Debatte um Euro-Rettungsschirm:Opposition wehrt sich gegen Pläne für ESM-Hebel

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"Der Bundestag muss über eine Hebelung abstimmen": Politiker aller Oppositionsparteien kritisieren die Pläne von Euro-Ländern, die Kapazität des Rettungsschirms ESM durch sogenannte Hebel auf das Vierfache zu erhöhen. Sie fürchten ein höheres Risiko für Deutschland.

Die Opposition im Bundestag kritisiert Pläne der Euro-Länder, im Kampf gegen die Schuldenkrise die Kapazität des dauerhaften Rettungsschirms ESM über sogenannte Hebel auf bis zu zwei Billionen Euro auszuweiten, dabei aber die Summe, für die Deutschland im Ernstfall haften muss, nicht zu erhöhen.

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte der Passauer Neuen Presse, wenn der Bürgschaftsrahmen konstant bleibe, die Ausleihsumme aber über Hebel steige, müsse der Bundestag neu entscheiden. Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, forderte: "Der Bundestag muss über eine Hebelung abstimmen. Selbst wenn die Ausleihsumme nicht erhöht wird, erhöht sich das Risiko."

Die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, sagte, mehr Geld sei nicht zum Nulltarif zu haben, sondern nur über weit mehr Risiko für den Steuerzahler. Auch sie forderte, dass der Bundestag über einen Hebel entscheiden müsse. "Sonst riskiert die Regierung einen erneuten Gang nach Karlsruhe", so die Linken-Politikerin.

Der Spiegel hatte zuvor über Pläne der Euro-Gruppe berichtet, die Ausleihkapazität des ESM, der am 8 Oktober starten soll, von 500 Milliarden Euro im Ernstfall auf die vierfache Summe zu hebeln - ohne allerdings die maximale Haftung Deutschlands von 190 Milliarden Euro zu erhöhen.

Ziel sei es, so auch große Länder wie Spanien und Italien retten zu können. Der ESM würde dann nur einen Teil der Risiken abdecken, private Geldgeber würden bei der Haftung mit einsteigen. Am Montag bestätigte ein Sprecher der EU-Kommission, dass über Möglichkeiten zur Hebelung gesprochen werde. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sprach zwar ebenfalss von entsprechenden Überlegungen, betonte aber, dass es "völlig illusorisch" sei, den ESM mit Hilfe privater Investoren auf zwei Billionen Euro auszuweiten. Die in den Medienberichten genannten Zahlen seien in keiner Form nachvollziehbar.

Der Begriff "Hebel" ist ein technischer Ausdruck aus der Finanzbranche - dahinter steht die Idee, mit relativ wenig eigenem Kapital viel größere Summen zu bewegen. Für eine Hebelung des Rettungsfonds gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten, die bereits in den Leitlinien des vorläufigen Rettungsschirms EFSF festgeschieben sind: So kann der Fonds für Vorsorgekredite als Versicherung eingesetzt werden, um Investoren für Staatsanleihen anzulocken.

Außerdem könnte der ESM um Auslandsfonds ergänzt werden, an denen sich Geldgeber von außerhalb der EU beteiligen können. Es sei das Ziel, "dass der ESM über einen ähnlichen Instrumentenkasten verfügt" wie der temporäre Rettungsschirm EFSF, sagte Marianne Kothé, die Sprecherin des Finanzministeriums. Allerdings kam der Hebel beim vorläufigen Rettungsschirm bisher nicht zum Tragen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vor zwei Wochen die Zustimmung zum ESM an die Bedingung geknüpft, dass die Summe, für die Deutschland maximal haften muss, bei 190 Milliarden Euro festgeschrieben wird - es sei denn, der Bundestag würde in einer erneuten Abstimmung eine höhere Haftung beschließen.

Die Bundesregierung betont, dass die Einbindung des Bundestages in jedem Falle gewährleistet sei: "Sollte man sich in Europa für die Hebelung des ESM entscheiden - und die Diskussion läuft -, werden wir selbstverständlich auch den Deutschen Bundestag beteiligen", sagte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Beteiligung des Bundestages ist eine politische und juristische Selbstverständlichkeit", so der CDU-Politiker.

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