Dimitrij Ovtcharov:Lohn für den Hyperfleißigen

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Bald Nummer eins der Welt: Dimitrij Ovtcharov (Archivbild). (Foto: Sergei Ilnitsky/dpa)
  • Im Januar übernimmt Dimitrij Ovtcharov Platz eins der Tischtennis-Weltrangliste.
  • Nun will er auch das Finalturnier der World Tour gewinnen.

Von Ulrich Hartmann, Astana/Düsseldorf

Ein Erstrundensieg mit titelreifem Jubel ist eine neue Erfahrung für den Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov. Am Freitag um 16.16 Uhr Ortszeit in der kasachischen Hauptstadt Astana gewann der 29 Jahre alte Wahl-Düsseldorfer sein erstes Match beim Finalturnier der World Tour und hatte nach spontanem Jubel gar Tränen in den Augen. Der 4:3-Sieg gegen den Japaner Koki Niwa machte diesen 15. Dezember 2017 zu einem historischen Tag für den gebürtigen Ukrainer Ovtcharov und fürs deutsche Tischtennis.

Wenn Anfang Januar die neue Weltrangliste des Tischtennis-Weltverbands erscheint, dann nimmt der seit seinem vierten Lebensjahr in Deutschland beheimatete Ovtcharov erstmals die Führung ein. Das gelingt ihm als zweitem Deutschen nach Timo Boll, der 2003 und 2011 insgesamt drei mal Bester im globalen Ranking war. Erst am Donnerstag war Boll, 36, erstmals zum "Welt-Tischtennisspieler" des Jahres gekürt worden. Das Saisonfinale der Branchenbesten in Astana ist schon jetzt ein Triumphzug fürs deutsche Tischtennis.

Ovtcharov gewann nicht nur die China Open und German Open

Ausgerechnet der Japaner Koki Niwa hatte Ovtcharov in 2017 die bitterste Niederlage beigebracht. Bei der Heim-WM in Düsseldorf war Ovtcharov schon im Achtelfinale an dem 23-Jährigen gescheitert. Doch es sollte die einzige Schmach bleiben. Im Laufe des Jahres gewann Ovtcharov nicht weniger als sechs Turniere, darunter die China Open, die German Open und den renommierten World Cup. Mit seinem russischen Klub Fakel Orenburg gewann er die Champions League im Endspiel gegen Timo Bolls Verein Borussia Düsseldorf - und mit Boll zusammen wurde er im Herbst Mannschafts-Europameister.

Dimitrij Ovtcharov
:Ovtcharov wird Nummer eins der Tischtennis-Welt

Ab Januar führt der deutsche Tischtennis-Profi die Weltrangliste an. Er lässt alle Chinesen hinter sich, das war zuletzt Timo Boll 2011 gelungen.

Ein Jahr wie gemalt für den Vater einer kleinen Tochter, der von seinem Vater Mikhail, dem Bundestrainer Jörg Roßkopf und dem früheren schwedischen Spitzenspieler Jörgen Persson trainiert wird. Er genießt in der Branche höchste Anerkennung, weil sein enormes Trainingspensum sogar den hyperfleißigen Chinesen Respekt abringt. Genau dieses Pensum ist es, verbunden mit einem pathologisch anmutenden Studium der Konkurrenten, das Ovtcharov auf eine Stufe mit dem eigentlich talentierteren Boll gebracht hat.

2010 erlebte Ovtcharov seine schwerste Krise. Er musste einen Dopingverdacht ausräumen, nachdem er in China offenbar mit Clenbuterol verseuchtes Fleisch gegessen hatte. Seither isst er in China nur noch Fisch und Gemüse. Auch da ist er streng mit sich selbst.

Der Olympia-Dritte von 2012 und fünfmalige Champions-League-Sieger hat mit seinem bevorstehenden Sprung auf Platz eins seine Ziele beim World-Tour-Finalturnier aber noch nicht abgearbeitet. Die Nummer eins der Setzliste will nun den Titel, er erreichte mit einem Sieg über den Chinesen Lin Gaoyuan am Samstag das Finale, der an zwei gesetzte Boll schied hingegen gegen Doppelweltmeister Fan Zhendong aus China aus. Damit verhinderte Fan Zhendong das sechste relevante Endspiel zwischen den beiden Deutschen in diesem Jahr: Vier hat Ovtcharov gewonnen (China Open, Champions League, World Cup, German Open) - eines Boll (T2-Apac-Serie).

"Ich danke meiner Mama und meinem Papa, die mir das Tischtennisspielen beigebracht haben", sagte Ovtcharov gerührt. Das klang nicht nur ein bisschen wie bei der Oscarverleihung, es fühlte sich für ihn auch so an. "20 Jahre habe ich darauf hingearbeitet", bekannte Ovtcharov überwältigt.

Für ihn selbst war freilich eher zweitrangig, dass erstmals seit sieben Jahren (damals Boll) wieder ein Spieler Weltbester ist, der nicht aus China stammt. 35 Monate am Stück hatte zuletzt Weltmeister und Olympiasieger Ma Long die Ranglistenspitze besetzt. "Es ist wichtig für das Tischtennis allgemein, dass wieder etwas Abwechslung hineinkommt", findet Bundestrainer Roßkopf. Der Doppel-Weltmeister von 1989 (zusammen mit Steffen Fetzner) würdigt Ovtcharovs Sprung an die Weltspitze, nimmt ihn aber zugleich in die Verantwortung, die großen Chancen seiner Karriere weiter auszuschöpfen. "Am Ende geht es um Titel", sagt Roßkopf, "und die werden bei der Weltmeisterschaft und bei Olympia vergeben."

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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