Bier:Bierflaschen: Die Verpackung wird zum Problem

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Wieder in Mode: Der Craft-Bier-Trend beschert auch der Bierflasche neue Aufmerksamkeit. SZ Grafik: Michael Mainka (Foto: SZ Grafik, Michael Mainka)

Brauereien verkaufen ihre Biere in immer aufwendiger gestalteten Flaschen. Das beeinflusst das Trinkerlebnis - und stellt das Mehrwegsystem vor enorme Schwierigkeiten.

Von Sophie Burfeind und und Sebastian Herrmann

Ein klassisches, naturtrübes Kellerbier. Bernsteinfarben, mild gehopft und süffig. Nur die Verpackung fügt sich nicht ins Weltbild des gemeinen Trinkers, der sein Bier aus braunen NRW-Flaschen oder einmal im Jahr aus Oktoberfest-Masskrügen zu sich nimmt. Dieses Bier haben die Brauer in eine Klarglasflasche abgefüllt, Modell "Steinie" oder "Stubbie". Statt eines Etiketts steht der Schriftzug "St. Erhard Original" in Silber-Metallic direkt auf dem Glas der 0,33-Liter-Flasche mit UV-Schutz.

"Wir wollten uns mit dem minimalistischen Design von der üblichen Humptata- und Hopfendolden-Vermarktung abheben", sagt Christian Klemenz, Geschäftsführer der Bamberger St. Erhard Brauerei. Ein Chichi-Bier für den durstigen Snob? "Nein, ich würde das als hochwertiges Wegbier bezeichnen", sagt Klemenz. Das Kellerbier aus Franken, prämiert mit einem German Design Award, ist ein gutes Beispiel für eine neue Mode.

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Ein Bier lässt sich in einer edlen Flasche leichter verkaufen

Spätestens seit der Craft-Bier-Trend wieder frischen Hopfen in Deutschlands leicht abgestandenes Brauerei-Wesen gebracht hat, entdecken Firmen die Gestaltung der Bierflasche als Marketinginstrument. Jüngstes Beispiel: Die Krombacher-Brauerei will künftig in Relief-Flaschen abfüllen. 600 Millionen Pullen will die Firma dafür erwerben. Auf den braunen, schlanken Flaschen befindet sich eine Art Wappen aus Glaswulsten. Das können die Finger künftig betasten, während man sich am Bier festklammert.

Mit Gestaltungselementen wie dem Relief versuchen die Brauer, die Wertigkeit ihres Bieres zu heben. Ein Bier lässt sich in einer edlen Flasche leichter verkaufen - nur stellt das gleichzeitig das Mehrwegsystem in Deutschland auf die Probe. Denn die Flaschenvielfalt wächst: Laut Schätzungen kursieren auf dem deutschen Markt mehr als 120 verschiedene Bierflaschentypen, braune, grüne, klare, dicke, dünne oder solche mit Relief. Für den Handel bedeutet das einen immensen Sortieraufwand. Und die Brauer selbst kriegen ihr Leergut nicht mehr zurück. So ergeben sich regelmäßig Engpässe, in den Sommermonaten klagten zahlreiche Brauer, dass sie kein geeignetes Leergut für ihre Abfüllanlagen bekommen konnten.

Besonders für kleine Brauereien ist es schwer, Bier in ausgefallenen Flaschen zu verkaufen. "Individuelle Flaschentypen anzubieten ist einfach zu teuer", sagt Christian Schuhbeck, Verkaufsleiter der Brauerei Camba Bavaria in Truchtlaching. Die Flaschen kosten mehr, und beim Leergut wird es schwer: Die Brauereien kriegen ihre Flaschen nicht zurück, wenn sie eine sehr seltene oder gar einzigartige Flaschenart befüllen. "Wenn ich so eine individuelle Flasche nach München verkaufe, ist sie weg", sagt der Hamburger Brauer und Biersommelier Oliver Wesseloh. Niemand fährt ein paar wenige Kisten Leergut ein paar Hundert Kilometer durch die Gegend. Das zwingt kleine Brauereien, auf verbreitete Flaschen zu setzen, die im Mehrwegsystem unter vielen Firmen zirkulieren.

Die Verpackung macht den Unterschied

Die meisten Craft-Brauer verkaufen ihr Bier daher in Longneck-Flaschen, die lassen sich Hamburg, München, Berlin oder sonstwo bei fast jedem Getränkemarkt zurückgeben und von dort wieder in den Leergut-Kreislauf einspeisen. Die Bamberger Brauerei St. Erhard konnte ihre höchst individuell gestalteten Design-Keller-Bierflaschen denn auch nur auf den Markt bringen, weil eine Rückkehr des Leerguts nicht eingeplant war: Das Produkt war für den Export bestimmt. "Wir haben das für den indischen Markt gebraut", sagt Geschäftsführer Klemenz. Klar, dass die Flaschen von dort nicht zurückkehren. Für den gesamten deutschen Markt ein Bier in einer solch speziellen Mehrweg-Verpackung zu vertreiben, stellt hingegen eine logistische Herausforderung dar.

Doch lohnt sich der Aufwand? Wie der Flaschentyp die Beliebtheit eines Bieres beeinflusst, lässt sich am Pils der Badischen Staatsbrauerei Rothaus beobachten. In den 0,5-Liter-NRW-Flaschen mutet das Bier seltsam an. Wer kauft denn so was? In 0,33-Liter-Flaschen mit dem putzigen Tannenzäpfle-Etikett wird es hingegen vom Schwarzwald aus nach ganz Deutschland verkauft. Beide Flaschentypen enthalten das gleiche Bier, doch das Erleben beim Trinken unterscheidet sich so stark wie ein Masskrug von einem Kölschglas.

Die Verpackung macht den Unterschied. Das zeigt sich auch am Beispiel der altmodischen Euro-Flasche, ein bauchiges Ding, das einst an Baustelle und Suff erinnerte. "Heute steht die Euro-Flasche für einen starken Regionalbezug, für handwerkliches Brauen", sagt Schuhbeck. Wer heute als traditionelle Brauerei gelten will, der nimmt die Euro-Flasche. Beim Erdinger Weißbräu etwa wird das Standard-Weißbier in NRW-Flaschen abgefüllt, die Sorte "Ur-Weiße" hingegen in die Euro-Flasche. Wer Tradition verkaufen will, muss die richtige Verpackung wählen.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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