Bundesagentur für Arbeit:Eine Million Bürger erhalten zusätzliche Hilfe

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Wenn der Lohn nicht zum Leben reicht: Immer mehr Berufstätige müssen Hartz IV beantragen. Eine Million Deutsche erhalten Hilfe - und das kommt den Staat teuer.

T. Öchsner

Immer mehr Beschäftigte sind wegen ihrer geringen Entlohnung auf staatliche Hilfe angewiesen. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, erhielten 2009 im Jahresdurchschnitt 1,325 Millionen Bürger Arbeitslosengeld II (Hartz IV), obwohl sie ganz oder teilweise berufstätig waren. Für den Staat wird diese Form der Lohnsubvention zunehmend teurer: Die BA beziffert die Ausgaben mit 10,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.

Im Jahresdurchschnitt 2009 erhielten 1,325 Millionen Bürger Arbeitslosengeld II (Hartz IV), obwohl sie ganz oder teilweise berufstätig waren. (Foto: Foto: dpa)

Für viele Berufstätige reicht der Job nicht mehr zum Leben. Das Problem hat sich mit der Wirtschaftskrise weiter verschärft. So ist unter den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten die Quote derjenigen, die zusätzlich Hartz IV benötigen, in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Im Juni 2005, kurz nach Einführung der rot-grünen Reformen am Arbeitsmarkt, waren es noch 1,5 Prozent. Im September 2009 lag die Quote dieser sogenannten Aufstocker bereits bei 2,6 Prozent. Dieser Trend spiegelt sich auch in den absoluten Zahlen wider: 2007 waren fast 1,22 Millionen Hartz-IV-Empfänger erwerbstätig, zwei Jahre später bereits etwa 100.000 mehr. Vor allem in der Leiharbeitsbranche, in der Gastronomie und bei Dienstleistern ist das Aufstocken von Löhnen verbreitet.

Der Anteil derjenigen, die trotz Vollzeitjob weniger als das Existenzminimum verdienen, war in den vergangenen drei Jahren allerdings rückläufig: 2009 bezogen etwa 300.000 Menschen einen Bruttolohn von 800 Euro oder mehr und zugleich die staatliche Grundsicherung. DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy führt dies vor allem auf den Ausbau des Kinderzuschlags und des Wohngelds sowie auf die wachsende Zahl von Mindestlöhnen in einzelnen Branchen zurück. "Der Niedriglohnsektor wächst, aber mit ihm nicht die Zahl der Niedriglöhner, die aufstockend Anspruch auf Hartz IV haben", sagte Adamy.

Stark zugenommen hat die Zahl der Hilfsbedürftigen mit einem Minijob. Im Jahresdurchschnitt 2009 war dies bei etwa 700.000 Hartz-IV-Empfängern der Fall. Das sind fast 100.000 mehr als vor zwei Jahren. Mit einem Minijob lassen sich bis zu 400 Euro im Monat verdienen. Wer die Grundsicherung bezieht, darf davon bis zu 160 Euro behalten. Der Rest wird mit dem Hartz-IV-Satz verrechnet.

"Fehlanreize bei Hartz IV"

Der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, sieht wegen dieser Zunahme "Fehlanreize bei Hartz IV". Die Freibetragsregelung mache es "attraktiv, sich mit geringem zeitlichen Arbeitseinsatz ein beträchtliches Taschengeld zur Grundsicherung hinzuzuverdienen". So entstehe "ein Anreiz für den dauerhaften Bezug der Fürsorgeleistung, statt über eine Vollzeittätigkeit aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung zu kommen", sagte Hundt am Montag der SZ. Der Staat müsse deshalb kleine Hinzuverdienste stärker und Einkommen aus einer vollzeitnahen Tätigkeit weniger als bisher auf das Arbeitslosengeld II anrechnen, so wie dies die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag auch vorgesehen hat.

DGB-Experte Adamy wies dagegen darauf hin, "dass Arbeitslose jeden Strohhalm ergreifen müssten, der sich für sie bietet". Häufig stünden aber gar keine anderen Jobs zur Verfügung. Außerdem seien gerade in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit besonders viele Minijobber auf Hartz IV angewiesen - anders als in wirtschaftlich prosperierenden Regionen. Dort dienten Minijobs vielfach als Zusatzverdienst zu einem bestehenden Erwerbseinkommen, ohne dass Hilfe vom Staat notwendig wäre.

© SZ vom 04.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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