Tennis:Er will jetzt mit den Großen spielen

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Besiegte den Südafrikaner Kevin Anderson im Finale von Washington: Alexander Zverev (Foto: AP)
  • Alexander Zverev gewinnt in Washington sein viertes Turnier in diesem Jahr. Er schlägt im Finale den Südafrikaner Kevin Anderson.
  • Erst ist auf Position acht der Weltrangliste vorgerückt. Außerdem hat er mit Juan Carlos Ferrero einen weiteren Trainer verpflichtet.
  • Die Tennisszene prophzeit ihm eine große Karriere. Bei den US Open will er den nächsten Schritt machen.

Von Gerald Kleffmann, Washington/München

Da stand Alexander Zverev, Wuschelmähne, Spitzbubengrinsen, das Mikrofon in der Hand, und eroberte die Sympathien des Publikums. Spielerisch hatte er das zuvor getan. Der Reihe nach würdigte er Finalgegner Kevin Anderson; den Südafrikaner hatte er beim 6:4, 6:4 teils wie ein Lehrer beherrscht. Dann schmeichelte er den Sponsoren, der Turnierdirektorin - die einzige Frau in dieser Funktion auf der Männertour ATP -, den Ehrenamtlern, schließlich ging er sein Team durch. Er dankte Physio Hugo Gravil; Fitnesscoach Jez Green, der abwesend war; seinem neuen zweiten Coach, dem früheren spanischen Grand-Slam-Champion Juan Carlos Ferrero. "Was für ein Start für uns", sagte Zverev, ehe er überleitete zu den Eltern. Mutter Irina, die das Hündchen Lövik auf ihrem Schoss sitzend streichelte, lächelte, während Vater und Coach Alexander vom Spross gehuldigt wurde: "Er hat zwei Söhne in den Top 25 der Weltrangliste ... mit zwei komplett unterschiedlichen Spielstilen." Er bezog sich auf Mischa, den zehn Jahre älteren Bruder. Letztlich herzte er noch mal die Turnierdirektorin. Es dauerte nicht lange, da setzte die Resonanz im Internet ein. Es gab keinen, der sich zu diesem Auftritt nicht begeistert äußerte.

"Sascha Zverev strahlt Weltstar aus", das hatte mal Lars Uebel, der Profitrainer des Bayerischen Tennis-Verbandes, dem Portal Tennisnet.com gesagt, und wie der immer noch erst 20 Jahre junge Zverev diese Rolle scheinbar mühelos fortentwickelt, führte er in der vergangenen Woche eindrucksvoll vor. Als er bei dem früheren Tennisprofi und heutigen Fernsehkommentator Justin Gimelstob zum Gespräch saß, korrigierte er ihn lässig, er sei nicht Elfter der Weltrangliste, sondern schon Achter, also tief in den ruhmreichen Top Ten. Selbst die Experten kommen bei dem Tempo nicht mit, mit dem er aufsteigt. "Lerne deine Statistik", mahnte Zverev frech an, und Gimelstob, gewöhnlich selbstbewusst wie ein Oligarch, nickte unterwürfigst. Mit einer möglichen Nummer eins, einem möglichen Dauer-Champion, will es sich keiner verscherzen. Anderson hatte nach der Endspielniederlage wie so viele vor ihm versichert: "Ich wäre nicht überrascht, wenn Alexander ein paar Grand-Slam-Titel gewinnt." Zverev ist zweifellos in der Spur auf dem Weg dorthin, ohne Abzweigungen.

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:Alexander Zverev feiert Turniersieg in Washington

Unter seinem neuen Trainer Juan Carlos Ferrero ist der Deutsche sofort erfolgreich. Gina Lückenkemper verpasst 100-Meter-Finale. Kugelstoßer David Storl enttäuscht im Finale.

Der neue Trainer staunte über Zverevs Disziplin, gleichwohl fand er Ansätze für Korrekturen

In Washington (wo Julia Görges beim Frauenturnier erst im Finale der Russin Jekaterina Makarowa 6:3, 6:7, 0:6 unterlag) gewann Zverev sein fünftes ATP-Turnier, bereits das vierte dieser Saison - nur der über allen schwebende Roger Federer ist bislang erfolgreicher, mit fünf Titeln in diesem Jahr. Erstmals siegte er auch bei einem Turnier der 500er-Kategorie. Bei den kleineren 250er-Turnieren in Montpellier und München hatte er schon reüssiert. Und er war in Rom der erste Sieger eines 1000ers in dieser Saison, der nicht Federer oder Rafael Nadal hieß. "Es ist ein fantastisches 2017", sagte Zverev dem ATP-eigenen TV-Sender, "aber es ist noch nicht vorbei." Seine Augen leuchteten dabei so sehr, als sei er bereit, allein und ohne Sauerstoffflasche den Mount Everest zu besteigen.

Und er ist ja auch bereit für den nächsten Schritt. "Wir sagen immer, jedes Match, das ich verliere, da lerne ich", hatte er nach seinem Achtelfinal-Aus in Wimbledon erklärt, als er immerhin erstmals bei einem Grand Slam die zweite Woche erreicht hatte. "Das besprechen wir seit drei Jahren - langsam habe ich keine Lust mehr zu lernen!" Zverevs voluminöses Spiel - Power-Aufschläge, ein Rückhandsound wie ein Harfenklang, Spielintelligenz in höchsten Maßen - haben ihn so weit gebracht. Aber vor allen Zutaten, aus denen der 1,98- Meter-Hüne besteht, steht sein einzigartiger Ehrgeiz. Er leitet ihn, treibt ihn an.

Zverev will lernen, das schon, aber nicht mehr, um schlauer zu werden und das Beste aus Pleiten zu machen. Er will einzig erfolgreich sein. Daher folgt sein Team, feinsinnig im Hintergrund justiert vom Vater, einem klaren Plan: jede Saison eine neue Etappe, eine Entwicklung nach vorne. In den vergangenen Jahren stand der körperliche Aufbau im Vordergrund. Beim Münchner Turnier hatte Zverev betont, sein Vater werde lebenslang sein Coach bleiben, aber er könne sich jetzt einen zweiten Experten an der Seite vorstellen. Für den nächsten Schritt. Er will jetzt mit den Großen spielen, um große Titel. Ferrero ist diese erste extern angeheuerte Kraft geworden, der zurückhaltende 37-Jährige war mal die Nummer eins, hat in Alicante eine Akademie aufgebaut und soll Zverev ins 8000er-Gebirge führen. Eigentlich wollte er nicht mit einem Einzelspieler umherreisen, wie die ATP berichtete, aber als Zverev anfragte, sagte er zu. Einer möglichen Nummer eins abzusagen, wäre verrückt gewesen.

Ferrero staunte, wie hart Zverev trainierte, wie diszipliniert er alles durchzieht, gleichwohl fand er Ansatzpunkte für Korrekturen. "Seine Haltung auf dem Platz ist manchmal schwankend", erklärte er kürzlich, "er muss seine Emotionen auf dem Platz kontrollieren, aber Tag für Tag." Ob Zverev weniger oft den Schläger wirft und zerhackt, bleibt abzuwarten, aber solange er spielt wie in Washington, droht ohnehin nicht, dass er die Beherrschung verliert. "Ich habe gezeigt, dass ich mit den Großen schon in diesem Jahr mitspielen kann und nicht erst in der Zukunft", sagte Zverev jetzt. Das klang nicht überheblich. Es war einfach nur ein realistisches Urteil.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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