Christopher Froome bei der Tour de France:Gekurbelt wie irre

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Überlegener Mann in Gelb: Christopher Froome. (Foto: dpa)

Er fliegt die Pyrenäen hinauf: Der Auftritt von Christopher Froome bei der Tour de France ähnelt dem von Lance Armstrong - auch der Brite wurde nach einer Krankheit richtig gut.

Von Johannes Aumüller, Cauterets

Christopher Froome hat sich nicht lange aufgehalten bei den vielen Menschen, die hinter dem Absperrband warteten. Er gab ein paar Autogramme, posierte für ein paar Fotos, nach einer Einrollrunde sagte er noch einige Sätze. Dann fuhr er davon, durch den Park Beaumont von Pau, einem neuen schwierigen Tag mitsamt dem mythischen Col du Tourmalet entgegen. Die ausführlichen Gespräche, die übernahm sein Teamchef Dave Brailsford.

Es sind wieder viele Fragen aufgetaucht, seit Froome, 30, und sein Sky-Team die Bergetappen der Tour de France so fulminant begonnen haben. Gleich beim ersten Anstieg der Hors Categorie hat der Brite die Konkurrenz deklassiert - und er hat das auf beängstigende Weise getan. Er ist den Anstieg nach La Pierre-Saint-Martin mit durchschnittlich 22,45 km/h und damit schneller als alle Radprofis vor ihm hochgefahren, er hat dabei mit einer irren Umdrehungszahl gekurbelt, und seine Helfer waren so gut, dass sie noch die Plätze zwei und fünf belegten. Und auf der zweiten Pyrenäen-Etappe am Mittwoch, da hatte Sky das Geschehen so souverän im Griff, dass keiner der am Vortag klar abgehängten Konkurrenten eine Attacke wagte.

11. Etappe der Tour de France
:Buchmann jagt über die Pyrenäen

Auf dem schweren Pyrenäen-Abschnitt ist der polnische Radfahrer Rafal Majka nicht zu stoppen. Christopher Froome verteidigt souverän das gelbe Trikot - und der junge Deutsche Emanuel Buchmann fährt überraschend ganz vorne mit.

Vieles erinnerte bei den ersten Anstiegen an die Auftritte der Sky-Equipe bei ihren Tour-Siegen 2012 (durch Bradley Wiggins) und 2013 (durch Froome). Und es erinnert vieles auch an die siegreichen Tage des Dopingsünders Lance Armstrong und seiner Jungs vom US-Postal-Team. Da ist klar, dass jetzt wieder Fragen gestellt werden, Fragen gestellt werden müssen.

"Ich habe damit gerechnet, wir kennen die Situation", sagt Brailsford, 51, ein charismatischer und eloquenter Mann, der vor ein paar Jahren von der Queen zum Sir ernannt wurde. Er steht in Pau im Park Beaumont und schaut ein paar Meter nach links. "Im vergangenen Jahr haben wir da drüben gestanden, und es war keiner da, der etwas wissen wollte", diesen Satz bringt er in nahezu jedem Statement unter, auf Englisch, auf Französisch, wahrscheinlich hat er ihn sich auch noch auf Kisuaheli zurechtgelegt. Im vergangenen Jahr hat es in der Tat keine Fragen an ihn gegeben, was aber auch daran lag, dass Froome schon lange vor der ersten Bergetappe ausgestiegen war - und dass der Gesamtführende Vincenzo Nibali und sein Astana-Team auch zu genügend Fragen Anlass gaben.

Jetzt also wieder im Fokus: Froome. Seine Geschichte hat die Leute schon erstaunt, als er 2012 als Edelhelfer Wiggins zum Tour-Sieg eskortierte und im Jahr darauf die Jubiläumsrundfahrt souverän gewann. Denn jahrelang war Froome unauffällig hinterhergefahren, dann erkrankte er an einer Tropenkrankheit namens Bilharziose; als er wiederkam, war er - auch darin Armstrong und dessen Krebserkrankung nicht unähnlich - stärker denn je und stärker als alle. Froome hatte nur Pech, dass seine Erfolge in eine Zeit fielen, als das Publikum auf allzu schöne Heldengeschichten schon allergisch reagierte.

"Was soll ich noch machen?", sagte er in La Pierre kurz nach seiner Gala. Er habe doch versucht, ein Sprecher für den sauberen Radsport zu sein. Er habe doch mit der Circ gesprochen, der vom Rad-Weltverband (UCI) eingesetzten Kommission zur Aufarbeitung des Dopingthemas. Er habe doch vorgeschlagen, Nachtkontrollen einzuführen. Und er habe es doch öffentlich moniert, als im Vorjahr alle Tour-Favoriten zum Trainingslager auf Teneriffa weilten, aber kein Kontrolleur kam.

Tja, was soll er tun? Zum Beispiel könnte er sich bessere Beispiele suchen. Dass er, als einer von nur wenigen aktiven Athleten, mit der Circ gesprochen hat, ist schön. Aber die Kommission steht im Verdacht, dass sie konkreten Hinweisen auf Vergehen aktueller Radsport-Protagonisten nicht richtig nachging - und dass sie UCI-Boss Brian Cookson nur als Alibi diente, um von Aufarbeitung sprechen zu können. Nachtkontrollen sind zum Beispiel bei der Tour de France aus gesetzlichen Gründen gar nicht möglich.

Und was Dopingtests in schönen Urlaubsgegenden anbelangt, da gibt es nicht nur Froomes Beschwerde über ausbleibende Kontrollen in Teneriffa, sondern auch jene kuriose Episode, von der er selbst kurz vor der diesjährigen Tour de France berichtete: Er habe in einem exklusiven Hotel in Italien ein paar Erholungstage mit seiner Frau eingelegt, und als er eines Morgens zum Frühstück erschien, hätte ihm die Rezeption mitgeteilt, dass Kontrolleure da gewesen, aber selbstverständlich nicht zum erholenden Froome durchgelassen worden seien. Ein verpasster Test in der heißen Vorbereitungszeit also. "Ich hätte proaktiver dem Hotel klarmachen müssen, dass es die Möglichkeit einer Kontrolle gibt", sagte er.

Dazu könnte sein Team auch mal überdenken, wie es mit den Leistungsdaten von Froome (und den anderen Fahrern) umgeht. Sky konterte seit Jahren sämtliche Fragen und Vorwürfe mit dem Verweis auf seine wissenschaftliche und ganzheitliche Herangehensweise. Aber die Details wollen sie nicht herausrücken, auch jetzt nicht; auf Nachfrage sagt Brailsford, er sei hier beim Rennen und wolle sich darauf konzentrieren. Sein Argument: Es seien ohnehin nur Fehlinterpretationen möglich. Entsprechend entrüstet sich das Team auch über einen angeblichen Hackerangriff auf sein System, bei dem ein paar Daten entwendet worden seien - und der laut Brailsford nur dazu dienen soll, Froome Doping zu unterstellen.

Pünktlich mit dem ersten Gala-Auftritt und den vielen Fragen ist nun auch der Gedanke lanciert worden, Froome könnte sich nach der Tour unabhängigen Tests unterziehen. Doch wer Brailsford nach Details fragt, erhält keine Antwort. "Möglicherweise" gebe es solche Tests, sagt er. So lange Froome bei dieser Tour in Gelb fährt, und das dürfte noch lange sein, werden viele Fragen bleiben.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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