Zweite Liga:"Viel Spaß in der ersten Liga"

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Nürnbergs Team feiert den Sieg in Kiel. (Foto: dpa)
  • Der 1. FC Nürnberg steht nach dem 3:1-Sieg gegen den direkten Rivalen Holstein Kiel vor der Rückkehr in die Bundesliga.
  • Der Club und Fortuna Düsseldorf sind nur noch theoretisch von den Aufstiegsrängen zu verdrängen.
  • Es wäre der achte Aufstieg der Nürnberger - das wäre Rekord im deutschen Fußball.

Von Jörg Marwedel, Kiel

"Viel Spaß in der ersten Liga", rief Kiels Trainer Markus Anfang seinem Kollegen Michael Köllner hinterher. Es fehlt nach dem verdienten 3:1 des 1. FC Nürnberg im Duell um Platz zwei an der Ostsee womöglich nur noch ein Sieg am Montag daheim gegen Eintracht Braunschweig, um eine besondere Wegmarke zu erreichen: Der einstige Rekordmeister (wurde 1987 vom FC Bayern abgelöst) wäre dann der alleinige Rekordaufsteiger in die erste Fußball-Bundesliga. Es wäre der achte Fahrstuhl nach oben für den Club. Und auch, wenn die Franken die Glückwünsche noch ablehnten, war für Köllner klar: "Uns interessiert nicht, was auf den Plätzen drei und vier ist." Also dort, wo sich jetzt Holstein Kiel mit fünf und Jahn Regensburg mit sieben Zählern Rückstand auf die Nürnberger um den Relegationsplatz rangeln. Drei Spieltage sind es noch, bis jener Zweitligist feststeht, der den Erstliga-Drittletzten in den Schicksalsspielen fordern darf.

Es war bemerkenswert, mit welcher Überzeugung die Nürnberger im mit 11 874 Zuschauern rappelvollen Holstein-Stadion auftraten. Vor jener typischen Zweitliga-Kulisse, die ab Mai mit dem Bau der ersten neuen Kieler Tribüne langsam auf Profi-Standard gebracht werden soll. Das voraussichtliche Abschiedsspiel der Nürnberger dort verlief auch deshalb so beeindruckend, weil "das Herz der Abwehr" (Köllner) fehlte: Gemeint waren Tim Leipold (gesperrt) sowie die verletzten Ewerton und Torwart Fabian Bredlow. In Kiel gewann Lukas Mühl, 21, in ungewohnter Innenverteidiger-Position manch wichtigen Zweikampf, und Torwart Thorsten Kirschbaum, 31, strahlte mehr Ruhe aus als in früheren Nummer-eins-Zeiten. Dazu musste im Mittelfeld nach 24 Minuten der lädierte Patrick Erras (Innenbandverletzung) gegen Ondrej Petrak ausgetauscht werden.

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Diese Ausfälle konnten kompensiert werden. Das zeigt nicht nur, dass der Club unter dem einstigen Nachwuchscoach Köllner über ein scheinbar endloses Talente-Reservoir verfügt. Schließlich wurden in den vergangenen zwei Jahren - meist aus finanziellen Gründen - schon Begabungen wie Cedric Teuchert (Schalke) oder Patrick Kammerbauer (Freiburg) sowie die Torjäger Guido Burgstaller (Schalke) und Niclas Füllkrug (Hannover) abgegeben. Der Kieler Auftritt bewies auch, dass der Club einige Qualitäten hat, über die andere Zweitligisten nicht verfügen. Zum Beispiel über Haltung in schwierigen Situationen. "Immer, wenn viel von uns verlangt wird, klappt es", sagt Köllner über seine Profis. Gerade so, als hätten diese Franken auch schon ein kleines FC-Bayern-Gen.

Zudem hatte nicht nur der Ur-Nürnberger Enrico Valentini (spielte schon mit fünf Jahren für den Club) schon vor der Anreise ein gutes Gefühl: Schon im Training, berichtete Valentini, habe man "gute Standards geschossen". Gerade er selbst, denn der Mann, der allein auf dem Weg zu den von ihm ausgeführten Eckbällen, Freistößen und Einwürfen geschätzte zwei Kilometer zurücklegt, bereitete das 1:0 (9.) und das 2:1 (25.) vor. Erst schlenzte er einen Freistoß auf den vorgerückten Abwehrspieler Georg Margreitter (9.); dann wiederholte er das Kunststück (25.), nur war beim zweite Mal Hanno Behrens der Partner. Das schnelle Kieler 1:1 (12.) - Kingsley Schindler verwandelt einen Elfmeter nach Foul von Margreitter an Dominick Drexler - brachte Nürnberg nicht aus dem Konzept. Als wiederum Kapitän Behrens einen Blackout der Holstein-Defensive zum 3:1 ( 51.) nutzte, war die Spannung aus dem vermeintlichen Thriller bereits verflogen.

Spiellenker Behrens, der in Elmshorn geborene Schleswig-Holsteiner, dessen Freunde und Eltern im Stadion waren, hat wesentlich zu "diesem besonderen Abend" beigetragen. Sonst eher zurückhaltend, stand er nach Abpfiff mit Megafon als Einpeitscher vor der mit 2000 Club-Fans bevölkerten Kurve. Zu feiern gab es viel, auch seine Saisontreffer zwölf und dreizehn.

Die Kieler bleiben trotz der Niederlage dem Erstliga-Einzug weiter nahe wie seit 1965 nicht mehr. Damals hatte der Klub in der Bundesliga-Aufstiegsrunde nur zwei Punkte weniger als Borussia Mönchengladbach. Am Montag erwiesen alle den Nürnbergern Ehre, Kapitän Rafael Czichos sagte, man habe "den kleinen Unterschied" gesehen zwischen einem Team, das vergangene Saison noch Drittligist war, und "einer Mannschaft, die aufsteigen muss". Trainer Markus Anfang, der bald zum 1. FC Köln und damit zurück in seine Heimatstadt wechselt, stellte fest: "Wir haben schon besseren Fußball gespielt." Man sei gegen eine Mauer gerannt und habe es im Rückstand mit langen Bällen versucht. Das ist normalerweise nicht Anfangs Spielstil.

Dennoch war Nürnbergs Sportvorstand Andreas Bornemann beeindruckt, was "in der Handballstadt Kiel" im Fußball passiert ist, seit er 2014 nach vier Jahren als Holstein-Sportdirektor weiterzog. Bornemann hat dort einiges in die Wege geleitet. Mit Kiels Geschäftsführer Wolfgang Schwenke stand er noch lange zusammen und lobte, wie sich Kiel zur Sportstadt entwickelt habe - obwohl bei einem Verpassen des Aufstiegs sicher einige Profis weiterziehen. Erfreut zeigte Bornemann sich aber auch von der Kreativität der Club-Fans: "Die Legende muss zurück in Liga eins", war auf einem Plakat zu lesen.

© SZ vom 25.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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