Vierschanzentournee:Severin Freund bändigt störrisches Garmisch

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Die prägenden Figuren der diesjährigen Vierschanzentournee: Gesamt-Zweiter Severin Freund (links) und der Tournee-Führende Peter Prevc. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Platz drei und dennoch zufrieden: Severin Freund beim Neujahrsspringen.
  • Er gibt die Führung in der Gesamtwertung aber an den starken Peter Prevc ab.
  • Die deutschen Springer freuen sich über viele gute Platzierungen.
  • Hier geht's zum Ergebnis aus Garmisch-Partenkirchen.

Von Volker Kreisl, Garmisch-Partenkirchen

Der zurzeit beste deutsche Skispringer hat eine unaufgeregte Art und daher vermutlich auch viele Freunde. Die Sprungschanze von Garmisch-Partenkirchen zählte bislang allerdings nicht dazu. Sie ist störrisch, manche Skispringer empfinden sie sogar als zickig. Severin Freund gehörte bisher auch dazu, doch das ist Vergangenheit, denn seit dem Neujahrstag 2016 hat sich sein Verhältnis zur Olympiaschanze entspannt. Er hat ja aktiv daran gearbeitet und am Freitag den Lohn dafür kassiert.

Denn im Neujahrsspringen wurde er mit seinem bislang besten Garmischer Auftritt Dritter hinter seinem Rivalen, dem Sieger Peter Prevc aus Slowenien. Der hatte einen überragenden Finalsprung auf 136 Meter gezeigt, auf die größte Weite des Tages, womit die Vierschanzentournee eine erste Zäsur erhielt. Die Verfolger mit dem Österreicher Michael Hayböck sind deutlich distanziert, die Spannung konzentriert sich vor dem nächsten Gipfel am Bergisel-Stadion von Innsbruck (So., 14 Uhr, ZDF) auf ein Duell. Das zwischen Prevc und Freund. Prevc liegt nun 8,6 Zähler vor dem Deutschen. Die beiden befinden sich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, in großartiger Form und offensichtlich auch im Flow. Wobei Freund die Rolle des in der Saison Reiferen, also des Favoriten, listig dem Slowenen zuschiebt: "In diesem Prozess ist Peter schon weiter." Dabei feiert Freund seinen dritten Platz von Garmisch fast wie einen Sieg. "Ich bin sehr zufrieden", sagt er, und einen Platz auf dem Podest hätte er vorher "immer unterschrieben". Sein zweiter Sprung wies Fehler auf, die Freund aber mit Angriffslust im Flug ausgleichen konnte. Und insgesamt dürfte die seit langer Zeit wieder gelöste Stimmung in einem deutschen Vierschanzen-Team bestehen bleiben. Richard Freitag wurde Sechster, Andreas Wank Elfter und in David Siegel aus Baiersbronn im Schwarzwald kam ein 19-jähriger Weltcup-Debütant sogar auf Rang 16. Wenngleich dies Nebensächlichkeiten waren, wichtig fürs gesamte Team war, dass Freund in Garmisch nicht allzu viel auf Prevc verlor. Oder wie Bundestrainer Werner Schuster es ausdrückte: "Ich wollte schon immer mal aus Garmisch raus und um den Tourneesieg kämpfen."

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Die früheren Sieger des traditionsreichen Skisprungvierkampfes waren allesamt wagemutig - manch einer auch abseits des Sports. Von Offizieren, Häftlingen und Maskenträgern.

Die Vorbereitung auf Neujahr hatte vor Monaten begonnen. Die deutsche Mannschaft hatte im Herbst in ihrer Tournee-Imitation auch die Olympiaschanze besucht, womit schon mal die Abläufe zwischen Hotel, Shuttle und Schanze verinnerlicht wurden. Doch die Garmischer Schanze bedarf bekanntlich einer intensiveren Eingewöhnung, und die wurde, wie Richard Freitag sagt, zusätzlich "in mehreren Lehrgängen" vorgenommen.

Speziell die Umstellung von Oberstdorf auf Garmisch ist nicht ganz leicht. Grob gesagt ist der erste Schanzentisch der Tournee eine lange Tafel, der von Garmisch im Vergleich dazu eher ein Bistrotisch. Der Radius der Rampe, also die Aufwärtskurve, die den Springer auf die Flugbahn führt, ist in Oberstdorf deutlich länger, er gibt ihm mehr Zeit, um sich auf Sprung und Flug vorzubereiten. In Garmisch dagegen ist nach einem langen Anlauf der Radius vergleichsweise kurz, man habe weniger Zeit, "um den richtigen Punkt zu finden für die beste Flugposition", sagt Schuster. Das hatten sie geübt, und Freund, der die Garmischer Schanze wie die meisten Skispringer eben nie zu seinen Lieblingsschanzen zählte, übte erfolgreich. "Bringt er die Sprünge, die er bei den deutschen Meisterschaften zeigte, dann sollte das reichen", sagte Schuster.

Freund lag dann fast in jedem Sprung mit Prevc auf Augenhöhe. In den ersten beiden Trainingsversuchen landete er einmal auf Platz zwei und einmal auf Platz eins. Prevc wurde entsprechend je einmal Erster und Zweiter. "Es ist hier extrem besser gelaufen als in den Jahren zuvor", sagte Freund. Und das Rennen der beiden nahm Fahrt auf.

In der Qualifikation fiel zwar der direkte Vergleich aus, denn der Deutsche verzichtete auf seinen Sprung, womit er automatisch psychologischen Drucks aufbaute. "Die Qualifikation auszulassen, das kann man eigentlich nur, wenn man die Überzeugung hat, dass es läuft", sagt Freitag. Prevc setzte dagegen, er schaffte im Probesprung des Wettkampftages 140 Meter, während Freund nur auf 133,5 Meter kam. Im Wettkampf trafen sie sich dann virtuell in der Luft. Im ersten Durchgang hatten beide 90,3 Stundenkilometer beim Absprung, kamen beide etwas spät ins Flugsystem und landeten beide exakt bei 133,5 Metern. Wegen des etwas schlechteren Windes bekam Prevc allerdings 1,4 Punkte mehr. Zur Halbzeit stand es somit 129,3 zu 127,9.

Den Wolken so nah: Der Slowene Peter Prevc am Neujahrstag im Himmel über Garmisch-Partenkirchen. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Noch lag Freund im Klassement vorne, aber wie von den Veranstaltern gewünscht, spitzte sich der Zweikampf im Finale auf die beiden letzten Springer zu. Sie warteten oben, machten ihre Konzentrationsübungen, und nachher setzte sich Prevc vor Freund. Der hatte seine Ski nach dem Sprung von diesem kurzen Tisch mit leichter Verspätung zum Körper gebracht und trotzdem seinen Frieden mit dieser Schanze gemacht. Es geht weiter nach Innsbruck, auf die Bergiselschanze. "Noch ist nichts fertig geschrieben", sagt Freund. Denn auch die Innsbrucker Schanze, die auch sehr klein und eng ist, ist für manche Springer eine Zicke. Zum Beispiel für Peter Prevc.

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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