Dämmstoff:Styropor darf wieder entsorgt werden

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Styropor ist ein beliebter Dämmstoff. Weil er HBCD enthält, gibt es aber Probleme beim Entsorgen. (Foto: imago)
  • Seit Oktober gilt Styropor in Deutschland als Sondermüll und darf auch nur als solcher entsorgt werden: in speziellen Verbrennungsanlagen.
  • Baufirmen und Handwerker stellt das vor große Probleme. Sie wissen nicht, wohin damit.
  • Ein Jahr dürfen sie den Dämmstoff nun wieder in Containern entsorgen. Doch der Stoff gilt nach wie vor als gefährlich.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Anfang des Monats hatte Markus Klein die Nase endgültig voll. Daheim im rheinland-pfälzischen Wittlich setzte der Dachdeckermeister einen Brief an seine Landesregierung auf. "Laufende Bauprojekte stehen. Neue Bauprojekte können nicht begonnen werden", formulierte er wütend. Das Unternehmen sei "in akuter Gefahr". Und alles nur wegen Styropor.

Seit Oktober gilt der Dämmstoff, verbaut an oder in jedem zweiten deutschen Gebäude, als Sondermüll. Entsorgt werden darf er nur noch in dafür zugelassenen Verbrennungsanlagen. Der Grund ist nicht das Styropor an sich, sondern ein beigemengter Stoff: Hexabromcyclododecan, kurz HBCD. Das Flammschutzmittel gilt als giftig und obendrein langlebig. Geraten Styropor-Kügelchen in Flüsse oder Seen, halten Tiere sie für Nahrung; der Stoff reichert sich so in der Umwelt an.

Und von den giftigen Kügelchen gibt es hierzulande mehr als genug. Polystyrol, vulgo Styropor, findet sich an rund 720 Millionen Quadratmetern Gebäudefläche, seit den Fünfzigerjahren ist es im Einsatz. Wo ältere Häuser saniert werden, fällt fast immer auch Styropor an. Nur: Seit es als Sondermüll gilt, findet sich kaum noch eine Anlage, die es verbrennt. Besonders beliebt ist es ohnehin nicht. Nicht alle Öfen halten den Temperaturen stand, die Styropor entwickelt.

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Die Folge ist ein Notstand. "Wir wissen nicht mehr, wohin mit dem Zeug", sagt Dachdecker Klein. "Die Lage ist dramatisch." Früher habe er alte Styropor-Platten schlicht in Container gepackt. Heute lagert er sie an den Baustellen oder auf seinem Hof. Früher habe die Entsorgung 172 Euro je Tonne gekostet, heute verlangten die Müllverbrenner 4000 Euro und mehr. Das wieder treibt die Sanierungskosten in die Höhe, Kunden winken ab.

Am Freitag wurde Kleins Fall auch einem größeren Publikum bekannt. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) verlas den Brief des wütenden Dachdeckers im Bundesrat. Die Vorgaben der Abfallverzeichnis-Verordnung, so forderte sie, sollten bei HBCD eine Ausnahme machen. Dabei hatten die Länder einst selber dafür gesorgt, dass der Stoff dort unbürokratisch aufgenommen wird. "Das hat leider zu etwas geführt, was nicht Sinn der Sache ist", sagte Höfken. Nötig sei nun eine bundeseinheitliche Regelung - samt der Klarstellung, dass der Verbleib des Styropors sich auch künftig nachverfolgen lassen muss. Sonst drohe ein Flickenteppich von Landesregelungen.

Styropor gilt nach wie vor als gefährlich

Stattdessen verständigten sich die Länder am Freitag auf einen Aufschub, der die Baufirmen zumindest aufatmen lässt. Ein Jahr lang soll nun eine Ausnahme gelten, solange sollen die Länder nach einer Lösung suchen, wie sich das Entsorgungsproblem beheben lässt. "Durch die Befristung der Ausnahmeregelung wird gleichzeitig der Umweltrelevanz des Stoffes Rechnung getragen", heißt es in einem entsprechenden Entwurf des Landes Nordrhein-Westfalens. "Ein gefährlicher Stoff bleibt ein gefährlicher Stoff bleibt ein gefährlicher Stoff", sagte der dortige Umweltminister Johannes Remmel im Bundesrat, ebenfalls ein Grüner. Der Umgang mit dem Flammschutzmittel HBCD dürfe nicht zum Beispiel für andere Stoffe werden.

Der Bund soll die Einigung der Länder nun rasch umsetzen, entsprechende Absprachen sind schon getroffen. Und während Dachdecker und Baubetriebe ihr Styropor vom Hof räumen, dürfen die Länder eine Neuregelung suchen. Allerdings sei dies auch nur eine Lösung auf Zeit, warnte Umwelt-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. "Ich habe Sorgen, dass sich in einem Jahr wieder die gleiche Situation stellt."

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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