Abgasaffäre:Herr Winterkorn, wie war das mit dem Diesel?

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Seit er seinen Posten als VW-Chef aufgegeben hat, schweigt der Ex-Manager. Jetzt tritt er im U-Ausschuss des Bundestags auf.

Von Markus Balser und Max Hägler

Er will erscheinen und öffentlich auftreten, das schon, das erste Mal seit beinahe eineinhalb Jahren. Begleitet von zwei Rechtsanwälten will der frühere VW-Chef Martin Winterkorn am Donnerstagvormittag gegen zehn Uhr ins Marie-Elisabeth-Lüders-Haus kommen, gleich neben dem Reichstag. Der Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat ihn als Zeugen geladen. Winterkorn soll erklären, wie es bei Volkswagen zu der Affäre um manipulierte Schadstoffmessungen gekommen sei. Wie war das mit dem Diesel?

Ende September 2015 hatte der langjährige Top-Manager die Konsequenz aus dem Diesel-Betrug bei VW gezogen und seinen Posten aufgegeben. "Im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin." Seither schweigt der Top-Manager, der seinen Hauptwohnsitz in München hat, in der Öffentlichkeit. Bei internen Ermittlern von VW hat er zu Protokoll gegeben, dass er keinerlei Verfehlungen begangen habe.

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Kronzeugen in der Abgasaffäre sind überzeugt, dass der Ex-VW-Chef schon im Juli 2012 von den Tricksereien seines Konzerns wusste - damals sei ein enger Vertrauter Winterkorns informiert worden.

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Ob Winterkorn wirklich Rede und Antwort stehen wird, ist fraglich

Die Erwartung mancher Abgeordneter ist hoch: "Wir wollen wissen, wer bei VW wann was wusste", sagt der Linken-Politiker und Ausschussvorsitzende Herbert Behrens. Doch ob Winterkorn wirklich Rede und Antwort stehen wird, ist fraglich. Jedenfalls gehen alle, die ihn kennen, vom Gegenteil aus. Denn wieso sollte er sich "der Gefahr einer Intensivierung der Strafverfolgung" aussetzen? Von dieser Gefahr spricht sein Anwalt Kersten von Schenck an anderer Stelle, in ähnlicher Sache.

An diesem Freitag, dem Tag nach dem Ausschuss, muss das Landgericht Paderborn über die Zeugenladung Winterkorns in einem Zivilverfahren entscheiden, einem der vielen Dutzend Verfahren, die es gerade in Deutschland gibt im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre. Der Schadenersatz-Kläger in Paderborn fordert das Erscheinen von Winterkorn. Dessen Anwalt lehnt das ab, in einer Art und Weise, die auch im Untersuchungsausschuss vorgetragen werden könnte.

Es sind zivilrechtliche wie strafrechtliche Argumente: Dem Zeugen Winterkorn stehe ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, da bereits jetzt die Staatsanwaltschaft in Braunschweig gegen ihn ermittle und derlei auch in den USA "nicht ausgeschlossen" sei, heißt es in einem Schriftsatz seines Anwalts von Schenck aus dem vergangenen Jahr, der dem Landgericht Paderborn vorliegt. Und zudem könnten Einlassungen des Zeugen Winterkorn diesem vermögensrechtlichen Schaden bescheren, also Schadenersatzforderungen gegen ihn zur Folge haben. Schenck hat deshalb in Paderborn angeregt, "den Zeugen Professor Dr. Winterkorn nicht mehr zu laden" und ihn von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden.

Beim Bundestag ist Winterkorn ein klein wenig zuvorkommender. Er will erscheinen. Aber letztlich könnte der ehemalige VW-Chef wortkarg bleiben. Das fürchten auch die Politiker, die den Manager damit nicht durchkommen lassen wollen. Der Ausschussvorsitzende Behrens sagt: Die für den Untersuchungsausschuss zentralen Fragestellungen seien strafrechtlich nicht relevant. "Ich hoffe, dass bei der Erinnerung von VW-Chef Winterkorn und anderen Vertretern der Autobranche keine Amnesie um sich greift."

Provozierende Worte, die auch der Situation im Untersuchungsausschuss geschuldet sind: Die Vertreter der Union aber auch die SPD-Abgeordnete wollen das Thema Diesel eher kleinhalten; schließlich geht es in diesem Ausschuss auch um die Rolle des Bundesverkehrsministers, und das ist derzeit Alexander Dobrindt und der ist von der CSU. Grüne und Linke nutzen das Gremium dagegen auch, um sich als Aufklärer zu zeigen.

Das sei doch mehr eine Show, schimpfen manche Autoleute und verweisen dabei unter anderem auf Axel E., einst leitender Entwickler bei Audi: Der ist am Donnerstag ebenfalls als Zeuge geladen, neben anderen wie Autoverbandschef Matthias Wissmann oder Daimler-Cheflobbyist Eckart von Klaeden. Doch Axel E., so meinen sie zumindest bei Volkswagen, habe überhaupt nichts zu tun mit dem Diesel-Thema; sein Name habe sich nur einmal in einer Mail mit Skandalinhalten gefunden, die dann wiederum eine Sonntagszeitung veröffentlichte.

Die spannende Frage, wer wann etwas wusste, dürfte wohl eher von den Staatsanwälten in Deutschland oder den USA beantwortet werden.

Nach offizieller Darstellung von Volkswagen hat der Konzern-Vorstand erst Ende August, Anfang September 2015 von den illegalen Abschalteinrichtungen in den USA erfahren. Stimmt das? Von dieser Antwort hängt viel ab für VW. Denn stimmt es nicht, dann könnten Aktionäre mit Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe Erfolg haben.

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