Deutschland: Exportwirtschaft:Ein Titel weniger

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Ende einer Ära: Deutschland wird offiziell von China als Exportweltmeister abgelöst. Doch Ifo-Chef Sinn sagt, die Bundesrepublik hatte diesen Titel gar nicht inne.

M. Balser u. C. Busse

Das Kopf-an-Kopf-Rennen der Industriestaaten endete zuletzt fast immer im Fotofinish. Deutschland, China und die USA kämpften über Jahre um einen Titel, den es offiziell gar nicht gab. Und doch war Deutschlands Wirtschaft seit 2003 stolz darauf, sich mit dem Prestigeerfolg " Exportweltmeister" zu schmücken. Kein anderes Land lieferte mehr Waren in alle Welt als deutsche Firmen. Doch seit Dienstag ist es amtlich: Das ist vorbei.

Containerterminal am Hamburger Hafen: Deutschland muss den Titel des Exportweltmeisters an China abgeben. (Foto: Foto: dpa)

Verfolger China war seit Jahren immer näher gekommen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, die Buchhalter des Landes, enthüllten nun in einer knappen Mitteilung: China ist im vergangenen Jahr endgültig an Deutschland vorbeigezogen - und wird den Exportthron wohl so schnell auch nicht wieder hergeben: "In der Rangliste der weltweit größten Exportnationen wurde Deutschland von China an der Spitze abgelöst", teilten die Außenhandelsexperten der Behörde in einem Schreiben mit.

Wachstum von fast neun Prozent

Damit verschieben sich die Gewichte der Weltwirtschaft weiter in Richtung Asien. Deutschland hatte die Statistik sechs Jahre dominiert. Unbestrittene Nummer zwei waren die Vereinigten Staaten, deutlich vor Japan. Doch China holt seit Jahren mit großen Schritten auf. Längst exportiert das Land nicht mehr nur Billigwaren wie Bekleidung und Spielzeug. Ganz oben auf den Exportlisten stehen inzwischen teure Elektrogeräte, Computer oder Solaranlagen. Zudem haben chinesische Hersteller seit langem einen entscheidenden Vorteil: Die eigene Währung ist billig.

Lange hatten Experten geglaubt, die Wachablösung könne noch einige Jahre dauern. Doch die globale Wirtschaftskrise beschleunigte den Aufstieg Chinas. Deutsche Unternehmen verkauften im Rezessionsjahr 2009 gut 18 Prozent weniger Waren ins Ausland als ein Jahr zuvor- der stärkste Rückgang seit Beginn der Erhebung 1950. Gleichzeitig kam China gut durch die Krise.

Die Wirtschaft des Landes wuchs erneut um fast neun Prozent. Zum Vergleich: Umgerechnet belief sich der Gesamtwert der deutschen Ausfuhren im vergangenen Jahr auf 1,121 Billionen US-Dollar, wie das Statistische Bundesamt errechnete. China exportierte in derselben Zeit nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums Waren im Wert von 1,202 Billionen Dollar - und wird in der globalen Statistik damit Exportnation Nummer eins.

Dominant für viele Jahre

Der Münchner Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn, auch Präsident des Ifo-Instituts, plädiert für mehr Sachlichkeit. "Deutschland war streng genommen noch nie Exportweltmeister, das war immer eine Illusion", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Der Grund: In der Statistik würden nur die reinen Warenexporte berücksichtigt, nicht aber der Export von Dienstleistungen, der inzwischen ebenso wichtig ist. Wenn beispielsweise Softwarekonzerne wie SAP oder Microsoft ins Ausland exportierten, tauche dies in der Statistik nicht auf. Berücksichtige man aber dies alles, sei Deutschland ohnehin nie "Weltmeister" gewesen. Zum Ranking der Exportnationen sagte Sinn: "Ich halte das für irrelevant."

Experten gehen trotzdem davon aus, dass China den Weltmarkt nun auf Jahre dominieren wird. Deutsche Industrieverbände sprechen bereits von einer chinesischen Dekade. "China hat den Titel für die nächsten Jahre abonniert. Das wird Chinas Jahrzehnt werden", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Axel Nitschke, voraus. Sinn erklärte dazu, noch importiere China aus Deutschland vor allem auch Ausrüstungsgüter, besonders aus dem deutschen Maschinenbau, um die eigene Industrieproduktion aufzubauen. Das werde aber wahrscheinlich nicht so bleiben. Sinn: "Wir werden künftig möglicherweise aus unserer Spezialnische verdrängt."

Bei den deutschen Konzernen zeichnete sich am Dienstag Erleichterung ab. Denn die Zahlen der Wiesbadener Statistiker signalisieren auch ein Ende des Absturzes im Außenhandel. Im Dezember stiegen die Ausfuhren der deutschen Unternehmen erstmals seit Oktober 2008 wieder. Mit 69 Milliarden Euro lagen sie 3,4 Prozent über dem Wert von Dezember 2008. "Die deutsche Wirtschaft hat das Gröbste überstanden", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton Börner. Mit einer raschen Rückkehr auf das Niveau von vor der Krise sei allerdings nicht zu rechnen, warnte Börner. Es werde mindestens bis 2012 dauern, bis die schweren Einbrüche wieder aufgeholt seien.

© SZ vom 10.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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