USA bei Frauenfußball-WM in Kanada:Seit 423 WM-Minuten ohne Gegentor

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Ihr Metier ist eigentlich robuste Mittelfeldarbeit, doch gegen China traf sie ins Tor - Carli Lloyd (Mitte) im Dreikampf. (Foto: USA Today Sports)
  • Seit 423 WM-Minuten sind die US-Fußballerinnen ohne Gegentor. Deswegen sind sie stolz auf ihre Abwehr.
  • Doch nach vorne fehlen dem Team bei der WM in Kanada die Ideen. Nun geht es im Halbfinale gegen die offensivstarken deutschen Spielerinnen.
  • Das Team von Trainerin Jill Ellis setzt auf seine mentale Stärke und den Kampfgeist. "Wir haben vor, hier bis zum Ende zu gehen", sagt Rekordstürmerin Abby Wambach.

Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Als der Abpfiff zu hören war in Kanadas Hauptstadt, wussten die Spielerinnen der USA, bei wem sie sich nach diesem Viertelfinalerfolg über China zu bedanken hatten. Mehr erleichtert als jubelnd sammelte sich die Mannschaft des Olympiasiegers nach ihrem 1:0 (0:0) um Carli Lloyd, die Kapitänin und Torschützin. Dann klatschten sie sich gegenseitig ab wie eine Truppe von Nachbarinnen nach einem ehrenamtlichen Renovierungstag im Gemeindekindergarten. Dieser Viertelfinalsieg der USA, die damit nun im ersten Halbfinale auf Deutschland treffen, war ein glanzloser Einsatz voller Pflichterfüllung. Und die Spielerinnen ahnten, was das für das anstehende Halbfinale gegen Deutschland bedeuten würde. "Um ins Finale zu kommen, müssen wir fast tadellosen Fußball spielen", sagte Stürmerin Abby Wambach. Anders also als bisher bei dieser WM. Es läuft in Kanada noch nicht rund im Team des zweimaligen Weltmeisters. Nationaltrainerin Jil Ellis sucht noch immer nach der richtigen Mischung auf dem Feld, um ihrer erfahrenen Mannschaft die nötigen Überraschungsmomente zu verschaffen. Bislang aber vergeblich.

Gegen die Chinesinnen, die sehr strukturiert, aber auch sehr brav spielten, fehlte die einzig wirkliche Kreative im Team an allen Ecken und Enden: Flügelspielerin Megan Rapinoe ist im Spiel der USA zuständig für die Zuspiele und Flanken, für Dynamik im Offensivspiel und - ja, auch das - für etwas Charme im oft sehr drögen Matchplan der USA. Doch Rapinoe fehlte gelbgesperrt, genauso wie Zentrumsspielerin Lauren Holiday, und so musste eben Carli Lloyd die Grobarbeit erledigen.

Keine Diskussion über den Spielstil

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Die 32-Jährige aus Burlington County, New Jersey ordnet im Mittelfeld normalerweise mit viel Wucht und Entschlossenheit die Reihen. Als an diesem Abend in Ottawa nicht viel ging, entschied sie sich, bei einem Freistoß auch einmal in Position zu laufen. Als die Flanke von Julie Johnston in den Strafraum segelte, sprang Lloyd in ihrem 200. Länderspiel höher als ihre kleiner gewachsene Gegnerin und köpfte zum 1:0-Siegtreffer ein (51.). Doch anstatt damit einen Startschuss zu setzen und die Routine der USA in offensive Dominanz umzumünzen, lief der Olympiasieger weiter vergeblich einem zweiten Treffer hinterher.

In den Schlussminuten warf US-Trainerin Jill Ellis wie in den Spielen zuvor Wambach ins Geschehen. Die in die Jahre gekommene Rekordstürmerin sollte mit ihrer Größe und Präsenz noch einmal Räume schaffen und Abwehrspielerinnen beschäftigen. Zu einem Zeitpunkt, als die Kräfte bereits nachließen. Doch auch dieses simple Rezept brachte nichts ein. Über ihren Spielstil aber wollen die Amerikanerinnen nicht diskutieren, nicht jetzt. Sie stehen schließlich wie in allen vorangegangenen Weltmeisterschaften auch jetzt im Halbfinale. "Auch wenn das Offensivspiel wichtig ist: Es ist die Verteidigung, die dir Titel gewinnt", betonte anschließend Defensivspielerin Becky Sauerbrunn. "Auch wenn Spiele nicht so laufen wie geplant, muss man immer stark bleiben in der Defensive. Das ist eine Frage der Willenskraft und der Intelligenz."

"Wir haben vor, bis zum Ende zu gehen"

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Mangels offensiver Heldengeschichten beim Turnier in Kanada sind die USA auf ihre Defensivleistung besonders stolz. Seit 423 WM-Minuten ist der zweimalige Weltmeister nun bereits ohne Gegentreffer, auf dieser vermeintlichen Unverwundbarkeit in der Abwehr bauen die USA nun ihre Hoffnungen, bevor es in Montréal gegen das offensivstarke Deutschland um den Einzug ins Endspiel geht. "Taktik ist wichtig in den späteren Turnierphasen, aber solche Spiele gewinnt man auch über die Mentalität, die Psyche. Der Erfolg macht uns jetzt stärker für das Spiel gegen Deutschland", sagte Nationaltrainerin Ellis. Im Halbfinale können die USA auch wieder auf die Gestaltungskraft von Megan Rapinoe setzen, doch ob das reicht? "Wir haben vor, hier bis zum Ende zu gehen", sagte Wambach, "das wird ein großer Kampf gegen Deutschland." Und kämpfen können sie.

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