VfB Stuttgart:Ade Tristesse: VfB begeistert wieder seine Fans

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Eingemeindet in die VfB-Familie: Stuttgarts zunächst verschmähter Doppeltorschütze Carlos Mané macht Bekanntschaft mit dem Klub-Maskottchen Fritzle. (Foto: Langer/Eibner)

Beim 4:0 gegen Fürth brillieren zwei umstrittene Sommer-Zugänge, die der alte Trainer Jos Luhukay nicht haben wollte. Vor allem der Doppeltorschütze Carlos Mané streichelt die geschundene schwäbische Fußball-Seele.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Hannes Wolf stand am Mittelkreis und verfolgte das bunte Treiben seines Teams aus sicherer Entfernung. Den Augenblick des Alleinseins nach dem Spiel wollte der neue Trainer des VfB Stuttgart genießen, ganz ohne wilde, triumphale Schreie und Tänze, wie sie seine Spieler vor der Cannstatter Kurve aufführten: "Der Moment unmittelbar nach einem Sieg ist ja der Schönste", sagte Wolf nach dem bemerkenswerten 4:0 gegen Greuther Fürth, "den wollte ich sacken lassen."

Das erste Heimspiel des neuen VfB-Trainers gegen harmlose Franken genügte, um das meist aufgeregte Umfeld des fünfmaligen deutschen Meisters vorerst zu beruhigen - und schon wieder zu euphorisieren. Das geht in Stuttgart schnell. Einige Zuschauer auf der Haupttribüne raunten sich zu, dass sie sich bereits auf das Heimspiel der nächsten Saison gegen den FC Bayern freuen. Wolf hingegen betonte, der Aufstieg nach dem Abstieg sei nach acht Spieltagen noch weit weg: "Wir müssen einfach normal bleiben und weiter arbeiten."

Andererseits war die Verzückung der Fans verständlich - nach Jahren der Tristesse und bleiernen Schwere sahen sie erstmals wieder eine Mannschaft auf dem Rasen, die Begeisterung und Leichtigkeit ausstrahlte. Die Stuttgarter traten mutig auf, sie kombinierten sich bisweilen kunstvoll durchs Mittelfeld, schnell und schnörkellos, vor allem mit viel Drang zum Tor.

Mané dribbelt, als würde der Ball wie ein sechster Zeh an seinen Füßen kleben

Besonders ein Spieler sorgte immer wieder für "Aahs" und "Oohs" auf den Rängen, weil er nicht nur nach seinen ersten beiden Ballberührungen nach nicht einmal fünf Minuten schon zweimal ins Fürther Tor getroffen hatte, sondern weil der Ball wie ein sechster Zeh an seinen Füßen zu kleben schien: Carlos Mané, 22, war die große Entdeckung der Partie. Der Portugiese berührte mit seinen Dribblings und seinem Eifer die geschundene schwäbische Fußballseele. Dabei ist Mané neben dem französischen Innenverteidiger Benjamin Pavard (OSC Lille), der ebenfalls gegen Fürth auffallend abgeklärt debütierte, und dem japanischen Stürmer Takuma Asano (FC Arsenal) Teil jenes spät verpflichteten Trios, das Wolfs Vorgänger Jos Luhukay als Perspektivspieler abgetan hatte.

Mit denen könne er in den nächsten zwei Monaten nicht viel anfangen, hatte der Niederländer erklärt. Es war unter anderem diese eigenwillige Sichtweise auf offener Bühne, die zum Zerwürfnis des Trainers mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser und letztlich zur Trennung von Luhukay nach nur vier Spieltagen führte.

Dass just diese von Luhukay Verschmähten das VfB-Spiel vielleicht doch schneller als gedacht vitalisieren können, deutete sich auch gegen Fürth an. Asano fehlte zwar, weil er schon auf Länderspielreise war. Doch das 1:0 (2.) von Mané bereitete Pavard mit einem langen, chirurgisch präzisen Pass aus der eigenen Hälfte vor: "Wenn Benjamin das so gewollt hat, war das Weltklasse", lobte Wolf. Der 20 Jahre alte Franzose, der das 3:0 (24.) selbst erzielte, stammt aus der renommierten Nachwuchsabteilung des OSC Lille; wie Mané bei Sporting Lissabon war Pavard allerdings kein Stammspieler: "Andernfalls hätten wir auch keine Chance gehabt, sie auszuleihen", betonte Schindelmeiser am Montag, ohne die Chance zu einem Seitenhieb auf Luhukay zu nutzen: "Das ist mir jetzt auch zu viel der Heldenverehrung", relativierte der Sportchef: "Wir wissen, was diese Spieler können, aber das kann noch nicht alles gewesen sein."

Auch Wolf konnte mit der Lobhudelei für Mané und Pavard nicht viel anfangen: "Wir werden ihnen jetzt nicht in den nächsten zwei Wochen auf die Schulter klopfen und ihnen erzählen, wie toll sie sind", sagte der Trainer. Der 35-Jährige hat schon in den ersten Tagen an seinem neuen Arbeitsplatz erkennen dürfen, dass in Stuttgart alles extremer ist als in der A-Junioren-Bundesliga. Kaum 14 Tage sind seit seinem Wechsel von Borussia Dortmunds U19 zum VfB vergangen, "aber es fühlt sich an wie sechs Wochen", gab Wolf zu. Die Aufgabe scheint ihn aber nicht sonderlich zu beeindrucken. Er macht sein Ding, unaufgeregt und zielstrebig. Natürlich sei die zweite Liga etwas Besonderes, findet er: "Aber inhaltlich machen wir das gleiche, was wir schon immer gemacht haben."

Breitbeinig steht der neue Trainer in der Coachingzone

Der Diplom-Sportlehrer Wolf ist keiner, der die großen Töne liebt oder sich in den Mittelpunkt drängen würde. Während des Spiels tauschte er sich mehrmals mit seinem langjährigen Assistenten Miguel Moreira aus. "Das haben wir schon immer so gemacht", erzählte Wolf, "das ist ja keine One-Man-Show hier."

Die einzige kleine Extravaganz, die sich der gebürtige Bochumer erlaubte, trug sich ebenfalls in der Coachingzone zu: Breitbeinig und mit durchgedrücktem Rücken stand Hannes Wolf die meiste Zeit über aufrecht da. Fast so wie Cristiano Ronaldo vor seinen Freistößen.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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