Zweitligist RB Leipzig:Kein Konjunktiv - selbst beim Thema Meisterschaft

RB Leipzig - FC Saarbrücken

In der Red-Bull-Arena in Leipzig könnte bald sogar Erstliga-Fußball stattfinden.

(Foto: dpa)

Retortenverein, seelenlos, Spielzeug des Dosenkavaliers: Konkurrenz und Fans beobachten RB Leipzig mit Argwohn. Dort läuft vor dem Saisonstart der 2. Liga fast schon zu viel nach Plan. Die Deutsche Meisterschaft hält man im Klub nur für eine Frage der Zeit.

Von Cornelius Pollmer

Eine Weile schien es so, als könnte der Hass auf RB Leipzig in seinem Wachstum Schritt halten mit dem sportlichen Erfolg des Vereins, der letzte Beleg für diesen scheinbar mathematischen Zusammenhang datiert vom 3. Mai dieses Jahres. Leipzig hatte mit einem 5:1 gegen Saarbrücken gerade Planungssicherheit für die nächste Saison geschaffen - Aufstieg in die zweite Liga, ein neuer Höhepunkt.

Während des Spiels war die rhythmische Sportgymnastik in "Sektor B" des Stadions auch von Mocke angeleitet worden, dem RB-Trommler. Den heftigsten Schlag aber kassierte Mocke später selbst, auf dem Heimweg von der Aufstiegsfeier. Er ging blutend zu Boden, inzwischen hat er angekündigt, aus nachvollziehbarer Angst künftig nicht mehr ins Stadion zu gehen. Ein neuer Tiefpunkt.

Fehlende Tradition? Wird in 400 Jahren kein Argument mehr sein

Neben diesem sehr konkreten Hass vernehmen sie in Leipzig praktisch seit der Gründung des Vereins vor fünf Jahren einen grundsätzlichen Argwohn. Die Kurzversion der Kritik: Retortenverein, seelenlos, ein Spielzeug des Dosenkavaliers und Zu-viel-Geldgebers Dietrich Mateschitz.

Die öffentliche Wahrnehmung ist gerade im Fußball ein schwer zu bestellendes Feld, doch kann Leipzig hier beachtliche Fortschritte vermelden. Dies dürfte nur bedingt an jener neuen Narration liegen, auf die sich Mateschitz und Sportdirektor Ralf Rangnick geeinigt zu haben scheinen. Auf die Traditionslosigkeit des Vereins angesprochen, geben beide nun gerne eine Anleihe auf die Zukunft von RB aus: In 400 Jahren werde der Unterschied in Sachen Tradition zwischen dem FC Bayern und RB Leipzig nur noch darin bestehen, dass es den einen Verein gut 500 Jahre gibt und den anderen gut 400 Jahre.

Der mathematische Zusammenhang liegt hier noch deutlicher auf der Hand, und tatsächlich dürfte sich in 400 Jahren die erste Aufregung um das Großvorhaben RB gelegt haben. Schon jetzt mischt sich die prinzipielle Kritik am Modell mit Anerkennung für die in Leipzig geleistete Arbeit, zuletzt bei Mainz-Manager Christian Heidel. Mehr Lob wird für RB in naher Zukunft kaum drin sein, eher dürfte sich diese Dialektik durchsetzen: Ihr macht eure Sache zwar gut, unfair bleibt das alles trotzdem.

Der Gewöhnung Vorschub leistete in diesem Sommer auch der DFB, als er zunächst eine Art Schaukampf mit RB um Logo und Strukturen der Vereins ankündigte und sich dann doch mit kosmetischen Korrekturen zufrieden gab. Mateschitz kokettierte vor der Einigung mit der Drohung, sein Geld und sein Engagement aus Leipzig abzuziehen, nach der Einigung wiederum kokettierte er in einem Interview damit, sich nicht so recht an die Einzelheiten dieser Einigung erinnern zu können.

Treueabzeichen für Auswärtsreisen

Der Lizenzierungs-Kleinkrieg mag ein unliebsamer Stolperstein gewesen sein, aber man hat ihn ausgelassen, und die Zielmarken sind in Leipzig ohnehin ganz andere. Auf die Frage, ob man den direkten Weiteraufstieg anstrebe, sagte Mateschitz: "Sportlich gesehen wäre es sicher kein Nachteil, wenn wir möglichst rasch in die erste Liga kommen." Selbst beim Thema Meisterschaft hat er gerade keinen Konjunktiv zur Hand: "Ein paar Jahre vergehen ja schnell, aber irgendwann wird es so sein." Wenn es einmal so weit sein sollte, dann könnte es im übrigen auch lauteren Jubel in Salzburg geben, in Liefering oder im Centro de Formação de Atletas in Brasilien.

Die Weltauswahl von Red Bull unterhält mehrere Basislager, und im Lexikon des Sports müssen unter V demnächst wohl beim Wort "Vereinszugehörigkeit" ein paar ergänzende Angaben gemacht werden. Als jüngster Sündenfall von Red Bull gilt die Verpflichtung der belgischen Offensivkraft Massimo Bruno. Für einen erfolgsabhängigen, vermutlich höheren einstelligen Millionenbetrag wurde dieser von RB Leipzig gekauft und sogleich auf dem kurzen Dienstweg nach Salzburg weiterverliehen. Marvin Compper hingegen dürfte auch physisch nach Leipzig wechseln, es gilt als ausgemacht, dass er vom AC Florenz nach Leipzig kommt.

Ralf Rangnick kennt Compper aus seiner Zeit bei Hoffenheim und von dort kennt er noch vieles mehr, das sich in ähnlicher Weise nun wiederholt. Neben der langsamen Gewöhnung der Öffentlichkeit an den Verein ist dies vor allem die Verankerung in der Region. Ablesen lässt sich dies zum einen am Publikumszuspruch, der sich in Leipzig wie im Businessplanbilderbuch entwickelt. Gab es vor einem Jahr noch acht Fanklubs, so sind es jetzt 16 mit in Summe 1900 Fanklub-Mitgliedern.

Rangnick hat angekündigt, dass es schon in dieser am Samstag mit einem Heimspiel gegen Aalen beginnenden Saison kaum einen anderen Zweitligaverein geben werde, bei dem mehr Fans zu Auswärtsspielen reisen. RB Leipzig honoriert auch dieses Engagement, mit Treueabzeichen in Gold, Silber und Bronze, je nach Kilometerleistung.

Zum anderen lässt sich die Verankerung in der Jugend ablesen. Andere Vereine der Region klagen, RB habe sich zu einer Art Kaufhaus des Ostens entwickelt - Leipzig wiederum kann auf die Erfolge der Jugendmannschaften verweisen. Die U11 etwa hat neulich den Stadtpokal gewonnen, als Preis gab es eine Bootsfahrt, und zwar "mit Spielerfrauen".

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