Arbeitsbedingungen in China:Mensch und Maschine

Apple-Zulieferer Foxconn, China

Arbeiterinnen beim Handy-Hersteller Foxconn: Sie klagen über soziale Isolation und militärischen Führungsstil. Bald soll es einen Betriebsrat geben.

(Foto: Bobby Yip/Reuters)

Apple-Produzent Foxconn ist bekannt dafür, dass er seine Arbeiter besonders schlecht behandelt. Jetzt können die chinesischen Angestellten eine Art Betriebsrat wählen - eine Premiere für China. Apple geht es dabei um mehr als das gute Image.

Von Marcel Grzanna

Wenn Artikel Eins der chinesischen Verfassung der Realität entspricht, dann sind unabhängige Gewerkschaften in der Volksrepublik so überflüssig wie Feiertage, die auf einen Sonntag fallen. Denn dort heißt es: Alle Macht geht demnach von der Arbeiterklasse aus. Doch die Realität sieht anders aus. Arbeiter haben in China seit Mao Zedong nichts mehr zu sagen. Da hilft es auch nicht, dass 134 Millionen Chinesen Mitglieder der staatlichen Gewerkschaftsvereinigung sind. Sie sind nur Staffage in einer Organisation, die von der Kommunistischen Partei als Propagandainstrument verwendet wird.

Sollte sich dies irgendwann doch ändern, dürfte 2013 wohl als Meilenstein auf dem Weg zu unabhängigen Arbeitervertretern in der Volksrepublik gelten. Denn nun hat der Elektronikproduzent Foxconn angekündigt, seine Belegschaft in Zukunft selbst entscheiden zu lassen, wer sie repräsentieren soll. In geheimer Abstimmung sollen 1,2 Millionen Mitarbeiter "die Position des Vorsitzenden und 20 Komiteemitglieder des Foxconn Gewerkschaftsverbandes bestimmen", wie das Unternehmen der Financial Times bestätigte.

Das gab es in dieser Form in China noch nie, und es ist das Resultat einer Entwicklung, die schon vor einigen Jahren begonnen hat.

Regierung hob Mindestlöhne an

Eine neue Generation von Fabrikarbeitern ist nach Beginn der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts mit Begehrlichkeiten groß geworden, weil die besser verdienende Minderheit im Land ihren neuen Wohlstand in vollen Zügen öffentlich genossen hat. Diese Generation hat andere Ansprüche als ihre Eltern, die vor allem vom Wunsch nach ausreichend Nahrung für die ganze Familie getrieben wurden. Die stetig wachsende Kluft bei den Einkünften hat eine frustrierte Masse Arbeiter geschaffen, die nicht mehr bereit war, für Hungerlöhne den Großteil des Tages am Fließband zu stehen.

2010 begann eine beispiellose Streikwelle im Land. Die Regierung spürte den Zorn der Massen und hob landesweit die Mindestlöhne an. "Das Ende der Billiglohn-Ära ist durch die Streiks eingeläutet worden. Die Arbeiter werden nichts anderes akzeptieren. Das war eine Art Wendepunkt", sagt Professor Zhao Qiao vom Institut für Industrielle Beziehungen.

Auch bei Foxconn gab es damals Streiks. 13 Werke betreibt die taiwanesisch geführte Firma in der Volksrepublik. Mehr als eine Million Chinesen schrauben für Foxconn. Oder genauer gesagt: Sie schrauben für Apple, etwa das iPhone und das iPad. Aber sie schrauben auch Computer für Hewlett-Packard, Spielekonsolen für Microsoft, Handys für Nokia.

Vorwürfe gegen Apple

Bei Foxconn gab es damals, im Sommer 2010, nicht nur Streiks, sondern auch eine Serie von Selbstmorden. Ein Dutzend Angestellter im Werk in Shenzhen nahm sich das Leben. Alles junge Wanderarbeiter. Den Selbstmord hatten sie nicht nur wegen der geringen Löhne gewählt, sondern wegen der Arbeitsbedingungen. Sie leben auf dem Fabrikgelände, fernab der Heimat, fernab neuer Bekanntschaften. Sie arbeiten in Schichten rund um die Uhr.

Der 22-Jährige Xin Fulin hielt es nicht länger als ein halbes Jahr bei Foxconn aus. "Ich war fertig. Man wird nicht als Mensch behandelt, sondern als Maschine", so berichtete er der Buchautorin Leslie Chang. "Während der Arbeit darf man nicht mit den Kollegen reden. Abends fällt man nur noch todmüde ins Bett. Das ist nicht lebenswert."

Die Todesfälle warfen ein Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen der Werkbank der Welt. Und Foxconns Kunden gerieten in Erklärungsnot: Unternehmen wie Apple sahen sich plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, auf Kosten chinesischer Arbeiter Milliarden zu scheffeln. Auch deswegen unterstützen sie die Entwicklung unabhängiger Gewerkschaften. Mithilfe der US-amerikanischen Vereinigung für faire Arbeitsbedingungen FLA drängte Apple vor einem knappen Jahr darauf, näher zu analysieren, wie es um die Gewerkschaft bei Foxconn bestellt ist - mit ernüchterndem Resultat. Eine wirkliche Interessenvertretung der Arbeiter gibt es bislang nicht.

Angst vor sozialen Unruhen

Apple geht es um mehr als das gute Image: Als es im vergangenen Herbst, kurz vor dem Verkaufsstart des neuen iPhones, erneut zu Unruhen beim Auftragsfertiger kam, stand die rechtzeitige Auslieferung der begehrten Smartphones auf der Kippe. Seit den Streiks steigen die Einkünfte der Arbeiter. Weil Foxconn weitere Arbeitsniederlegungen verhindern will. Und auch weil die Regierung Angst vor sozialen Unruhen hat, die ihr Machtmonopol gefährden. Noch immer rangieren die Arbeiter am unteren Ende der Einkommensleiter. Der Erfolg aber hat ihnen Mut gemacht.

Die FLA ist es auch, die nach dem Frühlingsfest Ende Februar beginnen wird, die Arbeiter auf die demokratische und geheime Abstimmung vorzubereiten. Bislang sind Gewerkschaftsvertreter oder Betriebsräte nichts anderes als der verlängerte Arm der Unternehmensleitung. Der Filz zwischen Management und Parteikadern hat eine echte Arbeitnehmervertretung bislang ausgebremst.

Dieses Problem ist mit der Wahl der Foxconn-Repräsentanten nicht gelöst. Die Nachricht von Foxconn ist ein Signal an alle Arbeiter. Nicht mehr, nicht weniger. In China hat es noch nie an plakativen Aktionen gemangelt. Die Umsetzung der gut gemeinten Beschlüsse ist die wahre Herausforderung.

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