Beschwerden:Bitte alle mal melden

Zur ihrem Unmut müssen Banken der Finanzaufsicht seit 2012 jede einzelne Kundenbeschwerde melden. Anfällig ist das System immer noch.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Finanzkrise war nicht nur verantwortlich für große Verluste bei den Banken, sie förderte auch schlimme Fälle von Falschberatung zutage: Mit der "Lehman-Oma" brachte sie sogar den Prototyp des geprellten Anlegers hervor. Viele Banken und Sparkassen hatten Papiere der US-Pleite-Bank an arglose Anleger verkauft.

Seither ist zwar viel passiert, es wurden Beratungsprotokolle eingeführt, Produktinformationsblätter und längere Verjährungsfristen bei Falschberatung. Und doch ist das System immer noch anfällig für Falschberatung, glaubt Andreas Oehler. "In Punkto Geldanlage werden die Deutschen kaum besser beraten als vor der Krise", sagt der Bamberger Finanzprofessor. Immerhin aber müssen Banken seit 2012 sämtliche Mitarbeiter in der Anlageberatung und im Vertrieb namentlich der Finanzaufsicht Bafin melden. In diesem so genannten Beschwerderegister waren zuletzt gut 150 000 Bankmitarbeiter aufgeführt. Beklagen sich Kunden über einen Mitarbeiter, sind Banken seither verpflichtet, jeden dieser Vorgänge direkt an die Aufsicht zu melden. Häufen sich die Kundenbeschwerden kann die Bafin nach eigener Aussage nunmehr "besser reagieren und genauer kontrollieren, ob bei der Anlageberatung die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden", wie eine Sprecherin sagt.

Davon habe man Gebrauch gemacht: Seit der Einführung des Registers bis Ende September 2016 habe es insgesamt knapp 26 000 Beschwerden gegeben. Allein im Jahr 2015 habe die Aufsicht auf dieser Basis vor Ort 224 Filialen besucht und mit 1191 Mitarbeitern gesprochen.

Was auffällt: Seit 2012 geht die Zahl der Beschwerden spürbar zurück; waren es 2013 noch gut 9700 Meldungen, sank die Zahl 2015 auf rund 4600. Heißt das, dass die Verbraucher nun zufriedener sind? Dieser Schluss sei womöglich voreilig, erklärt dazu die Bafin. Der Rückgang könne auch andere Ursachen haben, so ist auch die Zahl der Berater gesunken.

Sogar ein Berufsverbot kann die Behörde erteilen. Dazu ist es bislang aber nicht gekommen

In der Bankenbranche jedenfalls war das Register zum Start auf heftige Kritik gestoßen, vor allem, weil die Bafin auch die Möglichkeit hat, einem Berater vorrübergehend die Tätigkeit zu untersagen. "Mit einem Fuß im Gefängnis", fühlten sich die Bankberater daher, hatte Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon seinerzeit gewettert. Die Aufsichts-Maßnahme werde daher das Wertpapiergeschäft abwürgen.

Davon jedoch kann keine Rede sein. Jedenfalls stieg der Provisionsüberschuss der Sparkassen - er gibt Aufschluss über die Gebühreneinnahmen aus Wertpapierverkäufen - seither jährlich um sieben bis acht Prozent an. Bei den anderen Banken sieht es ähnlich aus. Unter dem Strich scheint man sich bei den Instituten also arrangiert zu haben mit dem Register, zumal es laut der Finanzaufsicht bislang zu keinem Fall von Berufsverbot gekommen ist. Allerdings entstehe durch die Vorgabe nach wie vor ein "enormer bürokratischer Aufwand", heißt es etwa beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Beim Bundesverband der Volksbanken kritisiert man, dass der Bafin genügend Instrumente zur Verfügung stünden, die Qualität der Anlageberatung zu überwachen. Das Register sei daher weiterhin unnötig.

Auch Finanzprofessor Oehler sieht das Beraterregister kritisch, allerdings aus der Perspektive der Verbraucher. Zwar sei dies ein "allererster Anfang", die Finanzberatung zu verbessern, die Aufsicht aber könne gar nicht laufend die Qualifikation aller Berater überprüfen.

Verbraucherschützer wie Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisieren hingegen ganz generell, dass sich Beratung vorbei am Kundenbedarf nach wie vor lohne für Banken, unter anderem, weil sie damit nur selten auffliegen würden. Die Bafin ließe den Banken viel zu viel durchgehen. Nauhauser fordert daher klarere Regeln, die sicherstellten, dass Banken die Kunden wirklich in deren Sinne berieten. So würden zum Beispiel immer noch vorwiegend aktiv verwaltete - und damit teure - Fonds empfohlen.

Bei den Gewerkschaften indes hat man immerhin vermerkt, dass die Berater heute besser geschult würden. "Vor 2008 war das eine unstrukturierte Sache", sagt Stephan Szukalski, Bundesvorsitzender des Deutsche Bankangestellten-Verbandes. Auch ein Beraterregister aber könne nicht verhindern, dass Banken womöglich irgendwann wieder in Vertriebs-Exzesse verfielen. "Heute hört man zwar deutlich seltener als früher, dass Kundenberater fast schon dazu gezwungen werden, Kunden Produkte aufzuschwatzen, die diese objektiv kaum brauchen", sagt Szukalski. Trotzdem wäre es ein Fehler zu glauben, aus den Vertriebsmaschinen der Banken seien nun wieder Kundenberater alter Prägung geworden, die stets und ausschließlich im Kundeninteresse handelten. Zuletzt seien die Banken einfach nur vorsichtiger geworden.

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