Deutsche-Bank-Vorstand Neske:Der Schattenmann rockt das Haus

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Die Investmentbanker kommen: Bei der Deutschen Bank haben viele Angst vor einem Durchmarsch der Londoner Banker-Truppe, wenn deren Chef Jain den Vorstand des ganzen Geldhauses übernimmt. Deshalb ist Privatkunden-Chef Rainer Neske ihr Held.

Harald Freiberger und Alexander Hagelüken, Frankfurt

Vor zwei Wochen trafen sich 400 Führungskräfte der Deutschen Bank in Berlin zu einer Veranstaltung, die jedes Jahr stattfindet. Diesmal barg sie mehr Zündstoff als sonst. Es ist die Standortbestimmung jener Manager, die für das Geschäft mit Privat- und kleineren Firmenkunden zuständig sind - das zweite große, das traditionelle Standbein der Deutschen Bank neben dem Investmentbanking und dem Großkundengeschäft.

Rainer Neske ist Chef des Privat- und Geschäftskundenbereichs der Deutschen Bank. Er hat viel Personal hinter sich. (Foto: Via Bloomberg)

Die Gruppe, die sich in Berlin traf, droht nach Ansicht mancher im größten deutschen Geldhaus ins Hintertreffen zu geraten. Schließlich ist das Investmentbanking die Domäne von Anshu Jain, dem künftigen starken Mann an der Spitze der Bank. Und Jain, 48, tat zuletzt vieles, um seine Macht zu zementieren. Er brachte viele Vertraute im neuen erweiterten Vorstand unter, der am 1. Juni nach dem Abschied von Noch-Chef Josef Ackermann das Zepter übernimmt. Jürgen Fitschen, 63, der Deutschland-Chef, der in der Doppelspitze eigentlich ein Gegengewicht zu Jain bilden soll, bleibt bisher merkwürdig blass. Beobachter, die ihn schätzen, betonen seine großen Qualitäten, seine Integrationskraft, seine Uneitelkeit. Das aber ändert wenig daran, dass bisher vor allem Jain auffällt. Von seinem Durchmarsch war bereits die Rede. Das macht einigen im Privatkunden- und Firmengeschäft Sorge.

Auf dem Führungskräftetreffen in Berlin traten zwei Hauptredner auf: Fitschen und Rainer Neske, 47, der Chef des Privat- und Geschäftskundenbereichs. Fitschen spulte ein ziemlich gewöhnliches Programm herunter, so wie man es von ihm auch in den Vorjahren gewohnt war, wird erzählt. Neske dagegen nutzte seine Gelegenheit: Er griff die Sorgen seiner Mitarbeiter auf, appellierte an ihr Selbstbewusstsein und sagte ihnen, dass sich ihr Bereich nicht zu verstecken brauche. Er erzeugte Aufbruchstimmung - also genau das, was die Mitarbeiter seines Bereichs nach Monaten der Verunsicherung brauchen. Nach seiner Rede bekam er lauten, lang anhaltenden Applaus. "Neske hat die Veranstaltung gerockt", erzählt einer, der dabei war.

Die Geschichte ist deshalb interessant, weil sie etwas von der künftigen möglichen Machtverteilung in der Deutschen Bank erzählt. Die Traditions-Banker, die einen Durchmarsch der Londoner Investment-Truppe fürchten, wurden im März von Fitschen enttäuscht, weil sie beim Umbau des Vorstands seine Handschrift nicht erkennen konnten. Die Antwort, wer künftig Sachwalter

ihrer Interessen sein könnte, bekamen sie aber auf dem Führungskräftetreffen. "Fitschen scheint eher gewillt, für Jain den Wegbereiter zu spielen als ein starkes Gegengewicht", sagt ein Insider. "Umso stärker wird es künftig auf Neske ankommen." Der Chef des Privatkundengeschäfts wird zum Hoffnungsträger der Traditionsbanker, die das Deutsche im Banknamen nicht für einen historischen Zufall halten.

Wie stark Neske sein wird, hängt natürlich stark von seinen Ergebnissen ab. Im vergangenen Jahr machte die Sparte vor Steuern einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro. Mittelfristig, wenn die Integration der neuerworbenen Postbank umgesetzt ist, sollen es drei Milliarden Euro Gewinn im Jahr sein. Diese Vorgaben, die noch von Alt-Meister Ackermann stammen, sind ehrgeizig. Der Westfale Neske, der schon mit 26 Jahren bei der Bank anfing, wird daran gemessen werden, ob er diese Ziele erreicht. Das ist nicht einfach, weil in Deutschland seit langem sehr viele Geldhäuser miteinander konkurrieren - mehr als in anderen europäischen Ländern.

Eine wichtige Rolle für Neskes Ziele dürfte der geplante Umbau in den Filialen spielen, der jetzt bekannt wurde. Die Rolle des Beraters in den Filialen wird künftig aufgewertet. Der Umbau wurde bereits vor Monaten beschlossen, seit 1. Mai läuft die Umsetzung. Jede Filiale besteht aus drei einzelnen Bereichen: das Massengeschäft, also die normale Anlageberatung, das Private Banking, also die Beratung vermögender Kunden, und das Geschäft mit Firmenkunden, die einen Umsatz von bis zu 25 Millionen Euro im Jahr machen. Bisher war der Filialleiter sowohl fachlicher als auch organisatorischer Vorgesetzter der Berater in seiner Filiale. Die fachliche Seite soll künftig stärker an übergeordnete Instanzen gehen, zum Beispiel den Regionaldirektor. Das soll Filialleiter und Berater von Aufgaben entlasten und die Beratung näher an den Kunden heranrücken.

Hintergrund für den Umbau ist die schwieriger gewordene Lage im Privatkundengeschäft nach der Finanzkrise: Zum einen sind die Kunden extrem verunsichert und halten sich mit dem Kauf von Wertpapieren zurück. Auf der anderen Seite erschweren regulatorische Vorschriften den Beratern das Geschäft; so müssen sie ihre Beratung immer ausführlicher protokollieren. "Mit der Neuordnung des Filialgeschäfts schaffen wir Strukturen, die das gesamte Wissen und Können der Deutschen Bank besser für die Kunden verfügbar machen", sagt ein Sprecher. Ziel sei noch mehr Nähe zum Markt. Das bedeutet: Im Grunde geht es darum, mehr neues Geschäft mit Privatkunden zu machen und so die Gewinne in dem Bereich zu steigern.

Ein Teil davon soll durch Synergieeffekte von bis zu einer Milliarde Euro im Jahr erreicht werden, die die vollständige Integration der Postbank bringen soll. Der Rest aber müsste durch bessere Ergebnisse aus dem Geschäft kommen. Ein ehrgeiziges Ziel ist das, für das Hoffnungsträger Neske sicher hart arbeiten muss. Was er leisten kann, hat er schon in der Vergangenheit bewiesen. Etwa, als er das verunglückte Experiment mit der Bank 24 zu einem Ende brachte.

Wenn er seine Ziele schafft, halten Beobachter in der Bank einen weiteren Aufstieg für möglich. Zum einen könnte ein deutsches Gegengewicht zu Jain in der Bank wichtig werden, wenn Mitarbeiter und Politiker in Berlin mit dem Kurs des Inders Probleme bekommen. Zum anderen ist die Amtszeit des Doppelspitzenmanns Fitschen von vorneherein begrenzt. Der 63-Jährige hat einen Vertrag über genau drei Jahre, mit einer Verlängerung rechnet niemand.

Wenn in spätestens drei Jahren die Machtfrage an der Spitze der Deutschen Bank neu geklärt werden muss, könnte Neskes Stunde schlagen. Und zwar dann, wenn der neue Aufsichtsratschef, der bisherige Allianz-Vorstand Paul Achleitner, erneut eine Doppelspitze für die Bank favorisiert. Dann wäre Neske ein guter Kandidat, ein besserer als Finanzvorstand Stefan Krause oder Investmentbanker Stephan Leithner - falls es Neske gelingt, eine Führungsfigur für die traditionellen Banker des größten deutschen Geldhauses zu werden.

Die Präferenz von Anshu Jain wäre das sicher nicht. Der indische Topbanker möchte in spätestens drei Jahren allein an der Spitze der Bank stehen.

© SZ vom 08.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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