Trainersuche bei 1860 München:Wirrwarr um Lothar Matthäus

Lesezeit: 3 min

Lothar Matthäus: Bei 1860 im Gespräch - oder auch nicht (Foto: dpa)

Die Trainersuche beim TSV 1860 München wird immer wilder. Die Verpflichtung von Friedhelm Funkel ist vorerst vertagt, nun gibt es Spekulationen um Lothar Matthäus. Nur ein Gespräch zwischen Investor und Präsident dürfte Klarheit schaffen.

Von Philipp Schneider

Am Freitagmorgen waren mal wieder keine Autogrammjäger an der Grünwalder zu Gast, dafür aber, verteilt auf die gemütlichen Bänke vor dem Löwenstüberl: acht Kaffeetrinker, ein Bierkonsument. Schön ruhig ging es also zu unweit der Geschäftsstelle des TSV 1860 München, und so kam es, dass diese beschauliche Vereinsidylle im Kopf so manch eines Besuchers allmählich die Erinnerungen an die durchaus wilden Szenen verdrängte, die sich an gleicher Stelle noch am Vorabend abgespielt hatten.

Fünf Männer hatten gemeinsam getagt, drei von ihnen waren wilden Schrittes vorzeitig aus der Besprechung gestürmt. Allen voran Geschäftsführer Robert Schäfer, über den Augenzeugen berichteten, er habe selten so wütend ausgesehen, dicht gefolgt von Sportdirektor Florian Hinterberger und Noor Basha, dem Cousin und Statthalter des in Abu Dhabi weilenden Investors Hasan Ismaik. Sechzig sucht derzeit einen neuen Trainer, und recht augenscheinlich hatten sich die versammelten Herren nicht auf Friedhelm Funkel einigen können. Bekanntlich, weil Noor Basha einen Übungsleiter präferiert, der außer den Biertrinkern auch die Autogrammjäger anlockt.

Basha selbst war am Tag danach sehr bemüht, die eskalierte Besprechung in einen entspannten Plausch umzudeuten, normales "Brainstorming" sei geschehen, und mit Robert Schäfer habe er "gar nicht gesprochen". Sich beraten habe er lediglich mit den zwei Vizepräsidenten Peter Helfer und Erik Altmann, die die Geschäftsstelle anschließend fröhlich grinsend als letzte verlassen hatten, mit der Bemerkung: "Wir können wenigstens noch lachen."

Es sieht danach aus, dass sich die Trainerfindung bei Sechzig noch eine Weile hinziehen wird. Weil sich die beiden Protagonisten in diesem Zwist zunächst treffen wollen: der in Dänemark urlaubende Präsident Gerhard Mayrhofer und eben Ismaik, der nach Mayrhofers Wunsch den neuen Trainer diesmal absegnen soll. Das Geld des Jordaniers könnte schließlich schon bald wieder äußerst notwendig sein, wenn das Lizenzierungsverfahren bei der Deutschen Fußball-Liga ansteht. Und vor Sonntag wird das Treffen nicht stattfinden, womöglich erst in der kommenden Woche. Gut möglich also, dass Sechzig kommende Woche beim Spiel beim VfR Aalen angetrieben wird von Markus von Ahlen - dem ehemaligen Trainer der U21. Es wäre jene Notlösung ("machen nichts mehr mit Amateurtrainern, brauchen einen Profi"), die das Präsidium ausgeschlossen hatte.

Doch Sechzig wäre nicht Sechzig, würde die Langeweile im Vereinsumfeld bis dahin nicht überlagert von den wunderbarsten Geschichten. Der arbeitslose Trainer Lothar Matthäus etwa wurde, nachdem sein Management zunächst eine Initiativbewerbung versandt hatte, die bei den Vereinsvertretern auf wenig Gegenliebe stieß ("passt nicht zu uns, mit seinen Soaps und seinem ganzen Schmarrn"), nach SZ-Informationen von Noor Basha tatsächlich kontaktiert. Wenngleich Basha sein Interesse dementierte: "Das stimmt nicht. Ich spreche mit vielen Menschen. Wir respektieren Lothar Matthäus sehr, doch er ist nicht unser Kandidat."

Vollends unübersichtlich wurde die Situation bei Sechzig dann am Freitagnachmittag, als Friedhelm Funkel dem Sportinformationsdienst ausrichten ließ, er rechne noch am selben Tag mit einer Entscheidung der Vereinsvertreter. Sportchef Hinterberger und Geschäftsführer Schäfer waren diesmal eigens zu Funkel nach Düsseldorf gereist, bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand die Entscheidung allerdings noch aus.

Naheliegend wäre auch, dass Schäfer und Hinterberger diese Reise nur auf sich nahmen, um sich bei Funkel mit freundlichen Worten zu entschuldigen - und ihn zu vertrösten. Denn der anstehende Plausch zwischen einem Vereinspräsidenten von 1860 und dem Jordanier wäre ja nicht der erste, der in einer Totaleskalation enden würde. Für eine Lösung mit einem wesentlich kostspieligeren Trainer als Funkel müsste Ismaik finanziell nämlich garantiert alleine aufkommen - nicht die KGaA. Das wäre ein Kompromiss, auf den sich Mayrhofer einlassen könnte, ansonsten wird Friedhelm Funkel wohl doch noch Sechzigs Trainer.

Wenn Präsident und Investor zusammensitzen, werden die beiden ganz sicher noch zwei weitere Themen besprechen: Wie geht es weiter mit Geschäftsführer Schäfer - und wie ist es eigentlich um die Bilanz der KGaA im Geschäftsjahr 2011/12 bestellt? Die Informationen sind aus recht unerklärlichen Gründen noch immer nicht im Internet veröffentlicht worden. Und da der Investor eine Kündigung Schäfers bekanntlich schon befürwortete, bevor dieser von Ismaiks Cousin Basha vor dem Arbeitsgericht auf Anstellung als Scout verklagt wurde (oder womöglich schlimme Bilanz-Zahlen veröffentlichte), sind die Voraussetzungen für einen harmonisches Treffen vielleicht gar nicht mal so gut. Damit steigen Funkels Chancen. Sollte er dann noch Lust verspüren.

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: