Torwart-Talent Marc-André ter Stegen:Wahnsinnig verschwiegen

Lesezeit: 3 min

Gibt sich in Fragen seiner sportlichen Zukunft bedeckt: Gladbachs umworbener Torhüter Marc-André ter Stegen. (Foto: dpa)

Barcelona oder Mönchengladbach? Noch gibt es keine Gewissheit über die sportliche Zukunft von Torhüter Marc-André ter Stegen. Der 21-Jährige hält sich bedeckt, während die Borussia um seinen Verbleib kämpft - bis Jahresende soll die Entscheidung fallen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Torwart Marc-André ter Stegen lässt niemanden in sein Herz blicken. Er weiß ja selbst noch nicht, was er machen soll: in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach weiter für jene Borussia spielen, der er mit vier Jahren beitrat - oder zum großen und fremden FC Barcelona wechseln, der bei der Suche nach einem neuen Torwart schon vor längerer Zeit auf den 21-Jährigen stieß.

Ter Stegen überlegt seit Wochen derart verschwiegen, dass offenbar nicht einmal die maßgeblichen Männer bei Borussia Mönchengladbach wissen, woran sie mit ihm sind. "Ich habe das Gefühl, dass er bleibt", sagt der Trainer Lucien Favre mit tapferem Lächeln, und dem Sportdirektor Max Eberl ist aufgefallen, "dass Marc nicht einen Tag fröhlich und am nächsten traurig herumläuft, sondern insgesamt unglaublich locker wirkt". Aus dieser entspannten Gemütshaltung schließt er: "Ich glaube, er bleibt."

Vor einiger Zeit hat Eberl eine DVD des Films "Moneyball" geschenkt bekommen. Darin spielt Brad Pitt den cleveren Manager eines klammen Baseball-Teams. In einer der schönsten Szenen wirbelt der smarte Pitt hemdsärmelig hinter dem Schreibtisch herum und verkauft am einen Telefon einen Spieler, während er zeitgleich am anderen Telefon einen Spieler verpflichtet.

Verletzungssorgen des BVB gegen Bayern
:Ohne vier plötzlich Außenseiter

Vom Verletzungspech geplagt gibt der BVB die Favoritenrolle für das Bundesliga-Spitzenspiel an den FC Bayern ab - auch von der Meisterschaft will Geschäftsführer Watzke vorerst nichts mehr wissen. Doch gänzlich sorgenfrei sind auch die Münchner nicht.

Von Johannes Knuth

So spektakulär und verdichtet könnte Sportmanagement sein - ist es aber leider nicht. Die Wirklichkeit ist zäher, alles dauert viel länger. Eberl hätte die Personalie ter Stegen sehr gerne in einem Blitztelefonat erledigt, aber der junge Gladbacher Torwart und sein ebenfalls in Mönchengladbach beheimateter Berater Gerd vom Bruch lassen sich demonstrativ Zeit mit ihrer Entscheidung. "So ein Schritt will gut überlegt sein", sagt vom Bruch.

Dass die Borussia ihren Torwart unbedingt halten will, ist offensichtlich. Mancher im Klub spricht von ter Stegen als dem Gesicht der Mannschaft. Kaum ein Torwart in der Bundesliga bekommt bessere Noten als er. Dazu kommt, dass er mit seinen gerade mal 21 Jahren noch eine große Perspektive hat. Ob es wirklich schon ein konkretes Angebot vom FC Barcelona gibt, weiß wohl nur Gerd vom Bruch. Er verrät das aber nicht. "Marc hat Angebote", sagt der 72-Jährige bloß, "und er hat das Recht, sich in aller Ruhe damit zu befassen."

Ter Stegens Vertrag bei der Borussia läuft bis 2015, im kommenden Sommer hätte der Klub also letztmals die Gelegenheit, eine Ablöse für ter Stegen zu fordern. Aber bis zum Sommer will man nicht warten. Ein neuer Vertragsentwurf mit verlängerter Laufzeit soll ter Stegen seit Wochen vorliegen, und dem Vernehmen nach würde der Torwart damit zum Topverdiener der Gladbacher aufsteigen.

Aber die Hoffnung der Klubleitung, den jungen Torwart damit schnell zu überzeugen, hat sich einstweilen nicht erfüllt. "In der Hektik macht man die größten Fehler", sagt Berater vom Bruch großväterlich und prognostiziert: "Ich glaube, Marcs Entscheidung wird nicht heute fallen und auch nicht nächste Woche, aber sicher noch in diesem Jahr."

Schon das würde den Gladbacher Verantwortlichen aber zu lange dauern. Im Falle von ter Stegens Fortgang müssten sie ja auch noch einen talentierten Nachfolger finden. Von "überstrapazierter Bedenkzeit" ist in den Büros im Borussia-Park die Rede. Ein Ultimatum an den grübelnden ter Stegen ist zwar offiziell nicht formuliert, aber die Geduld schwindet.

In dieser Woche ist Eberl vom Fachblatt kicker zum "Top-Einkäufer der Liga" gekürt worden, weil sich seine drei Verpflichtungen Max Kruse, Raffael und Christopher Kramer als besonders effektiv erwiesen haben. Solches Lob erfreut den Sportdirektor, aber allzu sehr sonnen kann er sich darin nicht, denn die Personalie ter Stegen erfordert seine volle Aufmerksamkeit.

Ob man einen allseits umworbenen Spieler verpflichten oder ob man einen allseits umworbenen Spieler halten will, das macht für Eberl kaum einen Unterschied. Einen Spieler halten zu wollen, nennt er deswegen einen "internen Transfer". In den Fällen der abgewanderten Spieler Marco Reus (Dortmund) und Dante (FC Bayern) sind diese "internen Transfers" gescheitert.

Der Verlust des gebürtigen Gladbachers Marc-André ter Stegen würde sportlich ebenso schwer wiegen wie emotional, denn ein Spieler, der am Ort geboren ist, der die Nachwuchsabteilung des Klubs durchlaufen hat und der den Fans als veritable Identifikationsfigur gilt, der ist mehr als nur ein Spieler unter vielen. Der Sportdirektor Max Eberl hofft also, dass ter Stegen zu schätzen weiß, was er an der Borussia hat - und deswegen bleibt.

Auf ter Stegens Leistung hat sich die wochenlange Zeit des Grübelns bisher nicht negativ ausgewirkt. Fast scheint es so zu sein, als genieße er das große Interesse. Er wirkt konzentriert und stark wie immer. Mit seiner Hilfe will sich Mönchengladbach an diesem Freitagabend im Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart weiter an die Ligaspitze heranpirschen. Vielleicht würde ein Sieg dem Torwart sogar Impulse für eine positiven Entscheidung geben. Zugeben würde er das vorerst aber sicher nicht. Torhüter können wahnsinnig verschwiegen sein.

© SZ vom 22.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: