Tennis:Begehrte Tipps von Boris Becker

Tennis: Schon länger TV-Experte und künftig auch "Head of men's Tennis" beim DTB: Boris Becker.

Schon länger TV-Experte und künftig auch "Head of men's Tennis" beim DTB: Boris Becker.

(Foto: AP)
  • Boris Becker kehrt nach 17 Jahren zum Deutschen Tennis Bund zurück - er wird "Head of men's Tennis".
  • Becker wird das gesamte Männertennis im Blick haben - und auch das Training der Nachwuchsspieler an den Leistungsstützpunkten des DTB koordinieren.
  • Das Engagement gilt nicht als Geste der Barmherzigkeit gegenüber Becker, der zuletzt wegen finanzieller Schwierigkeiten in den Schlagzeilen war.

Von Philipp Schneider

Gut, der Titel ist vielleicht etwas arg gewollt. Wohl auch gewöhnungsbedürftig. Head of men's Tennis - Kopf des deutschen Männertennis. Was soll das sein? Ein großer gelber Ball, ein Arm links, ein anderer rechts, irgendwo ein Schläger - und oben drauf sitzt das Gesicht von Boris Becker?

Andererseits, irgendwie muss man es ja nennen, jenes Amt, das Becker nun beim Deutschen Tennis Bund (DTB) übernehmen wird. In seiner konkreten Ausgestaltung gab es dieses Aufgabenfeld vorher wohl noch nicht. Becker wird ja nicht Chef des deutschen Davis-Cup-Teams werden. Der ist, zumindest bis Jahresende, weiter Michael Kohlmann.

Und Teamchef war Becker ja auch schon mal, ehe er im Jahr 1999 von dem Amt etwas genervt zurücktrat, weil er sich mit dem damaligen DTB-Sportwart Dirk Hordorff in allerlei Debatten verstrickt und im Kern in der Frage darüber überworfen hatte, wer die Macht über den Profisport haben sollte in Tennisdeutschland. Der öffentlich ausgetragene Streit bekam beiden nicht gut, weder dem ehemaligen Weltklasseprofi Becker, der bald 50 wird, noch dem schon damals gewieften Funktionär Hordorff, 61, der sein Amt niederlegte, inzwischen aber Karriere gemacht hat als Vizepräsident des DTB.

Eine zeitlich gut platzierte Personalie

"Sandkastenspiele auf hohem Niveau" seien das damals gewesen, sagt Hordorff heute. Mit Becker hat er sich längst ausgesöhnt. Und es war seit Monaten ein offenes Geheimnis im Umfeld des DTB, dass Hordorff hinter den Kulissen aktiv um Beckers Dienste warb. Wenn also Becker an diesem Mittwoch im Frankfurter Römer zum ersten Mal seit fast 17 Jahren wieder eine Pressekonferenz als Angestellter des DTB geben wird, dann ist das sicher keine Sensation, sondern zunächst einmal eine für alle Seiten erfreuliche Nachricht, an der allein der frühe Zeitpunkt überraschen mag.

"Da ist was am Machen!" - mit dieser herrlich unmissverständlichen Ansage hatte Becker selbst am Rande der Davis-Cup-Partie gegen Belgien im Februar ausgeplaudert, dass er sich in Job-Gesprächen mit dem DTB befände. Allein bezüglich seiner "Rolle", sagte Becker damals, sei "noch nicht zu Ende diskutiert, was das ist". Ein Vorstoß, der damals in etwa so überraschend war wie einer dieser Becker-Hechts in den roten Sand. Der überrumpelte Verband verschickte schnell eine relativierende Pressemitteilung ("grundsätzlich immer an der Expertise von Boris Becker interessiert"), Hordorff und Becker verhandelten im Hintergrund fleißig weiter, einigten sich erstmals grundlegend am Rande der French Open - und fanden schließlich jene Rolle für Becker, mit der beide Seiten gut leben können: Head of men's Tennis.

Dieser Titel ist vor allem in Abgrenzung zu verstehen zu einem weiteren Amt, das der DTB neu geschaffen hat, das aber in Anbetracht der Rückkehr von Deutschlands bekanntestem (wenngleich längst nach England emigrierten) Tennisbotschafter in den Schoß seines Heimatlands vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erregt: Barbara Rittner, bislang Chefin des Fed-Cup-Teams, wird zum "Head of women's Tennis" ernannt - und so Beckers Pendant im Frauentennis. Ihr Nachfolger als Trainer des Frauenteams soll ebenfalls am Mittwoch präsentiert werden: Jens Gerlach, 44, der die Russin Anastasia Myschkina 2004 als Trainer zum Titel bei den French Open führte und schon als "Headcoach Damen" beim schweizerischen Tennisverband angestellt war.

Man kann sich kaum erinnern, dass der DTB in seiner Geschichte mal eine Personalie zeitlich ähnlich gut platziert hat wie nun diese Verpflichtung von Becker. Die Frage ist allein, wer mehr von der Nachricht profitiert: Becker, der sich zuletzt vornehmlich wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten in der öffentlichen Debatte halten konnte? Oder aber der DTB, der ja nach der Regentschaft seines irrlichternden Präsidenten Karl-Georg Altenburg in den vergangenen Jahren immer mehr zur Ruhe findet? Eine Ruhe, die zweifelsfrei vor allem mit einem schon länger währenden Burgfrieden im Davis-Cup-Team zu erklären ist.

Becker soll seine Aufgaben selbst festlegen können

Beckers Rolle als Kopf des Männertennis sei nicht final definiert, sagt Hordorff, der der Pressekonferenz in Frankfurt nicht vorgreifen wollte. Allerdings wird die Rolle zweifelsfrei weit über die Aufgaben etwa von Niki Pilic hinausgehen, der zuletzt als Berater des Davis-Cup-Teams beschäftigt war. Becker wird das gesamte Männertennis im Blick haben - und auch das Training der Nachwuchsspieler an den Leistungsstützpunkten des DTB koordinieren. Er lege seinen Aufgabenbereich "selbst fest", sagt Hordorff. Es sei nicht so, "als hätte er einen festgelegten Tagesplan".

Becker, der neue Kopf, soll schweben über den Strukturen. Aus dem Mannschaftskreis war zu erfahren, dass Spieler und Verband vor allem auf Synergien hoffen: Becker wird ja weiterhin als TV-Experte arbeiten. Und wenn er in dieser Funktion ohnehin schon bei allen wichtigen Grand-Slam-Turnieren anwesend sein wird, kann er dann nicht gleich dem 20-jährigen Alexander Zverev und allen übrigen noch im Wettbewerb stehenden Spielern ein paar Tipps geben? Beckers Expertise ist in der Mannschaft schon länger geschätzt.

Nicht erst seit seinem schillernden und erfolgreichen Engagement als Trainer von Novak Djokovic - den er unter anderem zu seinem seit Ewigkeiten fehlenden Titel in Roland Garros führte. Auch zu Philipp Kohlschreiber und dessen Trainer Stephan Fehske unterhält Becker schon länger ein freundschaftliches Verhältnis. Nun soll von Beckers Wissen auch der jüngere Zverev-Bruder profitieren, der sich inzwischen vom ehemaligen Weltranglistenersten Juan Carlos Ferrero betreuen lässt und nach fünf Turniersiegen in diesem Jahr bis auf Weltranglistenplatz sechs vorgestoßen ist.

"Ich würde ihn mit offenen Armen aufnehmen", hatte Zverev im Februar gemeint, als ihm zugetragen wurde, dass da was am Machen sei zwischen Becker und dem DTB. Ein halbes Jahr ist das her. Seither haben sich Welten verschoben in Tennisdeutschland. Zverev stand noch auf Platz 22 der Weltrangliste. Und wohl nur Beckers engem Umfeld war bekannt, welche Summe der dreimalige Wimbledon-Sieger an Schulden angehäuft hatte.

Dem Vernehmen nach sollen am Mittwoch Fragen zu Beckers finanzieller Situation nicht beantwortet werden. Es ist ja auch so: Interessiert war der DTB nachweislich schon vorher an Becker, als Geste der Barmherzigkeit ist sein Engagement also garantiert nicht zu begreifen.

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