Chinas Strategie:China baut an einer neuen Seidenstraße

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  • Der Export in China wächst nicht mehr, die Binnennachfrage reicht bei weitem nicht aus, um die von der Führung angepeilten Wachstumsziele zu erreichen.
  • Statt Brücken, Flugplätze und Schnellbahntrassen in China zu bauen, soll in der Ferne betoniert werden. Finanziert mit Geld aus China.
  • Bereits 2014 legte die Regierung in Peking einen Seidenstraßen-Fonds mit 40 Milliarden Dollar auf.

Von Christoph Giesen und Kai Strittmatter

Wenn der Pekinger Himmel sich plötzlich in seinem brillantesten Blau zeigt, wenn tagelang viele Kilometer Autobahngeländer von Hand geschrubbt werden, wenn plötzlich in der Stadt übermannshohe psychedelische Blumenarrangements auftauchen und in den Gassen die Zahl der Nachbarschaftsaufpasser mit der roten Armbinde anschwillt, dann ist es mal wieder so weit: Die KP Chinas plant einen wichtigen Kongress.

Diesmal ist alles noch wichtiger als sonst. Auf einem Schemel in Pekings Oststadt sitzt ein Alter, der ein Hemd trägt mit der Aufschrift "Hauptstadt-Sicherheits-Freiwilliger" und mit dem Zeigefinger ab und zu einen Radler vom Fahrrad befiehlt. "Ein Gürtel, eine Straße", sagt er ernst, nach dem Grund seines Tuns befragt. "Die Welt schaut auf uns."

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"Ein Gürtel, eine Straße" - auf Englisch "One belt, one road" (Obor) - ist der etwas klobige Titel des Forums, zu dem China an diesem Wochenende einlädt. Wer will, darf auch "Neue Seidenstraße" sagen. Ein Netz von Investitionen und Infrastrukturprojekten, das 65 Länder und fast 70 Prozent der Weltbevölkerung umfassen soll. Kernstück ist ein Wirtschaftsgürtel hinein nach Zentralasien und darüber hinaus.

Ein gewaltiges Projekt, eine Idee, die Chinas Herrscher 2013 erstmals vorstellten. Kein Besucher entkommt seither ihren Werbeversuchen. Als der mit Obor noch nicht allzu vertraute bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch bei Chinas Vizepremier Ma Kai zu Gast war, da eröffnete dieser dem verblüfften Seehofer, wie stolz er sein dürfe, sei doch die Stadt Nürnberg das neue Ende der Seidenstraße. "Die Information war mir neu", entfuhr es Seehofer hernach. Den Duisburgern hat man übrigens auch schon gesagt, sie seien das Ende der Seidenstraße. Und den Istanbulern. Und den Portugiesen.

Das Treffen ist für KP-Chef Xi Jinping so etwas wie seine internationale Krönungsmesse

China hat die Welt geladen, es kommen 28 Staats- und Regierungschefs, darunter Wladimir Putin (Russland), Tayyip Erdoğan (Türkei) oder Rodrigo Duterte (Philippinen), viele aus Zentral- und Südostasien. Und die Nordkoreaner. Es wird also eher eine Versammlung autokratisch geneigter Führer, aber aus Myanmar zum Beispiel wird auch Aung San Suu Kyi anreisen.

Wenn die Regierungen der westlichen Welt beim Gipfel Zurückhaltung zeigen (Deutschland schickt Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries), dann hat das auch damit zu tun, dass aus dem ursprünglichen Versuch Chinas, über Obor seine Überkapazitäten zu exportieren, längst ein sehr politisches Projekt geworden ist. Es ist der bislang ehrgeizigste Versuch Pekings, eine Globalisierung nach seinen Vorstellungen zu formen - zu einer Zeit, da die USA die globale Kooperation infrage stellen. Jeder chinesische Führer braucht ein großes Vorzeigeprojekt. Das Obor-Forum nun ist für KP-Chef Xi Jinping so etwas wie seine internationale Krönungsmesse - nur wenige Monate vor dem wichtigen Parteikongress, bei dem Xi zu Hause die Macht neu ordnen und ausbauen möchte.

Das ist die wirtschaftliche Motivation: Das chinesische Modell ist an seine Grenzen gestoßen, der Export wächst nicht mehr, die Binnennachfrage reicht bei weitem nicht aus, um die von der Führung angepeilten Wachstumsziele zu erreichen. Damit die Wirtschaftsleistung dennoch Jahr für Jahr um mindestens 6,5 Prozent steigt, investiert der Staat selbst und nimmt dabei eine hohe Verschuldung in Kauf.

So ist zuletzt ein dichtes Schnellbahnnetz im Land entstanden, neue Flughäfen werden in Rekordzeit errichtet. Nicht alle diese Projekte sind sinnvoll. Brachte früher ein geliehener Yuan eine Steigerung des Wirtschaftswachstums um einen Yuan mit sich, sind es heute nur noch 0,4 Yuan. Von einem "abnehmenden Grenznutzen" sprechen Ökonomen. Die erste Brücke über den Fluss ist für die Wirtschaft einer Stadt sehr belebend, die zehnte allerdings ist nur für die Bauindustrie und ihre zuliefernden Staatskonzerne attraktiv. Und gerade die haben in den vergangenen Jahren gewaltige Überkapazitäten aufgebaut.

Der Plan ist nun: Statt Brücken, Flugplätze und Schnellbahntrassen in China zu bauen, soll in der Ferne betoniert werden. Finanziert mit Geld aus China. Bereits 2014 legte die Regierung in Peking einen Seidenstraßen-Fonds mit 40 Milliarden Dollar auf. Geld soll aber auch von der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) kommen. Die Entwicklungsbank war im Oktober 2014 unter chinesischer Führung ins Leben gerufen worden, auch Deutschland beteiligt sich dran. Ein dritter möglicher Geldgeber ist die New Development Bank der sogenannten Brics-Staaten mit Sitz in Shanghai. Bis zu 1,6 Billionen Dollar könnten in den kommenden zehn Jahren in Infrastrukturprojekte fließen.

Gerade bei den ärmeren asiatischen Staaten ist das Interesse groß. Und wenn die Investitionen helfen, politisch wackelige Risikostaaten wie Pakistan zu stabilisieren, dann findet das Beifall auch anderswo. Aber es gibt Fragezeichen. Noch ist die Stoßrichtung vage, klingt vieles beliebig. Einiges steht nur auf dem Papier. Fragwürdige Projekte werden von Chinas Behörden, Provinzen und Unternehmen ziemlich willkürlich mit dem Label "Obor" belegt, allein weil sie sich davon politisches Wohlwollen versprechen.

Jede Woche starten fünf voll beladene Züge in Zentralchina, das Ziel: Duisburg. Allerdings fahren vier dieser fünf Züge leer wieder zurück. Die Seidenstraße ist bisher vor allem eine Einbahnstraße. Und nicht überall wird gejubelt über das chinesische Engagement. Der Riese China weckt auch Ängste. In Sri Lanka zum Beispiel wurde unter dem Seidenstraßen-Label von einem chinesischen Konsortium ein Tiefseehafen ausgebaut. Um die Schulden abzutragen, übertrug die Regierung in Colombo der China Merchant Holdings 85 Prozent der Anteile und ein 99-jähriges Nutzungsrecht. Die Folge: Demonstrationen auf den Straßen.

Auch in der EU beklagen manche jetzt schon eine ziemlich unverfrorene Einflussnahme durch China über Projekte, die das Obor-Etikett tragen. Ungarn zum Beispiel bekommt von Peking einen Hochgeschwindigkeitszug - und verhindert im Gegenzug nun mit seiner pekingfreundlichen Haltung bei praktisch jeder heiklen EU-Abstimmung zu China-Themen ein einheitliches Vorgehen der Union.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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