Unfaires Tor in der Champions League:Luiz Adriano pfeift aufs Fair Play

So eine Szene gab es selten: In der Partie des FC Nordsjælland gegen Donezk läuft Stürmer Luiz Adriano nach einem Schiedsrichterball alleine aufs Tor des Gegners zu und verwandelt reuelos. Die Skandinavier protestieren wild - doch ein Versuch der Selbstjustiz auf dem Feld scheitert. Donezks Trainer entschuldigt sich.

Carsten Eberts

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Ein Tor, das in seiner Entstehung nicht gerade fair war: Luiz Adriano. 

(Foto: AFP)

Die Frage, ob er in dieser 26. Minute Herr seiner eigenen Gedanken war, kann Luiz Adriano nur selbst beantworten. Hatte der brasilianische Stürmer bewusst entschieden, dass Fair Play eine ziemlich nutzlose Angelegenheit ist? Oder hatte er nur das gegnerische Tor gesehen? Und den Pfiff des Schiedsrichters, ganz menschlich, einfach nur missverstanden?

Die Szene, die zum bislang kuriosesten Tor dieser Champions-League-Saison führte, ist in wenigen Worten kaum zu beschreiben. Man muss schon das Video betrachten, um dies alles nachzuvollziehen: Wie Adriano auf das gegnerische Tor zuwetzte, wie die armen Dänen vom FC Nordsjælland fassungslos die Arme hoben und zuschauen mussten, wie Adriano trotzdem sein Tor schoss.

In der 26. Minute hatte Referee Antony Gautier aus Frankreich nach einem unglücklichen Zusammenprall zweier Spieler im Mittelfeld auf Schiedsrichterball entschieden. Daran war wenig auszusetzen, auch nicht an Adrianos Mitspieler Willian, der den Ball in hohem Bogen - ganz nach den Regeln des Fair Play - zu Nordsjællands Keeper Jesper Hansen zurückspielte. Oder es zumindest versuchte.

Denn es folgte Adrianos Antritt. Ob ahnungslos oder kalkuliert, spritzte er in den langen Ball, ließ sich auch nicht von Torwart Hansen verunsichern, der verständnislos die Arme hob, umkurvte Hansen und schoss ein. Die Spieler von Nordsjælland bestürmten Adriano, drängten ihn, seine Fehlleistung beim Schiedsrichter aufzuklären. Adriano beteuerte seine Unschuld, wollte die ganze Szenerie nicht mitbekommen haben. Doch was hätte der Referee tun sollen?

Den Treffer zurücknehmen konnte Schiedsrichter Gautier nicht, Adriano bestrafen auch nicht. Es war schließlich ein regelgerechtes Tor. Wenn auch kein besonders faires. Die Geschichte erfuhr noch eine kurze Fortsetzung. Nach Diskussionen hatten sich manche Spieler beider Teams offenbar geeinigt, Nordsjællands Kapitän Nicolai Stockholm bis zum ukrainischen Tor durchlaufen zu lassen. Und so - quasi in Selbstjustiz - für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen. Allen voran Donezks Trainer Mircea Lucescu hatte ein schlechtes Gewissen und machte sich für diese Lösung stark.

Verzweifelte Dänen

Das ging wenige Meter gut. Dann kam Mittelfeldspieler Taras Stepanenko, der von der Absprache offensichtlich nichts mitbekommen hatte. Oder nichts mitbekommen haben wollte. Schnell war Nordstrand den Ball wieder los. "Die eine Hälfte des Teams wollte, die andere wollte nicht", klagte Nordsjællands Sportdirektor Jan Laursen. "Wir wollten dem Gegner die Gelegenheit geben, ein Tor zu schießen", sagte auch Lucescu. Doch Stepanenko hatte etwas dagegen. Der Coach bekannte: "Ich möchte mich für das geschossene Tor entschuldigen."

Die Reaktionen bei den Dänen waren verzweifelt. Gleich mehrere Akteure wedelten heftig mit den Armen, sie zeterten und protestierten. "Ihr Angreifer hat es einfach nicht kapiert", klagte Kapitän Stockholm nach der Partie: "Ich habe auf meine Armbinde gesehen, und dort steht etwas von Respekt. Aber ich muss sagen, dass wir davon nicht viel gesehen haben." Unterdessen hatte Adriano an der Mittellinie seine Kollegen zum Weiterspielen animiert - er glaubte weiterhin, alles richtig gemacht zu haben. "Ich bin froh über alle meine Tore, auch über das erste", sagte er kurz vor der Abreise.

Das sah vor allem die dänische Presse später anders. Jyllands-Posten, die auflagenstärkste Zeitung des Landes, sprach von einem "absurden Skandal", das Boulevardblatt B.T. schrieb: "Die Bösen haben den Sieg zusammengeklaut." Und sogar die Lautsprecher der deutschen Sportbild kürten die Aktion schnell zum "schmutzigsten Sieg des Jahres".

Auch Heiko Vogel, der frühere Trainer des FC Basel, sagte bei Sky: "Es gibt so was wie eine Ethik. Und die sollte es auch geben in Zeiten des Kommerzes. Ich glaube, im Falle von Schachtjor, die haben so eine tolle Mannschaft, die haben das nicht nötig. Sie hätten auch ohne den Betrug gewonnen. Aber es geht halt auch um viel Geld."

Adrianos Ruf in Dänemark ist nachhaltig ruiniert, daran besteht kein Zweifel, größere Auswirkungen dürfte sein Tor jedoch nicht nach sich ziehen. Zu eindeutig war das Ergebnis: Nach dem 1:1 ging Nordsjælland durch Lorentzen sogar noch einmal in Führung (2:1), dann spielte jedoch Donezk seine zweifellos vorhandene Klasse aus. Am Ende stand es 2:5, Donezk qualifizierte sich damit fürs Achtelfinale. Erst traf Willian doppelt (44., 50.), dann schoss Adriano seine Treffer zwei und drei. Diesmal übrigens absolut fair.

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