Teamchef von Ferrari:Vernarrt ins Schachspielen

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Maurizio Arrivabene: Sitzt auch schon mal im Publikum (Foto: dpa)
  • Über den Kampf zurück ins Spiel: Teamchef Maurizio Arrivabene soll Ferrari mit Sebastian Vettel wieder in glorreiche Zeiten führen.
  • Der Marketingexperte setzt dabei auch auf ungewöhnliche Methoden.
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Von Elmar Brümmer, Shanghai/München

Es sind neue Farben im Spiel in Maranello. Sich dem Herzblut-Rot von Ferrari bei großen Anlässen zu verweigern, dazu gehört schon etwas beim Traditionsrennstall der Formel 1. Maurizio Arrivabene, der dritte Mann innerhalb eines Jahres auf dem Schleudersitz des Teammanagers, tritt gern im grell orangefarbenen Pullover auf, das passt zu seinem starken Charakter. Vergangene Woche trug der 58-Jährige eine lichtblaue Weste. Das war besonders auffällig, weil er in einem roten Meer von Ferrari-Mitarbeitern in der Rennabteilung stand.

Nach dem Triumph beim Großen Preis von Malaysia, bei dem Sebastian Vettel die Ferraristi nach fast zwei sieglosen Jahren erlöst hatte, waren der Teamchef und sein Paradefahrer nach Maranello geflogen. Am Werkstor wurden sie von einer großen Flagge empfangen. Diese zu hissen, hat Tradition nach Erfolgen auf der Rennstrecke. Vettel und Arrivabene waren dennoch berührt: Es war der erste Sieg für das Duo - im zweiten gemeinsamen Rennen.

Eine SMS aus dem Hause Schumacher rührt zu Tränen

Vettel schoss mit dem Smartphone Bilder von der Mannschaft und der Trophäe, die auf der improvisierten Bühne mitten in einem Werkstattgebäude stand. Vettel beklatschte die Daheimgebliebenen, die beklatschten Vettel, Arrivabene beklatschte alle zusammen. Aus Respekt, aus Dank, aus Leidenschaft. "Ich will einer von Euch sein, nicht mehr und nicht weniger", sagte Vettel - und er blickte in ein Auditorium voller gereckter Fäuste.

Über den Kampf zurück ins Spiel, das ist die Taktik, die auch Arrivabene bevorzugt, der seit drei Jahren im Vorstand des Fußballvereins Juventus Turin sitzt. Das aufkeimende Duell mit Mercedes, dessen Qualität sich an diesem Wochenende beim Großen Preis von China bestätigen muss, soll erst der Anfang sein. Der Titel soll her. So schnell wie möglich.

Arrivabene, Vettel und Firmenpräsident Sergio Marchionne bilden ein Trio, das die Fährte von Jean Todt, Ross Brawn und Michael Schumacher aufnehmen kann und auch schon aufgenommen hat. Dass Schumachers Managerin Sabine Kehm im Namen der Familie des einstigen Rennfahrers eine Glückwunsch-SMS nach Malaysia schickte, hat Arrivabene besonders aufgewühlt. Als er sie empfing, kämpfte er mit den Tränen.

In der kurzen Biografie des Grau- melierten steht etwas von einem abgebrochenen Studium. In charmantem Englisch sagt Arrivabene dazu, dass das Leben an sich und das Wirken im Tabakkonzern Philip Morris die beste Universität gewesen sei -, und dass er sich glücklich schätze, in Marchionne einen wahren Lehrer als Chef zu haben, einen harten dazu: "Er ist sehr direkt, sehr stark und sehr strategisch."

Marchionne wiederum hatte sich den Marketingexperten aus Madonna di Campiglio für das Großreinemachen bewusst ausgeguckt: Arrivabene war jahrzehntelang das Bindeglied zwischen Ferrari, Rennteam und Geldgeber gewesen. Er kennt sich also aus. Und mit seiner italienische Herkunft passt er perfekt ins Profil. Ein Typ, der auch in einem Italo-Western mitspielen könnte: So was hilft tatsächlich bei der Inszenierung im Formel-1-Fahrerlager.

Zwischen Zuschauern auf der Tribüne

Arrivabene ist schlau genug, mit dem Klischee zu spielen. Hinter der coolen Fassade ist er vor allem eines: ein kluger Schachspieler, denn Menschenschach ist das Spiel, das ein Teamchef beherrschen muss. Nach der schlechten Saison 2014 wurden viele Posten umbesetzt. Frisches Blut, neue Ansätze. Arrivabene sagt, dass er sich nie in die Entscheidungen seines Technikchefs James Allison einmischen werde - zumindest so lange die Aufholjagd gut läuft. Bei den Wintertestfahrten setzte er sich auch mal zwischen die Zuschauer auf eine Tribüne, um eine andere Perspektive zu bekommen.

Auf das Siegerpodium in Malaysia stieg Arrivabene selbst nicht, er schickte einen Mann aus dem Team. Diese Art vorgelebter Demut - eine Tugend, die er übrigens an Vettel sehr schätzt - prägt auch Arrivabenes Führungsstil: "Das Wichtigste ist es, den Leuten eine Richtung zu geben."

Das Projekt Rückkehr an die Spitze hat im ersten Jahr mehrere Ziele: Ein Sieg war Pflicht, zwei Siege wären schön, drei perfekt. Und wenn der Plan übererfüllt werden sollte? "Beim vierten Sieg laufe ich barfuß auf die Hügel von Maranello", sagt Maurizio Arrivabene. Vettel sagt zum Rennen in Shanghai: "Jetzt geht es erst richtig los." Na denn. Der Name Arrivabene bedeutet übersetzt übrigens: gute Ankunft.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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