Fußball-WM:Spaghetti auf dem Kopf

Neymar zeigt die seltsamste Frisur der WM, Jogi Löw an der Laterne sorgt für hämische Kommentare und die englische Weste schreibt Geschichte: Was modisch von der WM bleibt.

Von Oliver Klasen

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Das brasilianische Haar

ACHTUNG BEARBEITET VOM LAYOUT, NICHT VERWENDEN!!!!! World Cup - Group E - Brazil vs Switzerland

Quelle: Damir Sagolj/REUTERS

Eine der erfreulichen Erscheinungen dieser Weltmeisterschaft war die Abwesenheit von Turnierbärten. Ob lang wallend, wuschelig oder in der Drei-Tage-Form, die Spieler trugen ihr Gesichtshaar je nach persönlichem Belieben einfach so im Gesicht, aber ohne dass dem eine besondere Bedeutung zugekommen wäre. Niemand rasierte sich erst dann, als ihm in der Gruppenphase ein Tor gelungen war. Niemand ließ sich aus Aberglauben bis zum Halbfinale einen Schnäuzer stehen. Bärte waren also kein Thema bei dieser WM, das Haupthaar dagegen schon. Kein anderer hat dabei so viele Schlagzeilen gemacht wie der schauspielerisch begabte Brasilianer Neymar. Seine Frisur wechselte er wie andere (hoffentlich) ihre Socken. Am Ende ließ er sich einen Pfeil in den Nacken rasieren, davor waren es kurze, blonde Löckchen auf dunklem Haaransatz, die auch dem frühen George Michael im Video von Last Christmas gut zu Gesicht gestanden hätten. Zu Beginn des Turniers lief er mit goldblond gefärbtem Deckhaar auf, das so aussah, als habe er sich ein Kilo gekochte Spaghetti auf den Kopf geklebt. Das inspirierte viele Leute auf Twitter und Instagram zu einer Art Neymar-Nudel-Challenge. Aber, wie schon Mutter sagte: Mit Lebensmitteln spielt man nicht.

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Die deutsche Laterne

WM 2018 - Feature Deutschland

Quelle: Christian Charisius/dpa

Natürlich muss man auch über Jogi Löw reden, schließlich ist das ein Text über Fußball und Mode. Kurz vor dem zweiten Spiel der Deutschen lehnte Löw auf der Strandpromenade von Sotschi an einer Laterne. Nebenbei sei angemerkt, dass der Bundestrainer Glück hatte, dass der Laternenpfahl schwarz war und nicht rot, sonst hätte es vermutlich noch mehr hämische Kommentare gegeben. Löw lehnte also lässig - allzu lässig, wie die Kritiker später sagten - an dieser Laterne und ein Fotograf drückte auf den Auslöser. Man sah: dunkelblaues Shirt, graue Shorts, weiße Sneaker, dazu Sonnenbrille. Ein Aufzug, der eher nicht nach harter Abwehrarbeit, sondern nach Urlaub aussah, allzu sehr nach Urlaub, wie die Kritiker später sagten (dieselben Kritiker übrigens, die fanden, dass das WM-Quartier in Watutinki nicht so relaxed war wie Campo Bahia in Brasilien). Früher schauten alle auf zu Löw, weil er modisch mutig war. Man denke nur an den quietschblauen Pullover bei der WM 2010. Oder an den Wet-Look im Regenspiel gegen die USA 2014. Jetzt ist sein Outfit ein Image-Nachteil. Löw pflegt bekanntlich ein gutes Verhältnis zu Angela Merkel, aber vielleicht hätte er mal bei ihrem Vorgänger Schröder anrufen sollen, wie das mit den Brioni-Anzügen noch mal war.

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Das kroatische Muster

France v Croatia - 2018 FIFA World Cup Russia Final

Quelle: Matthias Hangst/Getty Images

Das in der kroatischen Flagge enthaltene rot-weiße Schachbrettmuster ist optisch ein Hingucker, nicht nur auf Trikots, sondern auch, wenn man es mit Farbe auf Gesichter malt. Die Kroaten fallen bei der Fußball-WM also ohnehin schon auf. Aber diesmal setzten sie noch einen drauf, nicht nur spielerisch, sondern auch bei ihren Kopfbedeckungen. Viele Fans im Stadion trugen eine Wasserballmütze, rot-weiß-kariert, klar. Wenn es schlecht läuft, erinnert die ulkige Kopfbedeckung zwar an ein Riesenbaby im Kölner Karneval, aber dieses Risiko gehen die Kroaten gerne ein, denn die Wasserballmützen sind Glücksbringermützen: Die Kroaten sind derzeitiger Wasserball-Weltmeister, 2017 schlugen sie Ungarn im Finale 8:6. In Ungarn. Das muss man erst einmal schaffen. Die karierten Kappen umweht also eine Aura des Erfolgs. Vor zwei Jahren, bei der Europameisterschaft in Frankreich, trug der kroatische Spieler Vedran Ćorluka, der sich zuvor verletzt hatte, die Wasserballkappe als Kopfschutz mit Sondergenehmigung der Uefa. Die Kroaten spielten damals übrigens gegen die Tschechen - und dass Kappen als Glückbringer funktionieren können, hat schließlich schon deren unvergessener Torwart Petr Čech bewiesen.

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Die englische Weste

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Quelle: Antonio Calanni/AP

Die Welt, die Modewelt allemal, kann von Glück sagen, dass die Engländer die WM nicht gewonnen haben. Die Absätze beim Kaufhaus Marks & Spencer waren schon merklich nach oben gegangen. Man sah sie also vor sich. Horden von Männern, rund- und rotgesichtig, wie sie durch die Straßen ziehen und diese Weste tragen, auf der nackten Haut womöglich. Sie hätten "Football's Coming Home" gegrölt und ihre von Pints und Fish'n'Chips geformten Körper in dieses Kleidungsstück gepresst. Das gleiche Kleidungsstück, das zuvor Gareth Southgate trug, der Trainer der Engländer. Er tat es mit einer Anmut, einer Stilsicherheit, einer Classiness, die womöglich niemand sonst auf der Welt je erreichen wird. Die Weste, die, in Kombination mit Jackett und Anzughose getragen, sonst eher eine Nebenrolle spielt, sie war hier alleine auf die große Bühne geschoben schutzlos den Stilkritikern ausgesetzt. Doch diese Kritiker verstummten bald. Southgate, hierzulande vor allem deshalb bekannt, weil er bei der Fußball-EM 1996 den entscheidenden Elfmeter verschoss und den Deutschen so ins Finale half, hat bei diesem Turnier nicht nur als Trainer überzeugt, er hat auch modisch etwas Bleibendes geschaffen. Die Weste, auf Englisch übrigens "Waistcoat", hat jetzt einen festen Platz in der Mode.

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Der belgische Hut

WM 2018 - Frankreich - Belgien

Quelle: Frank Augstein/dpa

Belgien hat eine brüchige Identität. Zusammengewürfelt aus dem niederländisch sprechenden Flandern und der französisch sprechenden Wallonie, mit verworrenen politischen Strukturen. Vielleicht erklärt dieser Patchworkcharakter auch die Kopfbedeckung, die eine Belgierin, die offensichtlich ein WM-Komplettpaket gebucht hatte, bei sämtlichen belgischen Spielen trug. Ihr Hut hat es wegen seiner Merkwürdigkeit in sämtliche WM-Bildergalerien geschafft: Ein ufoähnlich geformtes Etwas, möglicherweise soll es einen Käselaib darstellen, bildet die Grundform. Sie ist mit einem schwarz-gelb-roten Band bedruckt und mit drei WM-Pokalen (etwas größenwahnsinnig vielleicht). Oben auf dem Käselaib steht eine Kuh, klar, Käse wird schließlich aus Milch gemacht. Aber warum zur Hölle wachsen aus dem Käse zwei Teufelshörner? Die assoziiert man hierzulande mit einem Traditionsverein aus der Pfalz, der gerade in die dritte Liga abgestiegen ist. Doch auch die belgische Nationalmannschaft wird im Volksmund "Die roten Teufel" genannt.

© SZ.de/eca
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