WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Wahre Könner zocken "Fudschivolei"

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An den Stränden Brasiliens regiert statt profanem Fußball eine abgewandelte Version des Spiels: Futevôlei. Beim "Fuß-Volleyball" zeigt sich, wer am Ball wirklich was drauf hat - egal bei welchem Wetter. Was SZ-Reporter bei der WM erleben.

Von Thomas Hummel, Natal

Wenn deutsche Fußballmannschaften bis hinunter in die Kreisliga mal entspannen wollen während eines Trainings, dann spielen sie Fußball-Tennis. Es wird auf Hüfthöhe eine Schnur gespannt, dann wird der Ball hin und her geflippt. Der Ball darf einmal auf jeder Seite aufkommen und muss nach zwei oder drei Berührungen auf die andere Seite.

Da erkennt der Trainer schon mal, wer mit der Kugel umgehen kann, oder wer lediglich für zünftige Zweikämpfe zu gebrauchen ist. Wer es schafft, den Ball mit einer Berührung hoch zum Mitspieler zu passen oder sonstwie auf die andere Netzseite zu schubsen, oder wer die Sensibilität eines Elefanten mitbringt.

In Brasilien würde man die Tennis-Fußballspieler vermutlich auslachen. Das könnte hier jedes Kind von mehr als zweieinhalb Jahren. Wer in Brasilien zeigen will, dass er was am Ball kann, der spielt nicht Fußball-Tennis, sondern Futevôlei. Frei übersetzt: Fuß-Volleyball, ausgesprochen: "Fudschivolei".

Der schönste Strand von Natal im Nordosten des Landes heißt Ponta Negra. Er ist in diesen Tagen voll mit Touristen und Brasilianern, die mit den Touristen Geld verdienen wollen. Punta Negra ist so dermaßen paradiesisch, dass es Touristen aus Amerika, England, Japan oder Griechenland gerne in Kauf nehmen, den doppelten Preis für ein Zimmer zu zahlen und sich alle paar Meter von Brillen-, Hut- oder T-Shirt-Verkäufern anquatschen zu lassen.

WM-Tagebuch "Blog do Brasil"
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Am Abend finden bei Ebbe allerlei Fußballspiele im Sand statt, wo sich manch Brasilianer sogar herablässt, einen Europäer mit rosa Haut in sein Team aufzunehmen. Es ist halt WM, die Welt zu Gast bei Fußballern.

Am Ende von Ponta Negra, nahe der riesigen Düne, die den Strand abschließt, liegt oben auf der Promenade ein eingezäunter Platz mit einem Netz. Zwischen Imbissbuden und Bäumen ist er leicht zu übersehen, was vermutlich genau so geplant ist. Denn Touristen finden sich hier keine.

Es ist ein typischer Beachvolleyballplatz - für deutsche Verhältnisse. In Ponta Negra ist es ein Futevôlei-Platz. Die Regeln sind die gleichen wie im Volleyball: Zwei gegen Zwei, der Ball darf den Boden nicht berühren, jedes Team darf abwechselnd insgesamt dreimal ran an die Kugel, dann muss sie über das Netz. Der Anschießer legt sich den Ball auf einen kleinen Berg Sand, statt zu baggern benutzen die Spieler oft die Brust und schleudern die Kugel damit in die Luft. Es ist höchst anspruchsvoll und die Spieler sind sehr, sehr gut. Alle. Es geht offensichtlich auch um einiges, denn Fehler werden vom Mitspieler mit erheblichem Schimpfen quittiert.

Futevôlei ist in diesen Tagen die perfekte Art Fußball in Natal. Denn der Ort wird seit WM-Beginn von einer wahren Regenflut heimgesucht. Zuletzt hatte es fast vier Tage ununterbrochen geschüttet, was erhebliche Auswirkungen hatte: Überschwemmte Straßen, mindestens drei Erdrutsche mit Schlammmassen, der Zivilschutz brachte Familien wegen Einsturzgefahr der Häuser in Notunterkünften unter, Teile des Stromnetzes wurden abgeschaltet.

Doch in Ponta Negra, da kann es regnen, wie es will. Die Futevôlei-Spieler scheinen immer da zu sein. Im schlimmsten Platzregen spielen sie sich den Ball mit der Brust zu, köpfeln ihn übers Netz, Innenseite, Knie, Schulter. Wer den Ball nicht auf den Boden springen lässt, dem kann es auch egal sein, wenn der Sand pappig und schwer ist wie Schnee bei zehn Grad plus ist. Die Touristen schauen ihnen von weitem verblüfft zu. Sie haben sich untergestellt und warten auf das Ende des Regens.

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