Zehn Zylinder der Formel 1:Lamento eines Seriensiegers

Selten war ein Gewinner so schlecht drauf wie Lewis Hamilton. Sebastian Vettel nimmt dagegen tatsächlich wieder das Wort "Spaß" in den Mund. Und Crash-König Pastor Maldonado sorgt für Spannung. Die Zehn Zylinder vom Rennen in Barcelona.

Von René Hofmann, Barcelona

Zehn Zylinder der Formel 1

Lewis Hamilton

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(Foto: Getty Images)

Selten war ein Gewinner so schlecht drauf wie Lewis Hamilton. Sebastian Vettel nimmt dagegen tatsächlich wieder das Wort "Spaß" in den Mund. Und Crash-König Pastor Maldonado sorgt für Spannung. Die Zehn Zylinder vom Rennen in Barcelona. Lewis Hamilton: Vier Siege in Serie. WM-Führung übernommen. Zum ersten Mal in Barcelona triumphiert. Zu sagen, es läuft im Moment für Lewis Hamilton, wäre schon eine arge Untertreibung. Für den 29 Jahre alten Briten läuft es grandios. Selbst von seiner Beziehung zu "Pussycat Dolls"-Sängerin Nicole Scherzinger gibt es angeblich nur das Beste zu berichten. Aber anzusehen ist Hamilton der Höhenflug nicht. Nach dem Sieg zog er ein Gesicht, als sei er gerade mit weit überhöhter Geschwindigkeit in eine Radarfalle gerast - angeblich, weil sein Mercedes-Rivale Nico Rosberg das ganze Wochenende über das bessere Auto gehabt hatte. Auch Hamiltons Funksprüche glichen einem fortwährenden Lamento: Schlechte Reifen! Schlechtes Fahrverhalten! Mal wurden ihm zu wenige Informationen ins Cockpit gefunkt, mal zu viel. Selten hat ein Titelfavorit mehr schlechte Laune verbreitet.

Zehn Zylinder der Formel 1

Nico Rosberg

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(Foto: Albert Gea/Reuters)

Nico Rosberg. Vor dem Saisonstart Mitte März in Melbourne hat Nico Rosberg erklärt: Wenn er mal nicht gewinnen sollte, sei es ihm am liebsten, der Sieg gehe an seinen Mercedes-Kollegen. Ob das immer noch gelte, jetzt, nachdem ihn Lewis Hamilton zum vierten Mal nacheinander in den Auspuff habe schauen lassen, wurde Rosberg am Sonntagabend gefragt. Seine klare Antwort: "Nein." Wer ihm denn fortan der zweitliebste Sieger sei? Max Chilton vielleicht, gab Rosberg zu erkennen. Der Marussia-Mann ist in diesem Jahr über Platz 13 noch nicht hinausgekommen. Beim fünften Saisonrennen an diesem Sonntag wurde er mit zwei Runden Rückstand Neunzehnter.

Zehn Zylinder der Formel 1

Luca Cordero di Montezemolo

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(Foto: Getty Images)

Luca Cordero di Montezemolo: Ferrari ist nicht irgendein Formel-1-Team. Ferrari ist das älteste Formel-1-Team. Das ist bekannt, aber nicht die einzige Besonderheit: Bei der Scuderia aus Maranello sind auch öffentliche Gesten besonders wichtig. Nach dem schlechten Abschneiden beim Großen Preis von Bahrain setzte Stefano Domenicali so eine: Der Teamchef trat zurück. Zu seinem Nachfolger wurde Marco Mattiachi berufen, ein geschickter Autoverkäufer, aber alles andere als ein Formel-1-Insider. Als die Kritik daran sehr laut wurde, entschloss sich Luca Cordero di Montezemolo eine Geste zu setzen: Der Ferrari-Präsident eilte nach Barcelona, um Mattiachi beizustehen. Am Freitag trat Montezemolo vor der Presse auf und unterbreitete Mattiachi das größte nur denkbare Kompliment: Der Neue, so Montezemolo, erinnere ihn an sich selbst. Auch er habe bei seinem ersten Rennen - "1973 in Brands Hatch" - viel Leidenschaft, aber wenig Formel-1-Ahnung gehabt. Das klang gut. Allerdings fuhr die Formel 1 1973 gar nicht in Brands Hatch. Sie fuhr in Silverstone.

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Fernando Alonso

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(Foto: Getty Images)

Fernando Alonso: Der Große Preis von Spanien ist das Heimrennen von Fernando Alonso. Und obwohl der Ferrari-Pilot keineswegs auf der Pole Position stand, durfte er bei der Fahrerparade im ersten Oldtimer sitzen. Mehr als 90.000 Fans waren an der Strecke. Wie er der Welt deren Verhalten beschreiben würde, wurde Alonso gefragt. Seine Antwort: "Das ist Leidenschaft pur. Anderswo sitzen die Leute nur und freuen sich über die Autos. Hier springen sie jede Runde auf und jubeln. Das geht zu wie beim Fußball." Für den Liebling der Massen lief es am Sonntag nicht so gut wie zuletzt in China, als er Dritter geworden war. Alonso kam lediglich als Sechster ins Ziel. Einmal aber ging es auf den Rängen wirklich zu wie beim Fußball: Als Alonso auf den letzten Runden seinen Ferrari-Kollegen Kimi Räikkönen überholte. Für den Finnen nicht die einzige Demütigung: Kurz darauf wurde er von den Mercedes-Fahrern auch noch überrundet.

Zehn Zylinder der Formel 1

Sebastian Vettel

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(Foto: Getty Images)

Sebastian Vettel: Kurzschluss, Kabelbaumbrand, Gangrad-Bruch, Getriebewechsel: Sebastian Vettel hat an diesem Wochenende wieder einige neue, interessante Defekte kennengelernt. Suzie, wie er seinen Rennwagen getauft hat, sei "zickig" sagt Vettel selbst. Vor dem Start, bei dem er lediglich Platz 15 einnehmen durfte, lautete die Frage im Fahrerlager mit Blick auf Vettel deshalb nicht: Wie weit kommt der Titelverteidiger heute wohl nach vorne? Sie lautete: Wie weit kommt der Titelverteidiger überhaupt? Je länger das Rennen lief, desto ruhiger aber wurden die Unken. Vettel und Suzie bildeten an diesem Nachmittag ein gutes Team. Am Ende sprang Platz vier heraus. Mehr war nicht möglich, das wusste der 26-Jährige selbst. Und bevor er in die Nacht entschwand, entfuhr ihm tatsächlich wieder einmal das Wort "Spaß".

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Bernie Ecclestone

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(Foto: Getty Images)

Bernie Ecclestone: Am Freitag noch in München wegen Bestechung vor Gericht, ab Samstag am Circuit de Catalunya - und am Sonntag vor einem Millionenpublikum im Fernsehen. Als Bernie Ecclestone in der Startaufstellung sah, wie Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes, für RTL interviewt wurde, witterte der Chefvermarkter seine Chance: Er drängte sich mit ins Bild, schüttelte freundlich lächelnd Zetsche die Hand und schwärmte, wie phantastisch der neue Mercedes-Formel-1-Motor geraten sei und wie toll die vielen Erfolge sind, welche der Marke nach langem Warten damit nun glücken. Es war eine unverfrorene Charme-Offensive. Wer weiß, welch strikte Compliance-Regeln im Mercedes-Konzern gelten und welche Konsequenzen es deshalb haben könnte, falls Ecclestone wegen Bestechung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Formel-1-Rechte verurteilt wird, ahnt: Bei dem Annährungsversuch dürfte der 83-Jährige etliche Hintergedanken gehegt haben.

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Simona De Silvestro

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(Foto: dpa)

Simona De Silvestro: Giovanna Amati war die Letzte. 1992 ging die Italienerin für Brabham an den Start. Bei drei Versuchen schaffte sie es allerdings nicht, sich für einen Grand Prix zu qualifizieren. Nun aber laufen sich gleich mehrere Frauen für einen Formel-1-Einstieg warm: Die Britin Susie Wolff als Ersatzfahrerin bei Williams. Und Simona De Silvestro bei Sauber. Der 25 Jahre alten Schweizerin werden aktuell die besten Chancen zugeschrieben. Auf der Ferrari-Teststrecke in Fiorano absolvierte sie in einem alten Auto jüngst an zwei Tagen 190 Runden, bei denen sie angeblich konstant schneller wurde. Zeiten wurden keine veröffentlicht, aber im Sommer soll De Silvestro auf der anspruchsvolleren Strecke in Valencia noch einmal vorfahren dürfen. In Barcelona trat sie auf und bekräftigte: "Mein Plan ist, hier nächstes Jahr am Start zu sein." Es klang, als sei ihr das sehr ernst.

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Daniel Ricciardo

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(Foto: Getty Images)

Daniel Ricciardo: Daniel Ricciardo kennt das schon: Beim Saisonauftakt Mitte März in seiner Heimat Australien hatte er es schon einmal erlebt. Nach dem Rennen dort wurde er auch auf dem Siegerpodest gefeiert. Wenige Stunde nach der Champagnerdusche folgte dann die Ernüchterung: Weil sein Red Bull zu gierig Benzin geschlürft hatte, wurde er disqualifiziert. In Barcelona ließ der 24-Jährige nun nicht nur zum vierten Mal seinen Teamkollegen, Weltmeister Sebastian Vettel, hinter sich - er durfte auch erneut aufs Podium. Im Rennen war von ihm zwar wenig zu sehen gewesen, weil die Action entweder weit vor oder weit hinter ihm tobte. Aber egal: Platz drei ist Platz drei. Und dieses Mal blieb es auch Platz drei. Als rund drei Stunden nach der Zieldurchfahrt verkündet wurde - "Das Ergebnis ist offiziell!" -, muss dem Mann aus Perth ein Stein vom Herzen gefallen sein.

Zehn Zylinder der Formel 1

Pastor Maldonado

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(Foto: dpa)

Pastor Maldonado: Der 29-Jährige aus Maracay in Venezuela hat einen Ruf: Pastor Maldonado gilt als Crash-König. Beim Spanien-Grand-Prix wurde er diesem Ruf wieder gerecht. Als Maldonado seinen Lotus in der Qualifikation in die Mauer setzte, twitterte sein Team trocken: "Das war anders geplant." Im Rennen ließ es Maldonado erneut krachen. Weil die von ihm ausgelöste Kollision lange die einzige nennenswerte Szene blieb, entbrannte auf Twitter ein Spiel. Unter dem Motto "Spannender als der Spanien-Grand-Prix" stellten etliche Fans Fotos ins Internet, die den Inhalt ihrer Kühlschränke zeigten. Mal voll, mal weniger voll, die meisten aber sauber geordnet. Schließlich postete einer ein Bild, auf dem viele Flaschen wild durcheinander lagen und nur eine in der Mitte aufrecht stand: ein Energy-Drink, für den Maldonado wirbt. Unterzeile: "Und so sieht es aus, wenn Pastor ins Spiel kommt."

Zehn Zylinder der Formel 1

Adrian Sutil

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(Foto: Getty Images)

Adrian Sutil: Adrian Sutil geht gerne ans Limit. Vor dem Rennen in Spanien hat er erzählt, was er alles unternommen hat, um annähernd so leicht zu werden wie sein Teamkollege Esteban Guttiérez, der nicht 1,83 Meter misst. Leichte Fahrer haben den Vorteil, Balancegewichte an strategisch günstigen Positionen im Auto verteilen zu können. So lässt sich das Fahrverhalten verbessern. Sutil verzichtete zwei Tage lang auf jegliche Nahrung. Dann erkannte er: Das funktioniert nicht. Er war unkonzentriert, unausgeglichen. Seitdem isst er wieder. Vor dem Auftritt in Spanien wurde allerdings auch sein Auto auf Diät gesetzt. Wegen der neuen Technik war das Sauber-Team bei der Konstruktion zunächst auf Nummer sich gegangen und hatte einen sehr robusten Wagen gebaut. Vor dem fünften Rennen wurde dieser mit neuen Teilen um zehn bis 20 Kilogramm abgespeckt. Das sollte Sutil helfen. Aber auch Guttiérez. Am Ende half es keinem wirklich. Der Mexikaner wurde Sechzehnter, der Deutsche Siebzehnter. So weit hinten waren die beiden auch zuvor herumgefahren.

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