Tommy Haas siegt in München:Präzise wie ein erfahrener Chirurg

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Turniersieg in München: Tommy Haas. (Foto: AFP)

Seine ausgezeichnete Spätform zeigt Tommy Haas auch beim ATP-Turnier in München. Mit nur einem Satzverlust zieht er ins Finale ein und besiegt seinen Rivalen Philipp Kohlschreiber mühelos. Pläne für die Zukunft? Sind beim 35-jährigen Haas nur kurzfristiger Natur.

Von Philipp Schneider

Oben, in der räumlichen Enge einer Loge für berühmte Menschen, reckte der Fußballer Toni Kroos sein Mobiltelefon in die Höhe. Er neigte es fachmännisch, auf dem Display erschien Tommy Haas, der Tennisspieler. Es lief ja der Tiebreak, zweiter Satz, den ersten hatte Haas schon 6:3 gewonnen, nun führte er 5:2 bei eigenem Aufschlag.

Kroos, 23, spürte: Vielleicht war das die letzte Gelegenheit, um eine digitale Aufschlagstudie von Haas, 35, in München anzufertigen. Klick. Gutes, weil womöglich bald wertvolles Foto. Philipp Kohlschreiber durfte noch einmal servieren, dann hieb er den Ball ins Netz, das Spiel war aus und Tommy Haas ließ sich mit dem Rücken in den Sand fallen, die Fäuste gen Himmel.

Zehn Anläufe hatte Haas unternommen, um dieses Turnier der kleinen 250er-Kategorie der ATP zu gewinnen. Als Toni Kroos zehn Jahre alt gewesen war, im Jahr 2000, hatte er mal das Finale erreicht und gegen Franco Squillari aus Argentinien verloren. Aber nun, auf der Höhe seines Schaffens, war er mit nur einem Satzverlust durch das Turnier spaziert.

In 58 Minuten hatte er Deutschlands Nummer drei, Florian Mayer, im Viertelfinale besiegt, in zwei Sätzen hatte er den zähen Kroaten Ivan Dodig im Halbfinale ausgeschaltet und nun also auch noch Philipp Kohlschreiber, den zweitbesten deutschen Tennisprofi - mit 6:3, 7:6 (3) in 82 Minuten abgefertigt. Es folgte eine verdiente Siegerehrung.

"Die letzten 14, 15 Jahre haben schon Spaß gemacht, aber das ist jetzt ein großartiges Gefühl, ich hoffe Philipp ist nicht zu böse", sprach Haas. Und Kohlschreiber sagte: "Am liebsten würde man nun auf Amerikanisch nur 'beep, beep, beep' machen", womit er wohl meinte: Gerne würde er eine zensurwürdige Aussage tätigen. Aber dann gratulierte er doch noch artig.

Dem 14. Titel in der schier endlosen Karriere des Tommy Haas war ein denkwürdiges Finale vorausgegangen. Nicht so sehr, weil es ausgeglichen gewesen wäre. Oh, nein. Wie ein erfahrener Chirurg, der seit 20 Jahren nichts anderes zu erledigen hatte, als mit dem Skalpell die immergleichen Schnitte zu setzen, hatte Haas seine Breaks passgenau platziert: Im ersten Satz zum 3:1 ("Das Break hat Philipp mir geschenkt, ich hab einfach nur die Returns reingemacht"). Und dann gleich im ersten Spiel des zweiten Durchgangs, um Kohlschreiber seiner womöglich aufkeimenden Motivation zu berauben.

Nur eine Schwächephase erlaubte sich Haas, als er bei 5:4 zum Matchgewinn servieren musste. "Mensch Kohli, wach up!", rief ein Scherzbold im Stadion, dann wachte Kohli zwar nicht nachhaltig auf, aber Haas unterlief sein einziger Doppelfehler des Tages und der Gegner rettete sich in den Tiebreak. Denkwürdig war das Finale vielmehr deshalb, weil erstmals seit 48 Jahren wieder zwei Deutsche in München aufeinandertrafen.

Aber Haas gegen Kohlschreiber, das war doch auch, richtig: Das Aufeinandertreffen der beiden maßgeblichen Stinkstiefel beim ewigen Zoff in der deutschen Davis-Cup-Mannschaft, der im vergangenen Spätherbst damit endete, dass der Vertrag von Teamchef Patrik Kühnen nicht verlängert wurde. Und begonnen hatte er einst beim Länderspiel gegen Argentinien im Februar 2012, als Haas öffentlich den Gesundheitszustand von Kohlschreiber infrage stellte, der sich für die Partie krank gemeldet hatte.

Dabei erhielt er Unterstützung von Patrik Kühnen, der wiederum hier in München seit Jahren schon eine Anstellung als Turnierdirektor hat und die Partie beobachtete. Kann man das ausblenden? Man kann es nicht ausblenden. Man kann allenfalls probieren, es zu überspielen, und beide haben das versucht.

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Herr Haas, wie ist Ihr Verhältnis zu Philipp Kohlschreiber? "Okay", sagte Haas am Samstag, "wir respektieren uns als Athleten und Tennisspieler." Ah, alles klar, als Mensch also eher weniger. Herr Kohlschreiber, wie gehen Sie mit Tommy um inzwischen? "Man sagt hallo, wenn man sich auf der Anlage trifft und tauscht Nettigkeiten aus", so sprach Kohlschreiber vor dem Finale. Herzerwärmendes war nicht zu vernehmen. Auch vor dem Spiel, als sie sich am Netz begegneten, blieb der Handschlag aus. Sie nickten sich kurz zu, dann legten sie los. Zweimal waren sie sich seit dem Streit begegnet: In Halle gewann Haas, in Wimbledon Kohlschreiber.

Natürlich ist Haas in München auch mit seiner ewigen Comeback-Geschichte ein wenig auf den Nerv gegangen. Wobei er selbst am wenigsten etwas dafür kann. Er wird nur ständig danach gefragt. Die Menschen interessieren sich für nichts so sehr wie für sein Alter, seine Tochter Valentina (die nun alt genug ist, um ihm endlich beim Tennis zusehen zu können) und die Zeit, die Haas als Profi noch verbleiben wird.

Nüchtern betrachtet sieht es so aus: Vor zwei Jahren war Haas hier in München mit einer Wild Card auf den Platz zurückgekehrt, er spielte direkt ordentlich. Dann, weil sein Körper zum ersten Mal in seiner Karriere von Verletzungen verschont geblieben war, wurde Haas immer besser. 2012 in Halle besiegte er Roger Federer im Finale, er spielte weiter gut, ehe er kurz vor seinem 35. Geburtstag den Weltranglistenersten Novak Djokovic besiegte. Und nun hat er sich also seinen "kleinen Traum" erfüllt, den Sieg in München.

Tommy, planst du wirklich weiter nur kurzfristig? "Ja, weiter nur kurzfristig." Man sollte ihm das einfach mal glauben. Auch wenn es schade ist, weil er niemals besser war. Und mittelfristig ist Haas nun wieder die Nummer 13 der Welt.

© SZ vom 06.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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