Arbeitnehmerrechte:Selber schuld

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Eine Regel der Schweizer Bundesbahnen trifft Mütter besonders häufig: Eine Lohnerhöhung ist nur möglich, wenn ein Mitarbeiter mindestens die Hälfte des Jahres gearbeitet hat. Jetzt klagt eine Zugbegleiterin.

Von Charlotte Theile, Zürich

Wenn ein Arbeitnehmer sechs Monate oder länger im Beruf aussetzt, handelt es sich meistens um eine Mutter, die ihr neugeborenes Kind betreut. Das ist insbesondere in der Schweiz so, wo Väter keinen Anspruch auf Sonderurlaub haben. Eine Regelung der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) trifft daher Mütter besonders häufig: Eine lohnrelevante Beurteilung, sprich eine Lohnerhöhung, ist bei den Verkehrsbetrieben nur möglich, wenn eine Person mindestens die Hälfte eines Kalenderjahres gearbeitet hat. Das gebiete die Fairness gegenüber den Angestellten, die das ganze Jahr da waren, heißt es zur Begründung.

Dagegen klagte nun eine Zugbegleiterin vor dem schweizerischen Bundesverwaltungsgericht: die Regelung diskriminiere Mütter. Die Frau hatte 2010 und 2013 Mutterschaftsurlaub genommen und in den beiden Folgejahren keine Lohnerhöhung erhalten. Zuvor hatte sie stets gute Beurteilungen bekommen. Ein arbeitsrechtlicher Präzedenzfall, der Folgen für viele Arbeitnehmerinnen und Unternehmen haben könnte.

Das Gericht in Sankt Gallen konnte sich nur knapp auf eine Beurteilung einigen: mit drei zu zwei Stimmen kam es am Donnerstag zu dem Ergebnis, dass die Berücksichtigung des Mutterschaftsurlaubs bei der Anwesenheitsregelung eine indirekte Diskriminierung darstelle. Das klingt, als könne sich die betroffene Frau freuen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Gericht gab der SBB recht: Es handle sich zwar um Diskriminierung, doch diese sei "sachlich gerechtfertigt" und damit zulässig. Die Klage, die von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals unterstützt worden war, wurde abgewiesen - mit drei zu zwei Stimmen.

Zur Begründung hieß es, der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz sei mit 98 Tagen kürzer als ein halbes Jahr - insofern hätten Mütter die Möglichkeit, ein Kind zu bekommen und dennoch genug zu arbeiten, um eine Lohnerhöhung zu erreichen. Von der Gewerkschaft hieß es, man behalte sich vor, den Fall vor die nächste Instanz, das Bundesgericht, zu ziehen.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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