Davis-Cup-Chef Arriens über Haas:Djokovic? "Tommy ist der komplettere Spieler"

Tommy Haas Tennis Miami

Spielt das beste Tennis, seit es Tommy Haas gibt: Tommy Haas.

(Foto: dpa)

Fast 35 Jahre alt und vielleicht in der Form seines Lebens: Tennisprofi Tommy Haas rauscht durch das topbesetzte Turnier in Miami, besiegt sogar den Weltranglistenersten Novak Djokovic. Davis-Cup-Teamchef Carsten Arriens erklärt die wundersame Form seines ältesten Profis.

Von Carsten Eberts

Gleich morgens nach dem Aufstehen geht Carsten Arriens ins Internet. Er muss nachschauen, was Tommy Haas in der Nacht fabriziert hat. Der neue Davis-Cup-Teamchef ist derzeit in Frankfurt, Haas spielt Tennis in Miami. Die Nacht-Sessions im Livestream auf der ATP-Homepage tut sich Arriens nicht an. Aber gleich morgens treibt es ihn auf die Ergebnisseiten.

Was Arriens dort sieht, nötigt ihm größten Respekt ab. Macht ihn bisweilen sprachlos. Erst der Sieg gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic, dann der Erfolg gegen den Franzosen Gilles Simon, gegen den Haas zuvor meist Probleme hatte. Zwei klare Siege, ohne Satzverlust. Arriens sagt: "Tommys Leistung kann man gar nicht hoch genug einschätzen."

Zur Erinnerung: Haas' Karriere stand bereits kurz vor dem Aus. Nach seiner schweren Hüft-Operation 2010, die ihm eine 15-monatige Pause einbrachte, haderte er selbst, ob ein Comeback in diesem Alter noch Sinn macht. Jetzt ist er fast 35 Jahre alt. Und spielt das beste Tennis seines Lebens.

In Miami könnte für Haas nun sogar der Turniersieg drin sein. So souverän tritt der Deutsche bislang auf. "Wenn er körperlich fit bleibt, steuert er klar auf die Top Ten zu", glaubt der Bundestrainer. Nicht schlecht für einen Mittdreißiger, der seine Karriere fast schon beendet hatte.

Haas selbst zeigt sich überrascht über seinen Lauf. Er hat schließlich auch die anderen Seiten seines Sports kennengelernt. Umso besser tut der Erfolg. Nach dem Sieg gegen Djokovic musste er unzählige Glückwunsch-SMS und E-Mails beantworten. Vor dem Halbfinale am Freitag gegen den Spanier David Ferrer sagt er: "Ich habe zwar nicht mehr den Körper eines 20-Jährigen. Aber hungrig auf Siege bin ich immer noch wie ein Newcomer."

An diesen Punkt kommt auch Arriens, wenn er Haas' Höhenflug zu erklären versucht. Für den Davis-Cup-Chef ist es vor allem eine Sache des Kopfes. Wie Haas im fortgeschrittenen Alter trainiert, in seinen Körper hineinhorcht, sich akribisch auf die Matches vorbereitet. "Tommy hat eine andere Denkweise als viele Spieler", sagt Arriens, "an seiner Einstellung können sich viele Top-Ten-Spieler etwas abschauen."

Djokovic hat großen Respekt

Arriens gerät nun richtig ins Schwärmen. Seit Anfang 2013 ist der frühere Tennisprofi neuer Bundestrainer. Er übernahm das deutsche Team in keinem sonderlich guten Zustand, gegen Argentinien setzte es gleich eine 0:5-Niederlage (ohne Haas). Viele positive Neuigkeiten hatte er bislang nicht zu vermelden. Doch nun kehrt sein Routinier zurück. Im Grunde sei es sogar zu erklären, dass Haas gegen Djokovic gewinnen konnte, findet Arriens: "Weil Tommy der komplettere Spieler ist."

Kompletter als Djokovic? Ja, versichert der Bundestrainer. Natürlich sei Djokovic sehr spezialisiert in seiner Kunst. Die krachenden Cross-Returns, sein starker erster Aufschlag, der unbändige Siegeswille. "Die Dinge, die er kann, macht er überragend", sagt Arriens. Haas habe jedoch die größere Schlagauswahl. Sein hervorragender Slice, der deutlich bessere zweite Aufschlag, die häufigen Tempowechsel im Spiel. "Tommy hat mehr Raffinesse, mehr Repertoire", sagt Arriens.

Auch Djokovic zollte seinem Gegner großen Respekt. Haas habe "großartig gespielt", sagte der Weltranglistenerste nach dem glatten 2:6, 4:6. Richtig schlecht war der Auftritt von Djokovic an diesem Tag nämlich nicht. Haas war einfach besser. Arriens glaubt, dass Djokovic an dieser Niederlage zu knabbern hat. Jeder auf der Tour wisse schließlich, wie alt Haas mittlerweile ist. "Das wurmt die Topspieler schon", sagt Arriens, "gegen ihn will keiner verlieren."

Auf eine Reaktion hofft Arriens auch von den anderen deutschen Spielern. Wenn sie sehen, was Haas in Miami leistet. Der Davis-Cup-Teamchef muss erkennen, dass seine jüngeren Profis derzeit kaum Fortschritte machen. Hoffnung gibt Tobias Kamke, der in Miami den Argentinier Juan Manuel del Potro überraschend besiegte, dann aber gegen den Österreicher Jürgen Melzer verlor. Philipp Kohlschreiber hingegen scheiterte bereits in seinem Auftaktmatch,. "Tommys Leistungen sollte ein Anreiz sein", sagt Arriens, "für alle anderen deutschen Profis."

Im September trifft sich das deutsche Davis-Cup-Team wieder, der Gegner steht noch nicht fest. Haas hat sich bislang nicht geäußert, ob er dabei sein wird. Er selbst wird entscheiden, wie fit er ist - und ob er seinem Körper die Mehrbelastung zumuten will. Am kommenden Mittwoch wird Haas 35 Jahre alt.

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