Zehn Zylinder der Formel 1:Weight-Watchers-Mahlzeit für Vettel

Tagessieger Kimi Räikkönen nuckelt einsam an der Champagner-Pulle - darf aber auf den neuen Papst hoffen und die superweichen Reifen von Sebastian Vettel fressen sich selbst auf. Das Formel-1-Wochenende in der Kolumne Zehn Zylinder.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Zehn Zylinder der Formel 1

Kimi Räikkonen

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(Foto: dpa)

Tagessieger Kimi Räikkönen nuckelt einsam an der Champagner-Pulle - darf aber auf den neuen Papst hoffen. Die superweichen Reifen von Sebastian Vettel fressen sich selbst auf, Mercedes hat noch ganz andere Sorgen. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes in der Kolumne Zehn Zylinder. Von Elmar Brümmer, Melbourne Kimi Räikkonen: Wenn er schon was sagt, ohne nur mit seinem rechten Fuß seiner Meinung gehörig Ausdruck zu verleihen, dann findet das größere Beachtung als die mundgerechten Endlos-Reden seiner Kollegen. Der erste Sieger der Saison, wie gehabt unheimlich schnell und leise an die Spitze beim Großen Preis von Australien geschossen, spricht nach dem Aufreger im Albert Park davon, dass es sich um einen seiner leichtesten Siege gehandelt hat. Es ist der zwanzigste seiner Karriere, der zweite seit seinem Comeback vor einem Jahr. Der Renner an den Verkaufsständen rund um die Strecke war Räikkönen schon vor dem Start. Dort gab es den Funkspruch an die Box von seinem ersten Sieg mit Lotus in Abu Dhabi als T-Shirt-Aufdruck: "Lasst mich in Ruhe, ich weiß schon, was ich tue." Hat er mit dem Reifenschongang in Melbourne bewiesen.

Zehn Zylinder der Formel 1

Fernando Alonso

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(Foto: dpa)

Fernando Alonso: Die Nummer zwei der Formel 1 hat ein neues Lieblingsspielzeug, besser noch als das lebensechte Lego-Modell, mit dem der Spanier vor dem Saisonstart posierte. Doch schon da wusste er: "Mein neues Auto ist 200 mal besser als das im Vorjahr." Nachsatz: "Was ja auch nicht schwierig ist, denn schlechter ging es kaum." Dafür ist der Ego-Champion noch ein bisschen offensiver geworden, auch in der Fahrweise. Nachdem er beim verbalen Schlagabtausch in Melbourne kaum etwas anderes über seinen ewigen Widersacher Sebastian Vettel herausbekam, als "Er ist ein normaler Mensch", kam sich die beiden ausgerechnet auf dem Siegerpodium von Melbourne näher. Während Räikkönen alleine an seiner Champagnerpulle nuckelte, stießen die Rivalen der Rennbahn miteinander an: Auf eine berauschende Saison.

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Mark Webber

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Mark Webber: Die letzten Schrauben vom Radunfall 2009, der ihn die Nummer eins bei Red Bull kosteten, sind jetzt raus aus seinen Beinen. Mark Webber kann seine vielleicht letzte Saison in der Formel 1 - mit 36 ist er der Alterspräsident - prinzipiell unbeschwert angehen. Aber das kann er doch irgendwie nicht. "Aussiegrit", wie er sich auf Twitter nennt, ist das Pseudonym für ewiges Jammern eines erstklassigen Fahrers, der trotzdem meist zweiter Mann bleibt. Nach seinem Heimspiel ist noch fraglicher, ob er je wieder lachen kann im Fahrerlager: Aus der ersten Startreihe gestartet, dann Opfer der Red-Bull-Elektronik, fuhr er am Ende schnellere Zeiten als Kollege Sebastian Vettel. Doch im Protokoll steht dann wieder nur Platz sechs, und Webber nimmt es als persönliche Beleidigung.

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Lewis Hamilton

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Lewis & Roscoe Hamilton: Nein, das Geld habe ihn nicht zu Mercedes gelockt, behauptet er. Bei McLaren hätte er noch mehr als die kolportierten 25 Millionen Euro im Jahr verdienen können. Aber die Herausforderung beim britisch-schwäbischen Rennstall war größer. Obwohl das in Stuttgart stereotype Sparen nicht so sein Ding zu sein scheint. Erst ein langstreckentauglicher Jet, um schneller bei Freundin Nicole Scherzinger in Los Angeles sein zu können. Und dann noch eine Mini-Bulldogge für die Zeit, wo Jet und Girl nicht da sind. Roscoe darf mit ins Fahrerlager, und hat nicht nur rote Basskopfhörer zum Lärmschutz auf, sondern auch einen offiziellen Fahrerlagerpass um. Von Bernie Ecclestone persönlich, obwohl dem einst die Nasenspitze abgebissen wurde. Aber das war ein deutscher Schäferhund.

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Toto Wolff

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(Foto: Getty Images)

Toto Wolff: Aus der Hoffnungslosigkeit ist Schonungslosigkeit geworden. Der neue Mercedes-Sportchef hat nach dem ersten Rennen erst gar nicht versucht, die Pannen schön zu reden, gleichwohl das Silberpfeil-Team weit besser aufgetreten ist als erwartet. Der Batterieausfall bei Nico Rosberg sei "nicht akzeptabel", und die Taktikschwäche bei Lewis Hamilton hakt er unter "Lektion gelernt" ab. Als es im Albert Park längst dunkel war, versammelte sich die Mercedes-Mannschaft zu einer Art Beschwörung des Teamgeistes. Wolff, der eine Art Investor mit disziplinarischer Hoheit ist, wird die Truppe in den nächsten Wochen noch weiter personell verändern. Die jüngste Generalüberholung des Rennwagens hat offenbar ja schon gewirkt: Platz fünf ist eine Region, an die sich Mercedes erst wieder gewöhnen muss.

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Niki Lauda

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(Foto: dpa)

Niki Lauda: Ein wunderbares Wort: Nicht-operativ. Aber so richtig passen mag das eigentlich nicht zum dreifachen Weltmeister aus Österreich. Corporate-Speaking und politische Korrektheit sind nicht sein Ding, aber seit dieser Saison ist er Aufsichtsratschef beim Team Mercedes-AMG und RTL-Grantler in Personalunion. An Wochenenden nicht-operativ. Beckenbauergleich wandelt er zwischen Hintergrund und Rampenlicht. Und in dritter Funktion ist er Repräsentant des arabischen Finanzhauses Aarbar, seinem persönlichen Kappen-Sponsor. Das ist genau jene Firma, die gerade ihre Teamanteile an Mercedes zurückgegeben hat. Von der Konzernzentrale wurden diese zu einem Teil an Lauda weitergereicht, um den Aufseher mit in der Verantwortung zu haben. Die Formel 1 ist eben ein Kreisverkehr.

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Sebastian Vettel

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(Foto: dpa)

Sebastian Vettel: Im Steakhouse Vlados, einem In-Fleisch-Schuppen von Melbourne hat der Red-Bull-Rennwagen mit der Konstruktionsnummer neun seinen Spitznamen bekommen: Hungry Heidi. Wenn der Appetit auch auf der Rennstrecke beim Essen kommen sollte, dann ist er nach der ersten Runde im Albert Park größer geworden. Da führte Vettel, der schon einsam auf die Pole-Position gefahren war, bereits mit zwei Sekunden. Dann fraßen sich die superweichen Reifen selbst auf, und am Ende blieb ein dritter Rang, der für einen Dreifach-Champion einer Weight-Watchers-Mahlzeit gleichkommt. Vettel war so sehr damit beschäftigt, seine Pneus auf Diät zu halten, dass er gar nicht mitbekam, dass sein Badminton-Kumpel Räikkönen an ihm vorbei gezogen war. Das sah er dann auf den riesigen Videotafeln. Zumindest die Neugier war damit gestillt.

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Nico Hülkenberg

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(Foto: Getty Images)

Nico Hülkenberg: Startplatz elf war für den Geheimfavoriten reserviert, doch der erschien nicht zum Dienst. Nico Hülkenberg steht zum dritten Mal beim Großen Preis von Australien mit leeren Händen da. Diesmal erfuhr das Pech aber noch eine gewisse Steigerung. Der Rennfahrer vom Niederrhein konnte keine einzige Runde drehen, denn sein Sauber-Dienstwagen hatte beim Probestart in der Box Benzin gespuckt. Und keiner konnte herausfinden, wo sich das Leck befand. Das Auto wäre zur rollenden Zeitbombe geworden. Sicherheit und Vernunft verhinderten den Karriere-Neustart. Hülkenberg freut sich, dass er schon am Wochenende in Malaysia eine neue Chance bekommt, die Logistiker nicht: Sie müssen in Windeseile ein Ersatzchassis nach Kuala Lumpur bringen. Eines, das dicht hält.

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Adrian Sutil

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(Foto: dpa)

Adrian Sutil: Der Tag, an dem der Gräfelfinger nach einem Jahr Zwangspause zurück in die Formel 1 kam, begann mit einer Ermahnung der Rennkommissare: Zu langsames Fahren auf dem Weg zu Boxengasse. Dass er - immer noch - anders kann, zeigte der 30-Jährige in seinem Last-Minute-Cockpit bei Force India dann ziemlich schnell im Rennen: In Runde 14 führte er zum ersten Mal einen Grand Prix an, es war sein Formel-1-Einsatz Nummer 91. Am Ende fiel die Chance auf einen Top-Platz auch bei ihm den Reifen zum Opfer, er wurde Siebter. Aber als moralischer Champion fühlt er sich trotzdem: "Ich fühl mich gut, ich bin frisch, das war einfach ein fanstatischer Start." Selbstbewusstsein war noch nie sein Problem, aber jetzt soll sich auch die Zurückhaltung bewähren: "Du musst deine Emotionen unter Kontrolle haben. Emotionen sind nicht hilfreich, wenn du im Rennen erfolgreich sein willst."

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Papst Franziskus

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(Foto: dpa)

Papst Franziskus: Kaum ein Sport, der so statistikhörig ist wie die Formel 1. Das muss mit dem Glauben der Fahrer und Fans zu tun haben, dass sich alles berechnen und damit begründen lässt, sogar das Risiko. Das Branchen-Portal Speedweek hat eine neue Qualität in den Zahlensalat gebracht, und die Rubrik "Der neue Pontifex und der darauf folgende Weltmeister" eröffnet. Dabei fiel den Rechercheuren auf, dass vier der fünf Grand-Prix-Sieger post-Papstwahl den Titel geholt haben. Für alle, die statistikgläubig sind: das waren Jack Brabham 1959, Jim Clark 1963, Mario Andretti 1978 und Fernando Alonso 2005. Nur Jacques Laffite, der nach der Kür von Johannes Paul II. in Argentinien gewonnen hatte, blieb titellos. Melbourne-Sieger Kimi Räikkönen glaubt hauptsächlich an sich selbst.

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