Wimbledon:Karriere im Rückwärtsgang

Wimbledon: Caroline Wozniacki: Ist in Wimbledon schon fertig

Caroline Wozniacki: Ist in Wimbledon schon fertig

(Foto: Ben Curtis/AP)

Caroline Wozniacki beherrschte einst 67 Wochen die Tenniswelt, bis heute weiß die 25-Jährige sich zu vermarkten. Doch der sportliche Erfolg ist weg - und übrig bleibt ein Widerspruch.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Als am Freitag die Auslosung für die 130. Championships in Wimbledon vorgenommen wurde, war Swetlana Kusnetsowa im Fitnessraum. Da kam ihr Trainer Carlos Martinez und sagte: "Du spielst gegen Wozniacki." Die Russin erwiderte: "Du meinst Wozniak aus Kanada, richtig?" Sie dachte an die 28-jährige Aleksandra Wozniak, Nr. 474 der Weltrangliste. "Nein, nein, nein", sprach Martinez: "Caroline." Kusnetsowa konnte es nicht glauben. Weil sie dachte, dass Caroline Wozniacki gesetzt sein müsste. "Ich habe ihn dreimal gefragt", erzählte sie später halb amüsiert, halb gespielt geschockt. Für sie war die Dänin eine Spitzenspielerin, auf die sie, als Nummer 13 selbst gesetzt, definitiv nicht gleich in der ersten Runde treffen konnte.

Kusnetsowa ist nicht die einzige, die diesem Irrtum unterliegt. Wozniacki ist keine Spitzenspielerin mehr, auch wenn sie noch so wirkt. Sie wird, da sie jetzt gegen Kusnetsowa 5:7, 4:6 verlor, erstmals seit 2008 aus den Top 50 fallen. Ein Trend, der abzusehen war bei der 25-Jährigen aus Odense. Ihre Karriere ist im Rückwärtsgang.

Wozniacki, Tochter polnischer Einwanderer, war die Beste auf der Welt, offiziell, stieg 2010 zur Nummer eins auf und blieb 67 Wochen an der Spitze. Als erste Skandinavierin. Sie hamsterte lukrative Werbeverträge, galt als kommende Grand-Slam-Siegerin. Ein Darling mit einnehmendem Lachen, fotogen, ein Segen für die Branche. Gemessen an den Faktoren, was Stars ausmacht, war sie einer. Das Erstaunliche: Sie ist immer noch einer, irgendwie. Wenn sie wie bei der Vor-Wimbledon-Party über den Teppich läuft, wird sie minutenlang fotografiert. Als sie zuletzt verletzt bei den French Open fehlte, glänzte sie zeitgleich mit Modefotos in einem Magazin. Diesmal trug sie Stoff, anders als bei ihrem berühmtesten Shooting für Sports Illustrated.

Wie schafft sie es, noch positiv zu bleiben?

Das Widersprüchliche in ihrer Karriere nur kam lange nicht mehr so stark zum Ausdruck wie an diesem Dienstag. Wozniacki, die ihre Pressekonferenz nach der Niederlage im Hauptraum abhielt, in dem sonst Größen wie Roger Federer und ihre beste Freundin Serena Williams sitzen, musste besorgte Fragen entgegennehmen. Wie schafft sie es, noch positiv zu bleiben? Fühlt sie sich leer, nach allem, was ihr in den letzten 16 Monaten widerfahren ist? "Ich denke nicht, dass ich einen Psychologen brauche", sagte Wozniacki. "Ich versuche alle Schläge einzustecken."

Wozniacki ist ein Beispiel dafür, was in der Welt eines Sportlers passiert, wenn er sich offensiv vermarktet, viel von sich preisgibt, gleichzeitig aber der sportliche Erfolg nicht dauerhaft Schritt hält mit dem Abbild. Sie erinnert zunehmend an die Rolle der Anna Kurnikowa, die ihr Lolita-Image clever ausspielte und trotz fehlender großer Titel Millionen abräumte. Verkehrt muss der Weg nicht sein, aber nur die spielerische Bilanz bleibt in den Chroniken hängen, nicht der Publicity-Wert. Zweimal immerhin stand sie im US-Open-Finale, 2009 und 2014, sie ist nicht ohne Ausreißer nach oben. 20 Millionen Dollar Preisgeld belegen ihre Klasse. Nur ist sie kein Champion. Diesen Schritt hat sie nicht geschafft, und es klingen in ihr Zweifel, dass sie es wird. "Ich muss eine bessere Spielerin werden", sagte Wozniacki nüchtern.

Dass sie den Kontakt zur Spitze verlor, ist kein Zufall

An ihren guten Tagen wird sichtbar, was in ihr steckt. Die dynamische beidhändige Rückhand, ihre Athletik, ihr Tempo. An den durchschnittlichen Tagen ist sie eine Profispielerin, die um den Anschluss kämpft. Vater Piotr, früher als Fußballprofi für Waldhof Mannheim im Einsatz, ist seit jeher ihre Stütze, als Trainer und Berater, immer wieder kamen externe Kräfte hinzu, jüngst Petra Kvitovas früherer Trainer David Kotyza. Als Wozniacki in die Spitze schoss, schien es, als könne sie den Ball 80-mal auf die selbe Stelle spielen und andere zermürben mit ihrer Power.

Jetzt wirkt ihr Spiel durchschaubar, eindimensional in Taktik und Punkteaufbau. Dass sie den Kontakt zur Spitze verlor, ist kein Zufall. Wozniacki hat aber auch klar gemacht nach ihrer Niederlage jetzt, dass sie weiter an ihre zwei Ichs glaube: an die Topspielerin in ihr und an die lebensfrohe Selbstdarstellerin, die sich etwa in den Sozialen Medien auslebt und Marathon läuft, wenn ihr danach ist. Sie ist konsequent: "Ich muss mein Spiel einfach so verbessern, dass ich die Topspielerinnen auch in den ersten Runden schlagen kann", sagte sie, wie so oft. Und sie sprach: "Wenn ich all das gelesen hätte, was seit 15 Jahren über mich geschrieben wird, hätte ich mich wahrscheinlich längst die Klippen hinuntergestürzt."

Liveticker in Liebesdingen

Sie ist, das weiß sie auch, nicht nur ein Opfer der neuen Medienwelt. Ihre fast dreijährige Beziehung mit dem Golfer Rory McIlroy konnten Interessierte wie einen Live-Ticker verfolgen, Autorin: Wozniacki. Ihre Verlobung gab sie ebenso auf Twitter bekannt. Als der Nordire nach dem Versenden der Hochzeitseinladungen Panik bekam und Schluss machte, war Häme im Internet nicht weit.

Wozniacki versichert zwar, sie ignoriere das Meiste. Kürzlich aber schrieb sie öffentlich einem dieser "Hater", die sich anonym so verletzend auskotzen. Das brachte ihr Respekt ein. Sie wolle sich die Leichtigkeit nicht nehmen lassen. Wenn sie abseits der Arbeit als Spielerin Zeit habe, wolle sie "Spaß haben" - "Wir leben nur einmal. Wir kriegen keinen Mulligan." Keine zweite Chance. Auf ihre manchmal naive Art ist sie richtig weise.

In Rio, bei Olympia, soll Wozniacki die dänische Fahne tragen, doch weil sie verletzungsbedingt nicht oft genug für ihr Land im Fed Cup antrat, ist noch offen, ob sie starten darf. "Sollte ich nicht spielen dürfen, kann ich nicht viel machen", sagte sie dazu entspannt. Wozniacki weiß inzwischen, mit Tiefschlägen umzugehen.

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