die sicherlich zu sehr hohen Strafen führen wird." Um umgerechnet bis zu 16 Milliarden Euro staatliche Bußgelder geht es.

Diese Zahlungen würden den Konzern betreffen. Aber offenbar wollen die US-Behörden bereits in diesem frühen Stadium der Ermittlungen Verantwortliche auch direkt belangen. Das sei der Grund, wieso manches so zögerlich laufe in der Kommunikation mit Nichols und mit all den anderen US-Behörden, die den VW-Fall untersuchen, heißt es aus der Konzernspitze. Die deutschen Manager fürchten, persönlich strafrechtlich verfolgt zu werden, fürchten, in den USA festgehalten zu werden, bis der Skandal aufgearbeitet ist.

Und ganz abwegig scheint das nicht. Einem VW-Manager, der in den USA arbeitet, ist bereits der Pass abgenommen worden, wie die Süddeutsche Zeitung aus Konzernkreisen erfahren hat. Womöglich fürchten US-Behörden, dass sich der Manager durch eine Ausreise einer Befragung entziehen könnte.

Der USA-Chef bräuchte Unterstützung aus Wolfsburg

Jetzt ist der Konzern aus Wolfsburg in einer Zwickmühle: Die neuen Kräfte unter Führung von Matthias Müller wollen aufklären, mit den Behörden reden, Dokumentationen vorlegen, Schwierigkeiten erklären, etwa diesen Fehler in der Beschreibung der Dieselsoftware, den die Carb als zweite Betrügerei auslegt, der aber aus VW-Sicht einfach nur ein dummes Versehen ist.

Der USA-Chef von Volkswagen, Michael Horn, bräuchte dabei Unterstützung aus Wolfsburg. Im Gespräch mit dem US-Kongress, mit der US-Handelsaufsicht, mit dem Generalstaatsanwalt in New York, mit Carb-Chefin Mary Nichols. Die Leute aus dem Konzern müssten Gesicht zeigen und handfest Probleme lösen, auch die der Kunden, die in diesen Tagen etwa per Twitter oder Facebook abfotografierte Briefe von Volkswagen zur Dieselkrise herumschicken, verbunden mit der empörten Kritik, das sei alles Hinhaltetaktik, was da drin stehe.

Das Problem: Wer jetzt aus Wolfsburg anreist, kann vielleicht nicht zurückfliegen. In Deutschland kennt man ein solches Passabnehmen nur in Verbindung mit Gefahrenabwehr. Hooligans erleben das beispielsweise im Vorfeld von "Risikofußballspielen". Oder Menschen, die verdächtigt werden, schwere Straftaten ausüben zu wollen, etwa Kindesentführungen oder Terroranschläge.

Bei Manipulationen an der Motorsoftware ist so etwas in Deutschland schwer vorstellbar - auch wenn hierzulande die Staatsanwaltschaft Braunschweig unterstützt von 20 Beamten des Landeskriminalamtes Niedersachen wegen des Verdachts auf Betrug und Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ermittelt.

Die US-Behörden sind da eben noch strenger, egal ob die Beamtin Mary Nichols oder eben die Justiz - das ist übrigens der Grund dafür, wieso die teure US-Kanzlei Jones Day die internen Übermittlungen bei Volkswagen führt. Die Wolfsburger wissen, dass Beamte und Politiker aus den USA ihren eigenen Juristen eher trauen. Aber trotz Jones Day bleibe eben das Risiko, dass VW-Leute festgesetzt werden, glauben sie in Wolfsburg.

Deshalb sei es mittlerweile unwahrscheinlich, dass der neue VW-Konzernchef Matthias Müller tatsächlich in der zweiten Novemberhälfte in die USA reise, wie sein Umfeld erklärt. Müller wollte eigentlich selbst anpacken, von Chef zu Chef mit den Ermittlern und Politikern reden. Doch gerade sei das zu heikel. "Wir brauchen hier erst Rechtssicherheit, bevor er in die USA fliegen kann", heißt es aus der Konzernführung. Denn ein Chef, der in Amerika im Hotel festsitzt - damit würde die Krise endgültig zum Desaster.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: