Arbeitnehmer:Mehr Geld für vier Millionen

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Jeder zehnte Arbeitnehmer in Deutschland profitiert vom Mindestlohn. Viele davon sind Frauen.

Von Alexander Hagelüken und Thomas Öchsner, Berlin/München

Wenige politische Vorhaben sind so umstritten wie der gesetzliche Mindestlohn. Während Gewerkschafter seine Einführung Anfang 2015 als soziale Errungenschaft für Geringverdiener feierten, warnten Arbeitgeber und manche Ökonomen vor deutlichen Jobverlusten. Nun wartet das Statistische Bundesamt mit harten Zahlen auf. Demnach profitiert gut jeder zehnte Arbeitnehmer in Deutschland von der staatlich verordneten Lohnerhöhung.

Aufschlag von durchschnittlich 18 Prozent

Im April 2014, kurz vor Einführung, verdienten 5,5 Millionen Beschäftigte weniger als den Mindestlohn von 8,50 Euro brutto die Stunde. Vier Millionen oder 10,7 Prozent der Jobs rutschten dann unter den Schutz der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Für 1,5 Millionen sah das Gesetz Ausnahmen vor, etwa weil es sich um Auszubildende, Praktikanten oder Personen unter 18 Jahren handelte. 1,1 Millionen der vier Millionen Jobs entfielen auf Ostdeutschland. Mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer in den neuen Ländern hätte somit vom Mindestlohn profitiert, sofern sie von 2015 an die 8,50 Euro wirklich erhalten haben.

Nach den Berechnungen der Wiesbadener Statistiker dürften die vier Millionen - zumindest für ihre finanziellen Verhältnisse - dabei recht üppige Lohnerhöhungen bekommen haben: So verdienten die gering bezahlten Frauen im Durchschnitt vorher 7,21 Euro brutto, bei den Männern waren es 7,18 Euro. Das entspricht einem Aufschlag von durchschnittlich 18 Prozent bei gleicher Arbeitszeit. Hochgerechnet würden die Unternehmen so monatlich mehr als 430 Millionen Euro an Bruttolohn auszahlen.

Frauen haben stärker profitiert

Die Angaben der Statistiker decken sich weitgehend mit den Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums, das von 3,7 Millionen möglichen Profiteuren sprach. Die Bundesregierung hatte stets den Statistikern den Auftrag gegeben, im Rahmen ihrer jährlichen "Verdienststrukturerhebung" mehr über gering bezahlte Jobs herauszufinden. Die Daten von 60 000 erfassten Betrieben, die das Amt ausgewertet hat, erlauben nun einige bemerkenswerte Einblicke. So hilft der Mindestlohn zu mehr als 80 Prozent Beschäftigten von Firmen, die vermutlich aus Kostengründen nicht nach Tariflohn bezahlen. Die meisten waren davon im Einzelhandel und in der Gastronomie, in diesen beiden Branchen betrifft sie je eine halbe Million Arbeitnehmer.

Eine weitere Erkenntnis: Mehr als die Hälfte der Nutznießer, etwa 2,2 Millionen, hatte zum Stichtag April 2014 einen Minijob, eine der gering entlohnten Beschäftigungsformen, die seit der hohen Arbeitslosigkeit Anfang der Nullerjahre stark zunahmen. Auffällig ist außerdem, dass Frauen unter den vier Millionen in der Überzahl sind. Immerhin 2,5 Millionen Frauen verdienten 2014 weniger als 8,50 Euro.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) feierte in einem Eintrag auf ihrer Facebook-Seite die Zahlen als Erfolg. "Der Mindestlohn tut unserem Land auch insgesamt gut." Dieser zeige, "dass jeder, der sich anstrengt, etwas davon hat", schrieb Nahles. Damit gebe es ein "Mindestmaß von Anstand und Fairness gegenüber jedem, der die Ärmel hochkrempelt und versucht auf eigenen Beinen zu stehen". Dies sei auch ein Signal für die Menschen, die als Flüchtlinge hierher gekommen seien.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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