Zehn Zylinder der Formel 1:Hamilton legt das Gewehr nieder

Lewis Hamilton hantiert ungeschickt mit einer Waffe. Romain Grosjean hat einen Rat für Fast-Papa Nico Rosberg - und Sebastian Vettel ist schockiert. Die Höhepunkte vom Formel-1-Wochenende.

Von Elmar Brümmer, Spa

Sebastian Vettel

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(Foto: dpa)

"Ich muss jetzt aufpassen, was ich sage", schäumte Sebastian Vettel nach seinem 150. Grand Prix und dem 900. Formel-1-Rennen von Ferrari überhaupt. Aber der Heppenheimer passte nicht auf und sagte dann doch was, in einer emotionalen Mischung aus Schock und Frust - nachdem ihm ein Reifenplatzer zwei Runden vor Schluss bei über 300 km/h den möglichen dritten Platz gekostet hatte: "Das eine ist das Ergebnis. Das andere ist: Wenn das früher passiert, knall' ich mit 300 in die Wand. Klar wusste ich, dass die Reifen abbauen, aber so etwas darf nicht geschehen. Es muss mal gesagt werden, die Qualität der Reifen ist miserabel." Die Rage über die verpasste Chance, die ihn auf Rang zwölf in der Ergebnisliste zurückwarf, und die Wut über die vermeintliche Lebensgefahr war so groß, dass er die obligatorische Wiegeprozedur schwänzte.

Die Reifen

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(Foto: dpa)

Die unerklärliche Ursache von Vettels Reifenplatzer setzt den italienischen Alleinausrüster Pirelli unter Druck, der gerade über eine Vertragsverlängerung verhandelt. Doch Sportchef Paul Hembery verweigert eine Mitschuld und verweist nach dem großen Knall darauf, dass kein anderes Team versucht habe, gegen den Pirelli-Rat mit nur einem Stopp durchzufahren - was Ferraris einzige taktische Chance auf einen Podiumsplatz war. Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda antwortet stellvertretend, obwohl auch Nico Rosberg freitags einen ähnlichen Schaden bei ähnlichem Tempo erlitt: "Ich finde es absolut unfair, wenn er jetzt Pirelli die Schuld gibt." Hembery belehrt: "Die Strecke ist die aggressivste im Kalender. Es war sehr, sehr ehrgeizig, das so zu versuchen." Ferrari aber besteht darauf, dass die Taktik mit einem Reifeningenieur so abgesprochen war. Und in zwei Wochen wird im Tempodrom von Monza gefahren - für beide Marken das Prestige-Heimspiel.

Sergio Pérez

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(Foto: Getty Images)

Der Mexikaner Sergio Pérez war der auffälligste Profiteur der neuen Startzeremonie, schoss er doch mit seinem Force-India-Rennwagen (samt Mercedes-Motor im Heck) am Start von Rang vier so nach vorn, dass er gleichauf mit Spitzenreiter Lewis Hamilton war. Pérez, der als ewiger Störenfried gilt, hielt sich bis zur ersten Boxenstopp-Session ungewohnt weit vorne. Es ist immer pikant, wenn Leasingkunden und das Werk konkurrieren. Am Ende wurden es ein fünfter Platz und zehn WM-Punkte. Der 25-Jährige erzählt fröhlich über einen guten Rhythmus und klagt über stark abbauende Reifen, aber er fühlt sich auch in der Spitze zuhause: "Ich freu mich schon auf Monza. Auch eine schnelle Strecke, die mir liegen sollte."

Romain Grosjean

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(Foto: AFP)

Der dritte Platz für den Lotus-Piloten ist seine zehnte Podiums-Platzierung, aber die erste seit November 2013. Und vor allem die Wiedergutmachung für das denkwürdige Spa-Rennen von 2012, als der Genfer wegen Rowdytums für einen Grand Prix gesperrt wurde und seither gegen seinen schlechten Ruf anfährt. Allerdings fällt das dem 29-Jährigen in diesem Jahr schwerer, weil Lotus die Mittel fehlen - aber das Team könnte bald von Renault übernommen werden. Der Konzern fördert Grosjeans Karriere schon lange, deshalb fährt er mit französischer Lizenz. Das Highspeed-Duell zum Schluss mit Vettel hätte er vielleicht auch gewonnen, wenn Vettels Reifen nicht geplatzt wäre. In Spa gab sich Grosjean, der vor wenigen Monaten zum zweiten Mal Vater geworden ist, kollegial und gab Nico Rosberg zwei Tipps: "Schlafe, so oft Dich das Baby schlafen lässt. Und vergiss im Cockpit die Familie, sonst bist Du nicht mehr schnell genug."

Nico Rosberg

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(Foto: AFP)

Einen Hebel am Lenkrad ganz durchdrücken, den anderen halb, und dann das Gas so kommen lassen, dass die Räder kontrolliert durchdrehen - klingt so einfach. Bisher hatten jedoch die Computer den richtigen Schleifpunkt der Kupplung am Start ermittelt, die Ingenieure haben ihn auf der Einführungsrunde durchgegeben. Doch in Belgien waren die Piloten erstmals wieder auf sich gestellt, um es spannender zu machen. Das hat auch geklappt. Nico Rosberg, einer derjenigen mit Respekt vor der manuellen Startprozedur, kam von Startrang zwei nicht richtig weg und wurde dann nach außen und auf Rang vier verdrängt. Mit der Wut auf sich selbst und kraft des Silberpfeils schaffte er es am Ende wieder bis auf zwei Sekunden an den Erzrivalen Hamilton heran. "Ich hab's versemmelt, das nervt richtig", gestand er ein, "da muss ich nochmal ein bisschen üben."

McLaren/Honda

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(Foto: Getty Images)

Ron Dennis ist der stolzeste Mann im Fahrerlager der Formel 1, aber auf den jüngsten Rekord dürfte der graue Boss von McLaren kaum stolz sein. Die Hybridmotoren von Honda haben, da die Technik für die Japaner neu ist, die Haltbarkeit von Luftblasen. Vier Motoren dürfen während der 19 Rennen in dieser Saison straffrei gewechselt werden, beim elften Rennen aber mussten an den Autos von Fernando Alonso (im Bild) und Jenson Button bereits die Aggregate sieben und acht eingesetzt werden. Da Bußen pro Antriebsteil verhängt werden, bekamen die McLaren-Fahrer eine Rückstufung von insgesamt 105 Plätzen in der Startaufstellung aufgebrummt. "Dafür sollten wir einen Kuchen zur Feier bekommen. Das ist immerhin ein neuer Weltrekord", spottete Alonso. Der Spanier war zu McLaren gewechselt, um Weltmeister zu werden. In Spa wurde er überrundet.

Lewis Hamilton

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(Foto: AFP)

Zehn Pole-Positionen in elf Rennen, sechs in Serie, und seine jetzt sieben Siege? Oder das Techtelmechtel mit Rihanna? Scheinbar alles kein Top-Thema mehr bei Lewis Hamilton, dem Spitzenreiter der Formel 1. Denn der bekennende Narzisst hat aus der Sommerpause noch ein Video mitgebracht, das ihm beim Schießen mit einem Maschinengewehr auf Holzbretter zeigt. Zum Abspeckprogramm in den Rocky Mountains dürfte das nicht unbedingt gezählt haben, auch wenn der Clip mit dem Titel "Zielübungen" versehen war. Hamilton, 30, gibt sich jungenhaft unschuldig: Er habe einfach einen schönen Tag auf dem Schießstand gehabt. Bevor er das Posting aus seinem Instagram-Account nahm, hatten bereits 30 000 Hamilton-Anhänger den Beitrag geliked. Mercedes-Sportchef Toto Wolff sprach von "gemischten Gefühlen". Er bezeichnet seinen Schützling als einen Rockstar, der diesen Stil auch lebe. Aber ihm müsse auch bewusst sein, was in der Welt gerade passiert - die Vorfälle im Schnellzug nach Paris beispielsweise.

Nico Hülkenberg

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(Foto: Getty Images)

Nico Hülkenberg ist der Nomade im Mittelfeld der Formel 1. Alles, was dem dritten Deutschen in der Königsklasse zum Sprung ganz nach oben fehlt, ist der richtige Platz im richtigen Moment. So wie bei seinem Le-Mans-Sieg mit Porsche im Frühsommer. Bei Force India ist "Hulk" aber den Launen des indischen Rennwagens ausgeliefert. Wie in Spa. Schon in der Einführungsrunde ging die Power verloren, am Start blieb er stehen: "Das ist doppelt bitter und enttäuschend, denn der Wagen hat gut funktioniert." Aber der 28-Jährige bleibt eine wichtige Figur im Personalschach. Mit dem ersehnten Ferrari-Deal kann es frühestens 2017 etwas werden, auch anderswo sind die Positionen mit Perspektive vorerst vergeben. Er könnte bei Force India bleiben, aber der Emmericher hat auch Alternativen - das neue US-Team von Carl Haas beispielsweise, das mit Ferrari-Unterstützung und mindestens einem erfahrenen Piloten an den Start gehen will. Ein Warteschleifen-Jahr?

Red Bull

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(Foto: Getty Images)

Ohne Power geht nichts beim Europa-Abschied der Formel 1 in Spa und in Monza in zwei Wochen, und genau das ist das Problem des ehemaligen Champions-Teams Red Bull. Mit dem bisherigen Lieferanten Renault ist das Tischtuch längst zerschnitten, die Franzosen planen ein eigenes Werksteam (vermutlich mit dem Lotus-Rennstall). Ob Renault den Liefervertrag mit dem Brausehersteller bis Ende 2016 einhält, ist fraglich, Red Bull hat vorsorglich gekündigt - unter Hinweis auf mangelnde Motorleistung. Die Österreicher wollen am liebsten als Leasingkunde zu Mercedes überlaufen. Mit dem kruden Argument, dass Siege des Silberpfeil-Werksteams über einen Kundenrennstall Red Bull ja noch wertvoller wären. Aber holt sich der Konzern wirklich die stärkste Konkurrenz ins eigene Haus? Mercedes-Sportchef Toto Wolff schwankt noch: "Man sollte vielleicht niemals nie sagen."

Bernie Ecclestone

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(Foto: Getty Images)

Bernie Ecclestone (84) ist als Notfallmanager routiniert, denn die Formel 1 steckt ja immer irgendwie in der Krise. Doch mit einer in den belgischen Landesfarben bemalten Kuh-Attrappe hat er es auch noch nicht zu tun gehabt. Solidarisch greift er zu einer Tüte Milch und geißelt die Milchpolitik der Europäer, was ihm als Briten ja generell leicht fällt. Die Kundgebung hat natürlich einen rein sport-politischen Hintergrund, drohten doch die Bauern der Region die Zufahrtsstraßen zur Rennstrecke von Spa-Francorchamps zu blockieren. Doch die Beschwichtigung brachte den Landwirten die gewünschte Aufmerksamkeit. Und weiter ging die Krisenbewältigung - Ecclestone führte den Vize-Gouverneur von Krasnodar, Alexander Saurin durch das Fahrerlager - der Große Preis von Russland hat ein Sympathie- und Zuschauerproblem. Einen Papp-Putin aber hatte der nicht dabei.

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