Arbeitslosigkeit in Europa:Dann eben schwarz arbeiten

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In Spanien hat mehr als die Hälfte aller jungen Leute keinen Job. Zumindest offiziell. Viele von ihnen arbeiten allerdings in nicht angemeldeten Aushilfsjobs: Sie kellnern, kochen oder räumen Regale in Supermärkten ein. Eine echte Alternative haben sie nicht.

Von Sibylle Haas und Thomas Urban

Der kreisrunde Olavide-Platz im gutbürgerlichen Madrider Stadtteil Chamberí ist an diesen Frühlingstagen nach dem ungewöhnlich langen Winter eine beliebte Adresse: Fernab der lauten Geschäftsstraßen laden unter alten Bäumen mehrere Straßencafés ein. Hier kellnert die frühere Immobilienmaklerin Carla. Sie gibt unumwunden zu: "Ich bin nicht angemeldet."

Sie arbeitet schwarz. "Habe ich eine andere Wahl?" Sie hat vor fast drei Jahren ihren Job in einem Maklerbüro verloren, Arbeitslosenhilfe bekam sie nur ein Jahr, mehr ist nicht vorgesehen. Mit 27 Jahren wohnt sie nun wieder bei ihren Eltern.

Sie gehört zu der "verlorenen Generation", wie es die Soziologen nennen. So wie ihr geht es Hunderttausenden jungen Spaniern: Jeder zweite unter 25 Jahren hat keinen Job. Dazu gehört Alberto, der Aushilfskoch. Er hat Kunstgeschichte studiert, nach dem Examen hatte er nicht die geringste Chance auf eine Stelle. Eigentlich wollte er in den ruhigen Stunden am späten Nachmittag, wenn ein Koch sich für ein Nickerchen hinlegt, sein Englisch aufbessern. Aber er ist zu müde. Mit zwei früheren Studienkollegen lebt er in einer Wohngemeinschaft. Der eine räumt Regale in einem Supermarkt ein, der andere ist derzeit auf Jobsuche. "Man muss jemanden kennen, um einen anständigen Job zu bekommen", sagt Alberto frustriert.

Abmilderung der Krise durch Schwarzarbeit

Freundschafts- und Familienbande halten die spanische Gesellschaft auch in der Krise zusammen. Manche Kommentatoren schreiben von durchgehender Vetternwirtschaft; Soziologen meinen aber auch, dass dadurch die Härten der Krise erheblich abgefedert würden, weil auch die in der harten Konkurrenz um Arbeitsplätze Gescheiterten aufgefangen werden. Auch die Schwarzarbeit trage zur Abmilderung der Krise bei, weshalb die Behörden kaum dagegen vorgingen.

Wirtschaftsexperten schätzen, dass die Grauzone ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes ausmache. Mit anderen Worten: von der offiziell angegebenen Zahl von 25 Prozent Arbeitslosen seien kräftig Abstriche zu machen.

Die Jugendarbeitslosigkeit gehört derzeit zu den großen Sorgen der EU: Ende 2012 waren in den 27 Mitgliedstaaten etwa 5,7 Millionen Menschen im Alter unter 25 Jahren arbeitslos, davon fast 3,6 Millionen im Euro-Raum. Während die Jugendarbeitslosigkeit besonders im Süden Europas ein Problem ist, werden in Deutschland dringend Auszubildende gesucht. Die Bundesregierung bemüht sich darum, gut ausgebildete Fachkräfte aus anderen EU-Ländern anzuwerben. Deutschland hatte Ende 2012 nach EU-Angaben mit 8,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote unter jungen Menschen.

Anfang März beschlossen die EU-Arbeitsminister eine Jobgarantie für Jugendliche. Danach sollen junge Menschen nach ihrer Ausbildung oder beim Verlust des Arbeitsplatzes innerhalb von vier Monaten einen neuen Job oder eine Aus- oder Praktikumsstelle bekommen. Die Europäische Kommission setzt dabei vor allem auf die Zusammenarbeit der Sozialpartner.

EU-Arbeitskommissar László Andor bezeichnet die hohe Jugendarbeitslosigkeit als "Tragödie für Europa". Er fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, alle verfügbaren Mittel anzuwenden, um Arbeitsplätze zu schaffen und wieder zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum zu kommen. Die EU-Kommission empfahl den Mitgliedstaaten, die Sozialpartner stärker bei den Reformen einzubeziehen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten in vielen Ländern zu wenig Mitspracherechte. Reformen seien viel leichter und effektiver durchzusetzen, wenn alle Seiten einverstanden seien, so Andor.

Die Konsolidierung der Haushalte sei ein wichtiges Ziel. Andor hatte bereits vor einiger Zeit besonders von Spanien eine "begleitende Politik" verlangt, die Jobs schaffe und den Zusammenhalt der Gesellschaft fördere. Die spanische Regierung müsse überprüfen, inwieweit die Haushaltssanierung dazu diene, Arbeitsplätze zu schaffen.

Die spanische Regierung unter dem konservativen Premier Mariano Rajoy hat eine Reform des Arbeitsmarktes beschlossen und den Kündigungsschutz gelockert. Auch wurde ein Konjunkturprogramm für junge Arbeitssuchende vorgelegt, mit Steuervergünstigungen für Arbeitgeber und Subventionen für junge Firmengründer.

Carla im Straßencafé von Chamberí bedauert, dass sie als Fachkraft der schlecht laufenden Immobilienbranche nicht dafür infrage komme. Alberto meint, er habe weder Ideen noch den Mut, selbst eine Firma zu gründen. Er hatte mit dem Studium der Kunstgeschichte begonnen, als im ganzen Land großzügige Museen geplant und teilweise schon begonnen wurden. Nun aber ist alles anders: "Die Museen werden nicht gebaut, und ich bekomme keinen Job."

© SZ vom 25.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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