Fußball in England:Unerwiderte Liebe in Leicester

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Spielt jetzt in Leicester: Ron-Robert Zieler. (Foto: REUTERS)

Ron-Robert Zieler hat einen gewagten Wechsel nach England vollzogen. Der Torwart spielt häufig - doch die Fans bleiben skeptisch.

Von Sebastian Fischer

Ron-Robert Zieler hatte im Sommer einen Traum: Er wollte seinen Traum von England noch einmal leben. Zieler, 27, hat das professionelle Torwartsein ja einst als Jugendlicher bei Manchester United gelernt, er hat das Leben auf der Insel geliebt, er teilte eine Kabine mit Cristiano Ronaldo, er war ganz nah dran am großen Fußball. Doch um seine Karriere voranzutreiben, kehrte er als 21-Jähriger zurück. Zieler wurde bei Hannover 96 zum Nationalspieler. Als sein Klub allerdings im Sommer in die zweite Liga abstieg, hatte er genug von den Niederungen des Sports, er wechselte zum englischen Meister Leicester City.

Beobachter haben sich damals über Zielers Entscheidung gewundert. In Kasper Schmeichel hatte der Überraschungsmeister bereits einen etablierten Stammkeeper, Zieler drohte die Ersatzbank. Ein halbes Jahr später aber ist vieles so, wie er sich es im Sommer erträumte. In der vergangenen Woche stand er zum ersten Mal in der Champions-League im Tor; er spielt, weil Schmeichel verletzt ist, auch in der Liga regelmäßig. Zieler wohnt mit seiner Freundin in einem kleinen Vorort der Stadt und fühlt sich wohl im britischen Novemberregen.

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Keine Fehler, aber auch keine großen Paraden

Alles bestens also? Nun ja. Zieler, der nach England ging, um nach Jahren des Abstiegskampfs in Deutschland den großen Fußball kennenzulernen, nähert sich gerade wieder den fußballerischen Niederungen. Und er hat es in Leicester gerade nicht so leicht.

Am Samstag empfingen die "Foxes" den Aufsteiger Middlesbrough und gewannen mal wieder nicht, zum zehnten Mal in dieser Spielzeit. Nur dank zweier Elfmetertore, das zweite in der vierten Minute der Nachspielzeit, rettete Leicester ein 2:2, der Vorsprung auf die Abstiegsränge beträgt bloß zwei Zähler. Zieler traf bei den Toren zwar keine Schuld, sondern seine unbeholfen verteidigende Abwehr, die Middlesbroughs Spanier Negredo zweimal frei zum Schuss kommen ließ. Auszeichnen konnte er sich jedoch auch nicht. Entsprechend enttäuscht klang er am Samstagabend, die Essenz eines kurzen Gesprächs: "Wir müssen sehen, dass wir in der Liga die Kurve kriegen."

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In Hannover wurde Zieler auch nach Niederlagen oft gelobt, er war der Turm in der Schlacht, verhinderte regelmäßig Schlimmeres, glänzte mit Paraden und herausragenden Statistiken, übernahm Verantwortung, war einer der wenigen Lieblinge der Fans. In der Premier League hat Zieler in sechs Spielen nun elf Gegentore zugelassen, positiv aufgefallen ist er kaum. Die Fans? Sind eher skeptisch, jedenfalls wenn man jenen glaubt, die ihre Meinung auf Twitter kundtun.

Wer ein Heimspiel in Leicester verfolgt, der kommt auf den ersten Blick nicht auf die Idee, an eine sportliche Krise zu denken. Die Menschen sind immer noch von der Euphorie der Vorsaison erfasst, jede Begegnung in der Champions League ist ein Festtag. Dort zeigt die Mannschaft, die aus der Meisterelf nur den Mittelfeldspieler N'Golo Kante an den FC Chelsea verloren hat, regelmäßig starke Leistungen, ist bereits für das Achtelfinale qualifiziert. Gegen Middlesbrough feierten die Anhänger den Punktgewinn - obwohl er sportlich eine Enttäuschung war.

Okazakis Fallrückzieher - an die Latte

Leicester hat das Problem, dass sich die Gegner in England auf die Taktik von Trainer Claudio Ranieri eingestellt haben. Die Mannschaft, deren Stärken das konsequente Verteidigen und Konter über den schnellen Stürmer Jamie Vardy waren, hat jetzt öfter den Ball. Und sobald der Ball die Füße des famosen Spielmachers Riyad Mahrez verlässt, weiß niemand so recht etwas damit anzufangen. Auch gegen Middlesbrough blitzte die Klasse des Teams nur selten auf, etwa als Mahrez einmal trickste und flankte und der frühere Bundesliga-Stürmer Shinji Okazaki mit einem Fallrückzieher nur die Latte traf. Spektakulär sah es aus, die Fans trösten solche Aktionen über ein schwaches Spiel hinweg, sie glorifizieren die Meisterhelden ja ohnehin. Zieler ist keiner der alten Helden, er ist der Neue.

"Zieler verdient sich das Vertrauen", hat Ranieri über seinen Torhüter gesagt, nachdem sich Schmeichel die Hand brach. Doch das Vertrauen gewinnen Torleute in England anders als in Deutschland: Zieler soll den Ball lang schlagen, anstatt das Spiel aufzubauen; er muss sich mit Paraden auszeichnen, doch bekommt aufgrund Leicesters Spielweise meist wenige Schüsse aufs Tor. Zuletzt waren sie unhaltbar.

"Unsere Fans sind fantastisch", sagt Zieler, "man merkt, dass sie noch dankbar sind für die vergangene Saison." Er bräuchte zu seinem Glück bloß bald ein paar Gründe, damit sie demnächst auch ihm danken können.

© SZ vom 27.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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