Vorbereitung beim VfB Stuttgart:Kehrwoche ohne Trainer

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Bruno Labbadia: Kein Sonnenschein in Stuttgart (Foto: dpa)

Die Aufbruchstimmung ist beim VfB Stuttgart angekommen, nur einer stemmt sich dagegen: Trainer Bruno Labbadia. Während sich Spieler und der neue Präsident vor der Qualifikation in der Europa League gut gelaunt präsentieren, grummelt Labbadia vor sich hin. Dabei gibt es durchaus Grund zur Hoffnung.

Von Christof Kneer

Christian Gentner war sehr angetan vom Auftritt seines Vorgesetzten. "Man merkt in jedem seiner Sätze die Begeisterung für seine Aufgabe", sagte Gentner im Trainingslager in Donaueschingen, "das ist für mich brutal beeindruckend."

Ja, Christian Gentner spielt beim VfB Stuttgart, das ist der Verein, bei dem in der vergangenen Saison mit Begeisterung so sehr gespart wurde, dass selbst aufrechte Schwaben das für übertrieben hielten. So etwas Ähnliches wie begeistert waren die Anhänger höchstens beim Pokal-Halbfinale gegen Freiburg und vielleicht in den letzten Minuten des Finales, als der VfB sogar den unbesiegbaren Bayern einen heiligen Schrecken einjagte.

Ansonsten war die Saison geprägt von einem brutalst engen Kader, wie Trainer Bruno Labbadia das zirka siebenmal pro Woche formulierte, von einer brutalst schlechten Laune auf vielen Hierarchie-Ebenen und von der Frage, warum man sich überhaupt für diese Europa League qualifizieren musste, wenn nachher doch keiner ins Stadion kommt.

Der VfB wagt jetzt einen neuen Versuch, er will jetzt doch wieder rein in diese Europa League. Als Pokalfinalist ist er für die dritte Qualifikationsrunde qualifiziert, am Donnerstag tritt der VfB bei Botew Plowdiw an, eine Woche später kommen die Bulgaren zum Rückspiel.

Plowdiw ist keine Elf, die einem brutalst gute Laune bereitet, aber weil Schwaben fleißige Leute sind, haben sie den Sommer zu einer umfassenden Kehrwoche genutzt. Sie haben ihren Spielerkader durchgelüftet, die Funktionärsbüros durchgefegt und die schlechte Laune nass rausgewischt. Präsident Gerd Mäuser und Aufsichtsratschef Dieter Hundt: beide weg. Stattdessen da: der neue Präsident Bernd Wahler, ein optimistischer Mensch, der neben einer Spieler-Vergangenheit in der B- und C-Jugend des VfB eine Frisur besitzt, mit der auch Joachim Löw guten Gewissens ausgehen würde.

Ihn hat Christian Gentner gemeint im Trainingslager. Es war die Begeisterung seines neuen Präsidenten, die ihn begeisterte. Seinen Trainer meinte er nicht.

Bruno Labbadia ist Hesse, vielleicht liegt es daran, dass er keinen großen Sinn für Kehrwochen hat. Bei ihm hat das Lüften, Fegen und Wischen keinen erkennbaren Eindruck hinterlassen, jedenfalls zog er am Ende des Trainingslagers eine Bilanz, die so gar nicht in die allgemeine Aufbruchstimmung passen wollte. Man habe "im Grunde nur das gemacht, was ein ambitionierter Bundesligist tun sollte: Wir haben Voraussetzungen geschaffen, um auch mal Ausfälle auffangen zu können", sagte Labbadia, dem Sportchef Fredi Bobic den erwünschten breiten Kader mit interessanten Neuen wie Moritz Leitner (Dortmund), Mo Abdellaoue oder Konstantin Rausch (beide Hannover) auf den Hof gestellt hat.

"Man hat manchmal das Gefühl, wir hätten Messi und Neymar geholt", sagte Labbadia noch. Was in diesem Satz, gewollt oder ungewollt, mitschwang, war: Leitner, Abdellaoue und Rausch sind brutalst ganz okay, aber halt keine Spitzenspieler.

In der vorigen Saison hat Labbadia mit Verständnis rechnen können, er hatte für drei vollständige Wettbewerbe nicht mal einen vollständigen Kader, aber seine jüngsten Einlassungen haben im Klub doch für Irritationen gesorgt. Gerade erst hat Präsident Wahler das Umfeld neu entflammt, gerade erst hat Sportchef Bobic einen offensiveren Ton angeschlagen ("Unser Ziel ist, dass wir uns über die Liga für den internationalen Wettbewerb qualifizieren") - und nun fragen manche hinter vorgehaltener Hand, ob Labbadias Neigung zum Kleinreden vielleicht weniger der Sache, sondern eher seinem Naturell geschuldet ist. Und ob dieses Naturell auf Dauer zu einem Klub passt, der sich frisch erfinden will.

"Jeder hat halt seine eigene Betrachtungsweise", sagte Bobic am Mittwoch nach der Landung in Plowdiw. Er klingt vorsichtig, er will nicht schon vor dem ersten Pflichtspiel die erste Debatte führen. "Es ist doch nicht untypisch, dass Trainer vor Saisonbeginn defensiver klingen", sagt er. Das stimmt, aber wahr ist auch, dass ein Klub auch andere Geschichten erzählen könnte. Beim 2:0 im letzten Test gegen den türkischen Erstligisten Belediyespor trafen der 20-jährige Antonio Rüdiger und der 17-jährige Timo Werner. Werner ist das leuchtendste Talent des Hauses, man könnte fast sagen, er ist der Messi oder Neymar vom VfB.

© SZ vom 01.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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