Wahl zum Weltfußballer:Theater mit Geschmäckle

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Ribéry, Ronaldo und Messi streben nach dem Ballon D'Or (Foto: AFP)

Ribéry oder Ronaldo? Die Wahl des Weltfußballers in Zürich ist von Verdacht umweht und von Politik geprägt. Der Franzose vom FC Bayern sieht sich als Favorit, der Rivale aus Madrid reist siegessicher mit der ganzen Familie an.

Von Philipp Selldorf, Doha

Nur einen Spaziergang entfernt von dem Hotel in Katars Hauptstadt Doha, in dem Franck Ribéry die vergangenen acht Tage im Trainingslager des FC Bayern verbracht hat, gibt es ein Einkaufszentrum. Natürlich nicht irgendein Einkaufszentrum, sondern eines, das nach katarischem Fünf-Sterne-Anspruch erbaut wurde, weshalb es dort vieles gibt, was eigentlich nicht in dieses Wüstenland gehört.

Ein Eishockey-Spielfeld zum Beispiel und einen venezianischen Kanal mit Gondolieri, Dutzende Luxusboutiquen und: einen französischen Supermarkt mit imponierender Kartoffelabteilung. Die hier angebotenen Kartoffeln haben Weltreisen bestritten, bis sie den Persischen Golf erreichten. Sie stammen aus Australien und den USA, aus Frankreich, Spanien, China, Ägypten und dem Libanon. Wäre Ribéry hierher spaziert, wäre er womöglich nachdenklich geworden: Habe ich wirklich in all diesen Ländern genügend Bewunderer, dass sie mich zum besten Fußballer der Welt wählen?

Nach Angaben von Leuten, die Ribéry in den vergangenen Tagen nahe standen, ist der französische Angreifer des FC Bayern fest davon überzeugt, dass ihm Fifa-Präsident Sepp Blatter am Montag in der Kongresshalle von Zürich den goldenen Ball für den Weltfußballer 2013 überreichen wird. Ribéry, 30, wünscht es sich sehnsüchtig: "Es ist ein großer Titel, wie ein Traum", hat er am Wochenende gesagt.

Während der Rest des FC Bayern am Montag zum Abschluss des Trainingslagers ein Testspiel in Kuwait austrägt, stiegen Ribéry, Manuel Neuer und Philipp Lahm in ein Flugzeug nach Zürich. Auch Neuer und Lahm sehen Ehrungen entgegen, sie wurden für die Auswahl zur Fifa-Elf des Jahres nominiert. Dies sei "eine große Ehre", erklärte Lahm hochachtungsvoll, "da kommen nicht so viele Spieler rein". Zur festlichen Gala nach der Preisvergabe hat er auch seine Frau hinzu gebeten, ebenso wie Neuer darf Lahm einigermaßen sicher sein, dass er einen Platz in der virtuellen Fifa-Elf erhält.

Ribéry hingegen fährt mit eher vagen Erfolgsaussichten in die Schweiz. Cristiano Ronaldo (Real Madrid) ist nach herrschender Meinung der Favorit, Seriensieger Lionel Messi - der dritte Kandidat - gilt diesmal als Außenseiter. Was die herrschende Meinung legitimiert, lässt sich nicht sagen, es gibt keine empirischen Untersuchungen, keine Meinungsumfragen - und die Jury ist noch internationaler als das Kartoffelangebot in Doha. Die Nationaltrainer und Nationalelf-Kapitäne der 209 Fifa-Mitgliedsverbände sowie ausgewählte Journalisten haben abgestimmt. Einsendeschluss war der 29. November.

Hier und da haben seitdem schon Spieler und Trainer erzählt, wen sie gewählt haben, Lahm hat selbstverständlich seinem Münchner Mitspieler die Stimme zugesichert. Doch von Maukobe Penisula oder Tim Jerks braucht Ribéry keine Freundschaftsdienste zu erwarten. Der erste ist der Kapitän der Nationalelf von Tuvalu, der andere trainiert das Team der Cook-Inseln, und wenn er das auch recht erfolglos tut - die Cook-Inseln nehmen Platz 205 der Weltrangliste ein -, so zählt seine Stimme doch nicht weniger als die vom Champions-League-Sieger Lahm.

Cristiano Ronaldo jedenfalls deutet seine Aussichten so günstig, dass er nicht nur seine Frau, sondern auch seine Schwestern und seinen Bruder auf die Gästeliste in Zürich hat setzen lassen. Dabei hatte er ursprünglich gar nicht kommen wollen, nachdem ihn Blatter bei einem Auftritt pantomimisch karikiert hatte. Ronaldo war beleidigt.

Wie alles, was mit der Fifa zu tun hat, so ist auch diese Veranstaltung von Verdacht umweht und von Politik geprägt. Blatters im Grunde harmloses Ronaldo-Theater sorgte im Herbst für Aufregung, und als dann wenig später - wegen der angeblich schwachen Wahl-Beteiligung - die Abstimmungsfrist für den Weltfußballer plötzlich um zwei Wochen verlängert wurde und Ronaldo in eben dieser Extra-Frist zwei phänomenale Auftritte für Portugal in den WM-Playoffs gegen Schweden hinlegte, war eilig wieder von Mauschelei und Verschwörung die Rede.

Die Fifa und der Mitveranstalter, die Fachzeitschrift France Football, verweisen darauf, dass eine große Unternehmensberatung für die Korrektheit des Auszählverfahrens und für Verschwiegenheit bis zur Bekanntmachung des Gewinners am Gala-Abend sorge.

Beim FC Bayern ist die Wahl ein großes Thema, während des Trainingslagers in Doha musste jeder etwas dazu sagen, was auch daran lag, dass es wegen Ereignislosigkeit im Münchner Camp sonst nicht so viel zu sagen gab. Ribérys mögliche Krönung wurde zu einem Ereignis aufgebaut, als dürfte Deutschland nach "Das Leben der Anderen" (2007) wieder einen Oscar erwarten. Der Kandidat musste sich fragen lassen, ob er schon nervös sei, ob er noch schlafen könne. Es sei "ein positiver Stress", erwiderte Ribéry. "Ich bin glücklich, dass ich mit dabei bin, und ich habe eine große Chance: 2013 war für meine Mannschaft und mich ein großes Jahr."

Aufwertung der Bundesliga

Dass so viel über diese Kür debattiert wurde, hat nach Philipp Lahms Erkenntnis einen einfachen Grund: "Früher war halt keiner von uns nominiert." Deswegen nehmen auch Dritte so lebhaft Anteil. Für die Bayern geht es um ein weiteres Statussymbol, um die erste Trophäe im neuen Jahr - und um die Frage, welcher Klub mehr Strahlkraft auf die Kandidaten überträgt: Real Madrid? Der FC Barcelona? Oder der Stern des Südens?

Auch die Bundesliga verspricht sich Aufwertung und einen kleinen Schub für die anstehenden Verhandlungen zum Verkauf der Auslandsrechte. Ribéry jedenfalls möchte gern glauben, dass es kein Wettbewerbsnachteil für ihn ist, dass er in Deutschland spielt, wo er längst heimisch ist. Fast sieben Jahre ist er bei den Bayern, "und es macht jeden Tag Spaß", hat er am Samstag erzählt. Gerade erst hat er in München weiteren Grundbesitz erworben.

Es gibt aber auch ein paar Sorgen vor dieser Wahl. Was, wenn Ribéry nicht gewinnt? "Wenn er's dieses Jahr nicht wird, dann wird er's halt nächstes Jahr", sagt Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer, aber für den Notfall hat er seine Predigt an den Verlierer schon parat: "Es gibt nur zwei Wege", stellt Sammer fest, "entweder die Niederlage beherrscht und vernichtet dich - oder du stehst auf."

© SZ vom 13.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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