Altersvorsorge:Heils Renten-Versprechen sind heikel

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"Wenn wir da die Zusage der Regierung nicht umsetzen, wird das Geklatsche für Pflegerinnen und Pfleger in den Ohren vieler als zynisch nachhallen", sagt Bundesminister Hubertus Heil. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der Sozialminister spielt mit seinem Milliardenpaket den Retter der Rente. Dabei sind die Sorgen derzeit übertrieben - die wirklichen Probleme kommen erst.

Kommentar von Henrike Roßbach

Manche Bilder graben sich ins kollektive Gedächtnis ein. Etwa jenes, das einen Sozialminister mit Krawatte und Nickelbrille zeigt, der auf einer Leiter steht und sehr zufrieden mit sich ist, weil er gerade ein Plakat an eine Litfaßsäule geklebt hat. Der Minister heißt Norbert Blüm, er befindet sich im Wahlkampf des Jahres 1986, und auf dem Plakat steht, eines sei sicher: die Rente.

Heute heißt der Minister, der für die sichere Rente zuständig ist, Hubertus Heil. Plakatiert hatte der SPD-Politiker nichts, als er am Freitag sein milliardenschweres Rentenpaket vorstellte. Und doch möchte er erkennbar zurück in eine Zeit, in der Norbert Blüm mit dem Schrubber in der Hand noch nicht für ein - aus Sicht vieler Bürger - gebrochenes Versprechen stand. Die Rente, sagt Heil, sei ein Kernversprechen des Sozialstaats. Und dass er neues Vertrauen schaffen wolle, damit am Ende nicht "die politischen Scharlatane" Kapital schlagen aus der um sich greifenden Verunsicherung.

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Daran ist nichts auszusetzen. Bloß: Wie konnte es dazu kommen, dass so viele Bürger Angst vor einem Alter in Armut haben, obwohl heutige und baldige Rentner das niedrigste Armutsrisiko der Bevölkerung tragen? Und: Hilft das, was Heil vorhat, gegen die Angst und gegen die Armut?

Dass die Rente Politik und Bürger derart bewegt, hat viele Gründe. Ein eher schnöder ist, dass Rentner Wähler sind, und zwar in wachsendem Maße. Sie zu verstimmen ist noch keiner Partei sonderlich gut bekommen. Vor allem aber ist es eine sehr berechtigte und zutiefst menschliche Urangst, im Alter hilfsbedürftig zu sein. In einer Welt vor unserer Zeit waren es im besten Fall die vielen eigenen Kinder, die einen auffingen. Heute ist die gesetzliche Rente für die meisten das Netz, auf das sie bauen. Wenn ihnen das löchrig erscheint, wächst die Angst.

Beamte und Selbständige haben mit der Armutsbekämpfung weniger zu tun

Aber: Die Sorgen werden auch von der Politik allzu oft genährt, obwohl es gute Gründe gäbe, sie zu dämpfen. Ja, das Rentenniveau ist gesunken. Dass das aber keineswegs sinkende Renten bedeutet - dafür reicht die Erzählung meist schon nicht mehr. Und ja, die Hälfte der Altersrenten liegt unter 800 Euro. Das bedeutet aber keineswegs, dass die Hälfte aller Rentner von weniger als 800 Euro lebt.

Natürlich ist keineswegs alles in Butter. Es gibt arme Rentner, und sie werden mehr werden. Nur: Nicht einmal Heil selbst behauptet, dass seine knapp 32 Milliarden Euro bis 2025 in erster Linie dem Kampf gegen Altersarmut dienen. Löbliche Ausnahme: die geplanten Verbesserungen für jene, die zu krank sind, um bis zum Schluss zu arbeiten. Dass künftig arme Rentnerinnen mit zwei Kindern gut situierten Rentnerinnen mit drei Kindern die Mütterrente mitfinanzieren, klingt schon weniger einleuchtend. Ähnlich ungerecht ist, dass die größte Last bei den Beitragszahlern hängen bleibt. Beamte und Selbständige, die nicht in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen, haben mit der Armutsbekämpfung weniger zu tun, denn aus Steuern und somit von allen finanziert wird nur ein Drittel der Kosten.

Derweil kommen die wirklichen Probleme erst Mitte des nächsten Jahrzehnts auf die Rentenversicherung zu, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Spätestens dann dürfte zum Verdruss der Bürger wieder ein rentenpolitisches Versprechen ins Wanken geraten: das der Generationengerechtigkeit.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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