Bier in Bayern:Wie Brauereien mit Tradition Werbung machen

Reinheitsgebot

Eine Mass Bier vor der Kulisse des oberbayerischen Klosters Andechs am Ammersee.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bayern ist Bierland, heißt es. Tatsächlich aber ist dieser Eindruck nur ein Ergebnis cleverer Marketingmaßnahmen.

Von Maximilian Gerl

Man stelle sich das einmal vor: Der Freistaat Bayern ohne Lederhosen, ohne Berge - und ohne Bier. Klappt nicht? Dann hat das Marketing tatsächlich ganze Arbeit geleistet.

Die Bayern lieben ihr Nationalgetränk. Bier ist für sie ein Grundnahrungsmittel und für manchen sogar eine Art schäumender Göttertrank. Das hat historische Gründe: Die bayerischen Brauer haben es über einen sehr langen Zeitraum geschafft, einen Bier-Stil zu schaffen und zu erhalten, der geschmacklich und qualitativ hervorsticht. Und sie hatten schon immer ein gutes Händchen für Werbung.

Die Geschichte des bayerischen Bieres ist gleichzeitig auch eine Geschichte der Bierwerbung. Einst war Bier der Trunk für arme Leute, denn wer etwas auf sich hielt, trank Wein. Der Aufstieg Bayerns zum Bierland begann erst im 18. und 19. Jahrhundert, als der Weinanbau schwächelte. Die Brauereien nutzten die Gunst der Stunde, um die Lücke zu füllen, die der Wein hinterlassen hatte. Oder wie man heute im besten Werbe-Sprech sagen würde: Sie positionierten sich als Marke neu.

Wie die zeitlose Werbemasche funktioniert, hat Andreas Kuhn in einem Vortrag an der Uni Regensburg beschrieben. Kuhn arbeitet am Haus der Bayerischen Geschichte, er ist einer der wenigen Menschen, die sich mit diesem Thema auch wissenschaftlich befasst haben. Die Brauer begriffen sich demnach von Anfang an als lokale Unternehmer - und taten das auch kund.

Noch heute heißen viele Brauereien wie ihr Gründer oder ihr Gründungsort, führen Wappen mit Brausymbolen oder schreiben ihren Namen in altdeutschen Schriftzeichen. Von den Flaschenetiketten grüßen Helden und andere Figuren der bayerischen Geschichte. Kuhn nennt diese "Nähe zur lokalen und regionalen Geschichte und Identität" eine Konstante, die bis in die Gegenwart reiche: "sicherlich nicht nur, aber besonders in Bayern".

Kuhn hat gleich mehrere Beispiele für seine These, das vielleicht eindrücklichste ist das vom Kochelbräu. Die Münchner Brauerei existierte von 1876 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Sie warb mit dem Schmied von Kochel, dem sagenumwobenen Anführer des Bauernaufstands, der 1705 in der Sendlinger Mordweihnacht gipfelte. Für Kochelbräu war das der ideale Werbeträger, sagt Kuhn.

Erstens habe sich die Brauerei in der Schmied-Kochel-Straße befunden, also in genau jener Straße, die der Sagengestalt der Mordweihnacht gewidmet ist. Zweitens lasse sich die Erzählung vom "bayerischen Kraftprotz" werbewirksam "mit dem bayerischen Nationalgetränk" verbinden. In einem einzigen Bild.

Bruck: Kaltenberger macht Bierwerbung mit John Cleese

Brauereien vermarkten ihre Biere gerne mit Hilfe von Stars: Kaltenberger wirbt mit Monty Python-Darsteller John Cleese.

(Foto: Johannes Simon)

Noch heute versuchen Brauereien im Freistaat, ihr Bier historisch und räumlich zu verankern. Brauchtum dient dabei als Gütesiegel. Das beginnt beim Hinweis auf der Flasche - "Gebraut nach bayerischem Reinheitsgebot" - und endet bei Fernsehspots, die Berge, Quellwasser und zufriedene Biergartenbesucher zeigen. Was nach plumper Werbemasche klingt, funktioniert halt.

Der Traditionstrick gelingt so gut, dass der Kunde oft nicht einmal hinterfragt, ob sein Lieblingsbier wirklich noch bayerisch ist. Tatsächlich beherrschen global agierende Konzerne den Markt. So gehören dem belgischen Weltmarktführer Anheuser-Busch InBev die Münchner Marken Franziskaner, Löwenbräu und Spaten. Der größte deutsche Bierkonzern Radeberger aus Frankfurt hat sich Tucher in Nürnberg und das Allgäuer Brauhaus gesichert.

Modernes Biermarketing konzentriert sich nicht mehr allein auf Tradition. Die Brauereien haben neue Felder erschlossen, allen voran den Sport. Sie sponsern Vereine, zahlen für die Bandenwerbung im Stadion und Werbeplätze während Sportübertragungen. Besonders im Fußball waren die Brauereien erfolgreich. Sie haben es geschafft, dass für viele Menschen der Fußball und das Bier inzwischen ähnlich eng zusammengehören wie Bayern und das Bier.

Der Biermarkt schrumpft, der Wettbewerb wird härter

Kulmbacher etwa unterstützt den 1. FC Nürnberg, Herrnbräu den FC Ingolstadt, Riegele den FC Augsburg. Paulaner spendiert für jedes Bundesliga-Tor des FC Bayern München 100 Liter Freibier. Für gewöhnlich treffen die Roten in fast jeder Partie mindestens einmal, für ihre Fans braut sich am Saisonende also ganz schön was zusammen.

Die Werbung weist meist nur im Kleingedruckten darauf hin, dass Bier gar nicht so sportlich ist. Natürlich sind im Gerstensaft Nährstoffe und Vitamine enthalten, natürlich könnte er gesund sein - wäre eben kein Alkohol drin. Alkohol ist Gift für den Körper. Alkohol ist eine Droge, die schwerst abhängig machen kann. Und weil viele Menschen die Wirkung des Alkohols gern unterschätzen, wird er auch anderen zur Gefahr: Allein 2015 zählte die Polizei 4580 Unfälle durch Alkoholeinfluss auf Bayerns Straßen.

Bierwerbung Bierserie

Wenn die Ikone dem Bier dem Namen gibt, kann sie auch gleich der Werbung dienen. Werbeschmilder mit Schmied von Kochel und St. Benno (re.).

(Foto: privat)

Früher durften Brauereien damit werben, dass ihr Bier schön und gesund mache. Inzwischen hat der Gesetzgeber dem einem Riegel vorgeschoben, alkoholhaltige Produkte dürfen nicht mehr mit positiven Eigenschaften beworben werden.

Die Regelung gilt allerdings nicht für alkoholfreie Biere - was manche Brauereien gezielt nutzen, um diese als isotonische Sportgetränke zu verkaufen. Die meisten Biertrinker indes dürften bei der Werbung zwischen alkoholhaltigem und alkoholfreiem Bier wenig Unterschied machen.

Letztlich ergeht es den Brauereien wie so vielen Unternehmen in so vielen Branchen: Sie müssen werben. Der Biermarkt schrumpft, der Wettbewerb wird härter. Zudem drängen Craft-Biere auf den Markt. Das sind in der Regel Spezialbiere von kleinen und unkonventionellen Brauereien, die explizit Biergenießer ansprechen wollen. Wer sich auf dem Markt halten will, muss sich also etwas überlegen. Und die Leute auf sich aufmerksam machen.

Zu den wenigen Brauereien, die sich dem Werbedruck widersetzen, gehört der Augustiner Bräu in München. Er hängt keine Plakate auf, schaltet weder Radio- noch Fernsehspots. Auch Brauereibesichtigungen gibt es nicht. Wer unbedingt daheim aus einem Glas mit Augustiner-Aufdruck trinken will, muss es sich persönlich im Brauereiverkauf abholen.

Trotzdem genießt das Augustiner-Helle bei vielen Münchnern Kultstatus und wird selbst in Berlin in jedem halbwegs sortierten Kiosk angeboten. Die Vermarktung der Nicht-Vermarktung: auch das ist eine Methode, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

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