Arcandor-Chef im Gespräch:"Taktisches Manöver und Störfeuer"

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Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick über Hilfsangebote der Konkurrenz, staatliche Bürgschaften und eine mögliche Insolvenz.

Caspar Busse u. Stefan Weber

Karl-Gerhard Eick, 55, ist seit Anfang März Chef des Handelskonzerns Arcandor, zu dem neben Karstadt auch der Versandhändler Quelle und eine Mehrheit am Touristikkonzern Thomas Cook gehören. Nach Stationen bei BMW und beim Familienkonzern Haniel wurde der Betriebswirt im Jahr 2000 Finanzvorstand bei der Deutschen Telekom und galt dort auch als Kandidat für den Chefposten.

Denkerpose: Karl-Gerhard Eick führt seit wenigen Wochen Arcandor. Er hat viele Altlasten von Amtsvorgänger Thomas Middelhoff mitbekommen. (Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Eick, Metro-Chef Eckhard Cordes hat einen Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt vorgeschlagen. Eine gute Idee?

Karl-Gerhard Eick: Die Idee einer Deutschen Warenhaus AG ist immer wieder einmal massiv vorangetrieben worden. Darauf gab es bis zu diesem Wochenende von Metro und Kaufhof überhaupt kein Echo. Jetzt kommt der Vorstoß von Metro sehr überraschend. Bisher hat sich bei mir noch keiner gemeldet, geschweige denn, dass uns ein Konzept vorliegt.

SZ: Hat der Plan denn eine Chance?

Eick: Die Idee ist zunächst einmal naheliegend und auf den ersten Blick auch plausibel. Doch sie hat auch gravierende Nachteile. Es würde ein Monopol bei Warenhäusern entstehen. Wir haben den Fall von Kartellanwälten prüfen lassen. Nach deren Einschätzung hat das Modell beim Bundeskartellamt kaum eine Chance. Außerdem würde es in diesem Fall wohl zu einer flächendeckenden Bereinigung bei Kaufhäusern und einem hohen Arbeitsplatzabbau kommen.

SZ: Gemeinsam würden Karstadt und Kaufhof auf mehr als 200 Standorte kommen. Wie viele wären bei einer Fusion gefährdet?

Eick: Sicher wären zwischen 40 und 50 Kaufhäuser von der Schließung bedroht. Aber es könnten auch deutlich mehr sein. Sicher ist: Es werden mehr Standorte dichtgemacht und Mitarbeiter entlassen, als wenn die beiden Konzerne parallel als Konkurrenten weiter arbeiten.

SZ: Sie wehren sich also gegen eine Fusion?

Eick: Zum jetzigen Zeitpunkt lehne ich einen Zusammenschluss ab. Das von Herrn Cordes vorgeschlagene Modell scheint darauf zu basieren, dass Arcandor vorher in die Insolvenz geht. Denn Arcandor ist in dem uns bekannten Modell ja als Gesellschafter gar nicht mehr berücksichtigt. Aber das wollen wir nicht. Der Vorschlag von Metro scheint mir derzeit eher ein taktisches Manöver und Störfeuer auf der politischen Bühne zu sein. Arcandor braucht eine staatliche Bürgschaft - und dafür kämpfe ich.

SZ: Das heißt, die Idee einer Deutschen Warenhaus AG bestehend aus Kaufhof und Karstadt ist tot?

Eick: Die Warenhaus AG hilft uns kurzfristig bei der Zukunftssicherung von Arcandor überhaupt nicht. Unser Ziel ist es, eine langfristige finanzielle Zukunft für Arcandor zu schaffen. In einem zweiten Schritt könnte eine Fusion dann durchaus ein vernünftiges Konzept sein. Das will ich gar nicht ausschließen.

SZ: Im Juni laufen Kredite über 650 Millionen Euro aus. Im September stehen weitere 300 Millionen Euro zur Nachfinanzierung an. Wo soll das Geld herkommen?

Eick: Wir haben dem Aufsichtsrat am Sonntag in einer langen Sitzung ein Konzept präsentiert, wie das zu schaffen ist - vorausgesetzt, alle Beteiligten ziehen mit. Etwas Besseres wird niemandem einfallen. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

SZ: Wie sieht das Konzept aus?

Eick: Unser Ziel ist es, eine solide Finanzierung über fünf Jahre hinzubekommen. Kurzfristig benötigen wir neben einer Staatsbürgschaft über 650 Millionen Euro einen Kredit der KfW über 200 Millionen Euro. Die Banken müssen außerdem bestehende Linien verlängern. Zudem sollen Vermieter sowie Lieferanten in den nächsten fünf Jahren 250 Millionen Euro beitragen.

SZ: Und wo ist der Beitrag der Eigentümer?

Eick: Ohne eine Kapitalerhöhung wird es nicht gehen. Beim Eigenkapital sehen wir eine Erhöhung von 100 Millionen Euro.

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SZ: Aber zunächst soll der Steuerzahler die Fehler aus der Ära Ihres Vorgängers Thomas Middelhoff bezahlen?

Eick: Ich bestreite gar nicht, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. Aber in welchem Unternehmen werden denn keine Fehler gemacht? Das steht doch auch in unserem Antrag auf Bürgschaft. Dennoch haben wir bislang jede Strukturveränderung selbständig gestemmt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise führt jetzt allerdings dazu, dass wir unsere Finanzierung nicht ablösen können.

SZ: Aber die Geschäfte laufen bei Karstadt nicht erst seit der Finanzkrise schlecht.

Eick: Arcandor war nach dem sogenannten Verkauf der Immobilien zunächst schuldenfrei. Die Akquisition von Thomas Cook, die dann erfolgte, war strategisch sinnvoll. Allerdings hatte die Finanzierung eine nur einjährige Bridge und kurz darauf brachen die Märkte zusammen. Zugleich gab es zu wenig Fokus auf das operative Geschäft. Aber noch einmal: Für den Bürgschaftsantrag ist entscheidend, dass wir die geforderten Kriterien erfüllen.

SZ: Die Bundesregierung zögert derzeit offenbar. Oder haben Sie andere Signale?

Eick: Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit dem Wirtschafts- und Finanzministerium. Der Antrag als solcher steht und wird von den Banken voraussichtlich noch in dieser Woche zugestellt. Er wird dann nach objektiven Kriterien geprüft.

SZ: Bis wann brauchen Sie eine Entscheidung?

Eick: So schnell wie möglich. Am 12. Juni läuft unsere Finanzierung aus.

SZ: Was ist der Plan B, wenn die staatliche Bürgschaft nicht kommt?

Eick: Wenn wir die Bürgschaft nicht erhalten, stünde Arcandor vor der Insolvenz. Das ist die zwangsläufige Alternative. Aber das ist nicht in unserem Interesse. Eine Bürgschaft ist die mit größtem Abstand billigste Lösung für alle, besonders für den Steuerzahler. Eine Insolvenz wäre viel teurer.

SZ: Laufen schon konkrete Vorbereitungen für eine Insolvenz?

Eick: Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Aber das ist derzeit kein Thema.

SZ: Sie betonen immer die volkswirtschaftliche Bedeutung von Karstadt und Arcandor. Ist das das wichtigste Argument für Staatsgeld?

Eick: Man muss die Trümpfe ziehen, die man hat. Natürlich haben wir eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Wir haben 53.000 Mitarbeiter in Deutschland, die im übrigen schon erhebliche Zugeständnisse gemacht haben.

SZ: Sie sind seit März im Amt. Haben Sie sich den Job so vorgestellt?

Eick: Ich habe mir vor dem Wechsel viele Gedanken gemacht. Wenn man dann in dem Unternehmen drin ist, sieht aber vieles anders aus und einiges auch schwerer.

SZ: Wie hoch ist die Chance, dass Arcandor überlebt?

Eick: Wir kriegen das hin.

© SZ vom 19.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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