Urteil gegen Hoeneß:Milde Strafe für einen maßlosen Mann

Prozessauftakt gegen Uli Hoeneß

Er hatte das Urteil zu fällen: Der Vorsitzende Richter, Rupert Heindl, im Prozess gegen Uli Hoeneß

(Foto: dpa)

Uli Hoeneß hat sich nicht wie ein Täter benommen, sondern wie ein Opfer. Mit der Wahrheit hat er von Anfang an taktiert. Angesichts der kriminellen Energie sind dreieinhalb Jahre Haft eine fast milde Strafe. Die Richter hielten dem Angeklagten alles zugute, was man ihm zugutehalten kann.

Ein Kommentar von Wolfgang Krach

Es sind nun also dreieinhalb Jahre Haft für Uli Hoeneß. Ist das richtig, wäre es vermeidbar gewesen? Ja, es wäre möglicherweise vermeidbar gewesen. Weil aber Hoeneß erst nichts, dann viel zu spät etwas getan hat, um diese Strafe zu verhindern, ist sie richtig.

Hoeneß hätte vielleicht eine Chance gehabt, dem Gefängnis zu entkommen. Er hätte von Anfang an die Wahrheit erzählen müssen, die ganze Wahrheit, nicht nur Bruchstücke. Er hätte, als seine Steuerhinterziehung öffentlich geworden war, nicht nur sagen müssen, dass ihm der "Riesenfehler" leidtue. Er hätte handeln müssen. Er hätte, wie Juristen sagen, "tätige Reue" zeigen müssen. Er hätte sein Amt als Präsident des FC Bayern niederlegen, den Vorsitz des Aufsichtsrates der FC Bayern AG abgeben und sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen müssen.

All das hat Hoeneß nicht getan. Er hat geglaubt, mit einigen bedauernden Worten, seiner Popularität, seinem Charme und dem Charisma des Erfolgsmenschen aus dem Schlamassel herauszukommen. Er hat sich nicht wie ein Täter benommen, sondern wie ein Opfer - wie einer, dem Staatsanwälte, Steuerfahnder und Öffentlichkeit Ungebührliches antun und abverlangen, weil sie Aufklärung von ihm wollen. Aufklärung darüber, wie viele Millionen Euro, Franken oder Dollar er in der Schweiz versteckte, und darüber, wo die dreistelligen Millionenbeträge herkommen, mit denen er jonglierte.

Die meisten seiner Bayern-Freunde fielen auf Hoeneß herein

Hoeneß hat mit der Wahrheit von Anfang an taktiert. In der ersten Selbstanzeige, mit der er doch "reinen Tisch" machen wollte, verschwieg er Spekulationsgewinne. Die Fahnder, die von ihm die Schweizer Kontounterlagen haben wollten, hielt er hin - vielleicht in der Hoffnung, er könne die belastenden Papiere so ganz aus dem Prozess heraushalten. Seinen Bayern-Freunden vermittelte er, die ganze Sache sei gar nicht so schlimm. Die meisten fielen auf Hoeneß herein und glaubten gerne, "der Uli" schaffe das schon.

Hoeneß hat in seinem Leben viel geschafft und Großartiges geleistet. Er wurde als Spieler Deutscher Meister, Europameister und Weltmeister, ehe er, mit 27 Jahren, Manager des FC Bayern wurde. Seitdem hat er den Verein in eine völlig neue Sphäre geführt. Zuletzt holte er Pep Guardiola als Trainer, mit dem die Mannschaft zum Nonplusultra des Profi-Fußballs emporgestiegen ist. Der Coup, den vielleicht besten Coach der Welt nach München zu locken, konnte vermutlich nur Hoeneß gelingen - mit seinem Ehrgeiz, dem unbedingten Willen zum Sieg, dem Gespür für den richtigen Moment und der Anziehungskraft des sportlich und wirtschaftlich Erfolgreichen.

Doch Hoeneß ist mehr als ein hervorragender Manager. Er ist die Seele der Bayern. Er hält zusammen, was auseinanderdrängt: den vielplaudernden Firlefranz Beckenbauer, den sich intellektuell und schneidig gebenden Sammer, den nüchternen Westfalen Rummenigge, die empfindsamen Spieler, den eigenwilligen Trainer und, vor allem, die Vereinsmitglieder und Fans. Dass Hoeneß dabei keineswegs nur der gute Kumpel ist, sondern rücksichtslos und brutal sein kann, haben manche von ihnen erst gespürt, als Hoeneß Guardiola holte, ohne seinem Freund Jupp Heynckes vorher etwas zu sagen, und diesen damit abservierte.

Für Bayern wird nun alles anders

Die Maßlosigkeit der kriminellen Energie, mit der Hoeneß jahrelang den Staat hinterging, haben sich viele nicht vorstellen können. Sein Einkommen belief sich regelmäßig auf mehr als zehn Millionen Euro im Jahr, in der Spitze lagen auf dem Schweizer Konto 150 Millionen. Die dreieinhalb Jahre Haft, zu denen das Gericht Hoeneß wegen der Hinterziehung von 28,5 Millionen Euro Steuern nun verurteilt hat, sind deshalb eine fast milde Strafe. Die Richter hielten dem Angeklagten alles zugute, was man ihm zugutehalten kann - sein soziales Engagement, sein Lebenswerk und sein (spätes) Geständnis.

Persönlich kann einem Hoeneß leidtun. Sein Kalkül, die schwere Straftat mit Worten zu bedauern, seine Steuerschuld zu begleichen und nach der Verurteilung auf Bewährung weiterzumachen wie bisher, war irrig. Er wird jetzt die beiden Ämter verlieren, die er in jedem Falle behalten wollte. Und irgendeiner aus dem Verein der Claqueure (zum Beispiel im Aufsichtsrat), die bislang zu feige dazu waren, dem Steuerhinterzieher zu sagen, dass er nicht mehr tragbar ist, wird ihm das beibringen müssen - falls es Hoeneß noch immer nicht selbst einsieht.

Für Bayern wird damit alles anders. Der größte und wirtschaftlich erfolgreichste Fußballklub der Welt verliert seinen Antreiber, sein Bindeglied, seine Mitte. Es wäre falsch zu glauben, dass das nicht auch sportlich Folgen haben kann. Das käme zu all dem Schaden, den Hoeneß angerichtet hat, dann noch hinzu.

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