Brexit:Schmerzhaft klar

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Britische Banken und Autohersteller warnen vor den Nachteilen eines harten Ausstiegs aus der Europäischen Union. Über kurz oder lang könnten die Unternehmen Tausende von Arbeitsplätzen verlagern, erste Ankündigungen gibt es bereits.

Von Björn Finke, London

Britische Wirtschaftslobbyisten haben sich lange beklagt, dass Theresa May das Land im Unklaren lasse über ihre Pläne für den Brexit. Mit ihrer Rede schuf die Premierministerin nun Klarheit. Doch was da klar wurde, behagt vielen Unternehmen ganz und gar nicht: Autohersteller äußerten sich kritisch; Banken wiederholten ihre Ankündigungen, Tausende Stellen von London in Euro-Staaten zu verlagern.

So sagte Stuart Gulliver, Chef von Europas größter Bank HSBC, dass der Konzern einen Teil des Investmentbanking-Geschäfts von der Themse aufs Festland verschieben werde, vermutlich nach Paris. Dieser Teil mache ein Fünftel des Umsatzes der Londoner Investmentbank aus, es gehe um 1000 Jobs. Betroffen sind jene Bereiche, die bisher von den Regeln des EU-Binnenmarktes profitieren. Axel Weber, früher Bundesbank-Chef, nun Präsident des Verwaltungsrats beim Schweizer Geldhaus UBS, kündigte ebenfalls an, etwa 1000 Jobs aus London abzuziehen.

Lloyd Blankfein, Chef der US-Bank Goldman Sachs, sagte am Donnerstag, es sei noch unklar, ob nur ein oder mehrere Standorte von Verlagerungen profitieren würden. Das Handelsblatt hatte zuvor berichtet, die Amerikaner könnten etwa 1000 von 6500 Jobs nach Frankfurt verschieben. Die Bank teilte nur mit, es sei bisher keine Entscheidung getroffen worden.

Die Geldhäuser an Europas wichtigstem Finanzplatz London bedienen Kunden in der ganzen EU. Dank des Binnenmarktes wird die britische Genehmigung überall anerkannt. Fachleute sprechen davon, dass die Institute einen EU-Pass haben.

Viele Geldhäuser werden bald damit beginnen, Jobs aus London abzuziehen

Doch Premier May schließt aus, dass das Königreich nach dem Brexit, also von 2019 an, am Binnenmarkt teilnimmt. Sie strebt nur ein Freihandelsabkommen an. Allerdings will May für die wichtige Finanzbranche Sonderregeln aushandeln, dank derer die Vorteile des Binnenmarktes weiter gelten sollen. Tatsächlich kann die EU verkünden, dass die Vorschriften eines Staates äquivalent, also gleichwertig, zu Brüsseler Regeln sind. Dann gewährt die EU der Branche aus diesem Land ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt.

Aber dieses Äquivalenzprinzip bietet den Finanzkonzernen weniger Sicherheit als der EU-Pass. Und viele Banken werden sich nicht darauf verlassen wollen, dass London und Brüssel bis 2019 eine Vereinbarung über Sonderrechte für Banken abschließen. Sie werden in den kommenden Monaten damit anfangen, Abteilungen in Euro-Staaten zu verlagern, um weiter ihre Kunden in der EU betreuen zu können.

In der Rede kündigte May zudem an, nicht bei der Zollunion der EU mitzumachen. Das bedeutet, dass in Zukunft wieder Zöllner in britischen und französischen Häfen Laster kontrollieren werden. Das ist selbst dann nötig, wenn der Handel mit der EU zollfrei bleibt. Der britische Autoherstellerverband SMMT warnt, so ein Ausstieg aus der Zollunion bedrohe Investitionen. Die Autofabriken beziehen viele Zulieferteile vom Festland, und Verzögerungen durch Zollkontrollen gefährden den zuverlässigen Nachschub. Toyota-Chef Takeshi Uchiyamada sagte, Mays Pläne minderten die Wettbewerbsfähigkeit seiner zwei Fabriken auf der Insel.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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