Urteil zu Stadionverboten:Rechtsstaatlich untragbar

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Der Bundesgerichtshof hat Stadionverbote auf Verdacht für zulässig erklärt. Dabei wären gestaffelte Sanktionen auch für Fans denkbar.

Helmut Kerscher

"Fußball-Fans sind keine Verbrecher", singen die "Ultras" in den Stadien der Bundesligen. Das ist auf Anhieb wenig verständlich, weil selbstverständlich. Gemeint sind damit die von Stadionverboten betroffenen Fans. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun klargestellt, dass für ein Stadionverbot weder eine Straftat noch sonst eine Beteiligung nachgewiesen werden muss. Es reiche schon die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, aus der heraus Gewalttaten verübt wurden. Einzige Voraussetzung für ein Verbot kraft Hausrechts ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Damit macht es sich der BGH zu leicht.

Bei manchen Spielen kracht es häufiger als bei anderen - hier FC St. Pauli gegen Hansa Rostock. (Foto: Foto: dpa)

So ein Ermittlungsverfahren trifft häufig auch Unschuldige oder Personen mit einem minimalen Schuldanteil. Wer zum Beispiel wegen anderer Randalierer in einen Polizeikessel gerät, steht schnell unter Verdacht. Es gehört zum Massengeschäft der Staatsanwaltschaften, solche Verfahren mangels Tatverdachts oder wegen Geringfügigkeit einzustellen.

Für die Praxis der Stadionverbote kommt es genau darauf an, welcher der beiden Gründe zur Einstellung geführt hat: Das "Absehen von Verfolgung wegen Geringfügigkeit" lässt nach den DFB-Richtlinien ein Fortbestehen des Stadionverbots zu. Diese Regelung ist schon deshalb rechtsstaatlich untragbar, weil es gegen eine solche Verfügung der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsschutz gibt. So hängt es fast allein von Polizei und Staatsanwaltschaft ab, ob ein Stadionverbot verhängt und bestätigt wird.

"Potentielle Störer"

Das Bundesverfassungsgericht wird prüfen, ob dies mit der Rechtsweggarantie des Grundgesetzes vereinbar ist. Und es wird auch die Frage beantworten, ob ein bundesweites Stadionverbot gegen einen nur "potentiellen Störer" ohne vorherige Auffälligkeiten verhältnismäßig ist, wie der BGH meint. Dazu gehört eine gründliche Auseinandersetzung mit der Schwere des Eingriffs in Grundrechte. Der BGH hat zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Gebot der Gleichbehandlung genannt, sich jedoch nicht mit der Wucht eines Stadionverbots auseinandergesetzt. Es trifft naturgemäß Leute, deren einziges Hobby der Fußball ist. Lange kein Stadion betreten zu dürfen, in die Datei "Gewalttäter Sport" aufgenommen zu werden und Dauerkarten wie Vereinsmitgliedschaft zu verlieren, trifft sie mehr als andere Geldstrafen oder Punkte in Flensburg.

Wie aber sollen Sicherheitsbehörden, Klubs und DFB mit dem Problem der Gewalt im Fußball umgehen? Erstaunlicherweise gilt auch hier: "Die Wahrheit liegt auf dem Platz." Das gestaffelte System von Sanktionen gegen Spieler - Ermahnung, Karten, Sportgericht - hat sich bewährt. Es sollte wenigstens teilweise auch für Fans gelten und damit Stadionverbote auf schwere, nachgewiesene Fälle beschränken.

© SZ vom 31.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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