Bundesliga:VfB Stuttgart: Abstiegskampf? Welcher Abstiegskampf?

Lesezeit: 3 min

Stuttgarter Tristesse: Nach dem 0:3 gegen Dortmund bleibt der VfB tief im Abstiegskampf. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Die Tabellensituation wird für die Stuttgarter nach dem 0:3 gegen Dortmund immer bedrohlicher. Die Spieler wirken nicht so, als hätten sie dies verstanden.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Es wirkt gespenstisch, wenn fast ein ganzes Stadion schweigt. 60 000 Menschen. Eine Viertelstunde vor dem Schlusspfiff waren am Samstagabend in der Stuttgarter Arena nur noch einzelne Sprechchöre aus dem Dortmunder Block zu vernehmen. "Zweite Liga, Stuttgart ist dabei", gellte es herab. Viele der VfB-Sympathisanten verließen in diesen Minuten schon das Stadion, sie gingen nicht, sie flüchteten. Dieses Tempo oben auf der Haupttribüne hätten sich die Flüchtigen auch von ihrer Mannschaft unten auf dem Rasen gewünscht. Doch da kam nichts. Die Stuttgarter traten vor allem in der zweiten Halbzeit gegen den Tabellenzweiten beim 0:3 mit der jungenhaften Harmlosigkeit der Wiener Sängerknaben auf. Sie spielten so körperlos, als würde es bei ihnen in dieser Saison um nichts mehr gehen. Abstiegskampf? Welcher Abstiegskampf?

Dabei ist die Lage beim VfB nach sechs sieglosen Partien hintereinander bedrohlich geworden. Zwei Punkte beträgt noch der Vorsprung auf Werder Bremen und den Relegationsplatz. Zufälligerweise ist Bremen am 2. Mai der nächste Gegner. Es wird eine Art Endspiel um die Bundesligazugehörigkeit werden.

Der BVB-Kapitän und seine Zukunft
:Was Mats Hummels nach München treibt

Der BVB-Spieler weiß, dass ein Wechsel zum FC Bayern der größtmögliche Affront wäre. Trotzdem spricht einiges dafür, dass er geht.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Dutt richtet den Blick aufs Spiel in Bremen

"Was gegen Dortmund war, ist völlig egal", sagte Sportvorstand Robin Dutt, "jetzt gibt es nur noch die Fokussierung auf Bremen. Es ist gefährlich, wenn wir bis Mittwoch das Spiel gegen Dortmund analysieren und darüber nachdenken, ob wir den Reus so oder anders hätten attackieren müssen. Das ist Blödsinn, uns haben jetzt nur noch die Zweikämpfe gegen Bremen zu interessieren."

Ob es sich der Manager mit seiner Botschaft des Vergessens nicht zu einfach macht, wollte VfB-Kapitän Christian Gentner nicht kommentieren. Es war überhaupt ein Anflug von großer Ratlosigkeit, der sich in den Katakomben ausbreitete. "Wir müssen uns jetzt das Selbstvertrauen in der Trainingswoche holen", sagte er. Die VfB-Profis müssen sich schon fragen, warum sich die Dortmunder leidenschaftlicher und lustvoller in die Zweikämpfe warfen als sie selbst. Es schien fast so, als hätte der Zeugwart den Spielern verboten, die schneeweißen Trikots schmutzig zu machen.

Spiel vor der Pause entschieden

Dabei hatte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel nicht gerade seine erste Mannschaft aufs Feld geschickt. Mats Hummels erlebte ebenso den Anpfiff von draußen mit wie Sven Bender, Gonzalo Castro und Marcel Schmelzer, die dem BVB im Pokal bei Hertha BSC noch als Startspieler zum Einzug ins Endspiel gegen den FC Bayern verholfen hatten.

Dennoch war die Partie in Stuttgart schon zur Pause nach den Toren von Shinji Kagawa (21.) und Christian Pulisic (45.) entschieden. Vor allem der 17-Jährige war mit seinen Dribblings und seiner Einsatzfreude ein Beleg für die zunächst etwas überraschend anmutende These, die Tuchel in der Pressekonferenz aufwarf. Der Trainer sagte: "Wir haben seit der Niederlage in Liverpool mehr Leichtigkeit in unser Spiel bekommen."

Wunderbarer Pulisic

Ehrlich und hart in der Selbstkritik habe er mit den Spielern die 3:4-Niederlage in der Europa League in Liverpool nach einer 3:1-Führung aufgearbeitet. Das sei notwendig und förderlich gewesen. "Weil wir alle erkannt haben, dass das kein Schicksalsschlag ist, sondern in jeder Sportart schon einmal vorgekommen ist." Die Dortmunder spielen in der Tat so, als hätten sie diese bittere Niederlage vollständig aus ihren Köpfen und Gliedern gespielt. Neben Henrikh Mkhitaryan, der beim VfB das 3:0 erzielte (56.) und damit in seinem 49. Pflichtspiel in dieser Saison am 46. Tor beteiligt war, ist es vor allem dieser wunderbare Außenstürmer Pulisic, der dem BVB gut tut. Er ist nun sogar der jüngste Spieler in der Bundesliga, der auf zwei Tore in der Bundesliga kommt. "Das ist ziemlich cool", fand er anschließend nur und grinste verlegen.

Dieses spitzbübische Lächeln hofft Dutt nun nach dem Spiel gegen Bremen endlich auch wieder in den Gesichtern seiner Spieler zu finden. "Danach wird nur einer mit einem Grinsen nach Hause fahren", sagte der Sportdirektor. Die VfB-Fans scheinen nicht mehr an ein Happy End zu glauben. Nach dem Schlusspfiff empfingen sie ihre Spieler mit einem Pfeifkonzert in der Kurve und beendeten so zumindest die gespenstische Stille.

© SZ vom 24.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: