Südafrika: Confed-Cup:Erfolg ist, wenn es trotzdem klappt

Lesezeit: 8 min

Groß waren die Zweifel, ob Südafrika die Fußball-WM 2010 ausrichten kann. Beim Confederations-Cup muss sich zeigen, wie es um die Sicherheit im Land steht.

Arne Perras

Es geht um Afrika, aber Danny Jordaan spricht nun doch lieber über die Deutschen. Hatte nicht alle Welt vor der Fußball-WM 2006 gedacht, die Gastgeber seien furchtbar langweilige Leute? Und war dieser Ruf nicht ganz schön ungerecht? Während der WM hätten doch alle mit eigenen Augen gesehen, dass selbst die Deutschen feiern und lachen können, sagt Jordaan. Obwohl ihnen das keiner zugetraut hätte.

Ein Bauarbeiter befestigt ein Plakat am Ellis-Park-Stadion in Johannesburg. Am Sonntag beginnt dort der Confed-Cup - die Generalprobe für die WM 2010. (Foto: Foto: dpa)

Der Mann, der da am großen Konferenztisch über das Bild der Deutschen doziert, organisiert die nächste Fußball-WM in Südafrika. Er zwinkert jetzt auffordernd und macht eine Pause, damit sich jeder die Moral von der Geschichte am besten gleich selbst ausmalt.

Ein Meister der Suggestion

Ungefähr so: Auch Südafrika hat ein Problem mit seinem Ruf. Viele glauben, dass dies ein Land der Räuber und Mörder sei, dass man kaum den Flughafen verlassen könne, ohne gleich erschossen oder vergewaltigt zu werden. In einem Jahr aber wird dieses Land die Fußball-WM ausrichten - und aufräumen mit allen überzogenen Vorurteilen. Wenn die Welt hier erst mal jubelt und feiert, dann wird sich das Bild von Südafrika schon gründlich wandeln. Denn dann könnten alle erleben, welch ein fröhliches Völkchen sie doch seien - gastfreundlich, herzlich und durchaus fähig, ihre Gäste vor Verbrechen und Gewalt zu schützen.

Jordaan ist ein Meister der Suggestion. Fürchtet euch nicht, predigt er den Fußballjüngern in aller Welt. Kommet nur alle herbei. Noch weiß man nicht so recht, ob die gewagte Deutschland-Parallele, die Jordaan seinen Zuhörern ins Gehirn pflanzt, die Lage wirklich trifft. Aber vielleicht ist die Welt nach den kommenden zwei Wochen ja etwas schlauer. Denn Südafrika hat nun endlich die Chance, seine WM-Tauglichkeit in einem Testlauf unter Beweis zu stellen.

Am Sonntag um 16 Uhr wird mitten in Johannesburg der Confederations-Cup angepfiffen. Das Großturnier gilt als Generalprobe für die Fußball-WM 2010. Vom 14. bis zum 28. Juni werden acht Mannschaften aus aller Welt durch die Stadien Südafrikas wirbeln. Das sind die Meister der Kontinentalverbände, also Spanien, USA, Brasilien, Ägypten, Irak und Neuseeland; dazu kommen Weltmeister Italien und Gastgeber Südafrika.

Eine Schmach für den Kontinent

Superstars wie der Brasilianer Kakà oder der Spanier Torres werden dafür sorgen, dass die Welt bis Ende Juni gebannt auf Südafrika blickt. Das Land muss jetzt zeigen, dass es alles im Griff hat. Wenn der Testlauf glückt und Südafrika als Organisator glänzt, wird das die Zweifler vielleicht doch noch davon überzeugen, dass es gut und richtig war, die WM 2010 einem afrikanischen Gastgeber zuzuschlagen.

Wenn aber vieles daneben geht, werden die Skeptiker verkünden: Wir haben es doch gleich gesagt! Das wäre eine Schmach, die nicht nur das Kap, sondern den ganzen Kontinent ins Mark treffen würde. Denn Afrikas Stolz ist nun untrennbar mit dieser WM verbunden. Südafrika ist also zum Erfolg verdammt.

Und hier, im Herzen der Metropole Johannesburg, wird es am Sonntag losgehen: Über dem Ellis-Park-Stadion liegt strahlendes Blau, es geht schon auf den südafrikanischen Winter zu, doch die Tage sind immer noch wohlig warm, herrliches Fußballwetter. Die Arena ist nach Wunsch der Fifa aus- und umgebaut worden. Doch nun sei alles fertig, versichert Zack Sejaphala, der die Besucher durch die renovierte Arena führt. Drinnen in der VIP-Lounge kann man sich kurz in eines der dunklen Sofas plumpsen lassen und sich für einen Moment vorstellen, wie es wäre, wenn man Sepp Blatter hieße, einen Drink von der Bar nähme und auf den Anpfiff des Eröffnungsspiels wartete.

Auf der nächsten Seite: Das Schicksal des Fifa-Chefs ist mit dem Ausgang der WM verknüpft - von einem Plan redet er schon länger nicht mehr.

WM-Maskottchen
:Der kleine Torschütze

In Blau-Weiß-Rot gekleidet und mit stylischer Skibrille - Zabivaka ist das offizielle Maskottchen der WM 2018. Der russische Wolf folgt auf das brasilianische Gürteltier - eine Übersicht über die "Spaßmacher" der Vergangenheit.

Noch 2007 hatte der Fifa-Chef für große Aufregung gesorgt. Damals brachte er plötzlich Überlegungen ins Spiel, die WM womöglich zu verlegen, weil die Probleme in Südafrika so gewaltig erschienen. Doch von einem Plan B, der die Südafrikaner damals heftig erzürnte, redet schon länger niemand mehr. Blatter lobt das Land am Kap öffentlich, wo er nur kann. Jetzt wäre ohnehin kaum noch Zeit, die WM zu verlegen. Also geht es dem Fifa-Chef wie dem Gastgeber. Auch er ist zum Erfolg verdammt.

Die Zweifler sind still geworden - auch deshalb, weil Südafrika so fleißig ist. Das Greenpoint-Stadion in Kapstadt soll im Dezember fertig werden. (Foto: Foto: Reuters)

Aber vielleicht sind die Zweifler auch deshalb still geworden, weil Südafrika so fleißig ist und hart an einem Erfolg arbeitet. Das ist gar nicht zu übersehen. In vier Arenen wird der Confederations-Cup gespielt, zur WM 2010 werden es dann zehn sein, in neun verschiedenen Städten. Es gibt kaum noch Zweifel daran, dass die neuen Stadien rechtzeitig fertig werden. Das in Port Elizabeth ist schon eingeweiht, als Letztes wird die Greenpoint-Arena in Kapstadt vollendet - im Dezember, wie Jordaan versichert.

Wo sich Welten aneinander reiben

Allerdings sind die Kosten für den Bau der Stadien explodiert. Offiziell ist davon nicht die Rede, doch nach SZ-Informationen gibt es Schätzungen, dass allein drei Stadien - Port Elizabeth, Kapstadt und Johannesburg - am Ende fast doppelt so teuer sein werden wie geplant. Soccer City, die größte der neuen Arenen mit 90.000 Plätzen, wird am Rande von Johannesburg bis August fertiggebaut. Deshalb wird der Confederations-Cup in Ellis-Park angepfiffen, mitten in der Stadt.

Johannesburg ist ein Ort, an dem sich Welten aneinander reiben, Glanz und Verfall, Reichtum und Elend liegen ganz nah nebeneinander. Auch rund um die Arena Ellis-Park ist dies zu spüren. Gleich hinter den Absperrungen geht es hinein in die Derby-Street, kein sehr einladendes Großstadt-Biotop. Die Gegend wirkt heruntergekommen, Müll fliegt herum, Häuser rotten vor sich hin, dazwischen liegen einige kleine Geschäfte.

Der Supermarkt des Portugiesen hat dichtgemacht. Der Besitzer erzählte schon beim Treffen vor zwei Jahren, dass er lieber in den Kongo umziehe, weil ihm die bewaffneten Überfälle hier nicht mehr geheuer seien. Dennoch trifft man auf der Straße überall freundliche Leute. An der Ecke gegenüber räumt ein Inder gerade neue Ware in die Regale, er hat den Laden von seinem Onkel geerbt. Das Geschäft laufe mäßig, sagt er, aber vielleicht bringe ihm die WM ja etwas mehr Laufkundschaft. Und wie steht es um die Sicherheit? "Naja", sagt der Mann, tagsüber sei es hier "ganz okay". Aber nachts sind ihm ständig Diebe durchs Dach in den Laden geklettert und hätten alles ausgeräumt. Jetzt hat er die Luken versiegelt und hofft, dass die Räuber das nicht mehr so leicht aufknacken können.

Blankes Entsetzen

Auf der anderen Seite von Ellis-Park, den Hügel hinauf, erstreckt sich das Viertel Hillbrow, auch ein berüchtigtes Pflaster. In den Straßenzügen blüht die Kriminalität, dort haben sich nigerianische Drogenbarone eingenistet. Hillbrow ist sicher nicht der beste Platz für eine Kneipentour. Und wer Leute in Johannesburg fragt, ob man das Viertel denn guten Gewissens zu Fuß durchstreifen könne - zum Beispiel nach dem Ende eines Fußballspiels -, der stößt immer wieder auf Entsetzen.

Durch Hillbrow zu Fuß? Nachts? Das kann auch nur einem naiven Fremden einfallen. Die Einheimischen fahren hin zum Stadion und wieder weg. Wenn sie ausgehen wollen, tun sie das woanders, in Sandton vielleicht oder Melville, aber keinesfalls neben dem Stadion von Ellis-Park.

Doch im Juni 2010 werden es dann ziemlich viele Fremde sein, die nach Südafrika strömen. Bis zu einer halben Million ausländische Fans erwarten manche. Ob die sich alle fernhalten werden von den Brennpunkten? Kein Problem, sagt Superintendent Vish Naidoo von der nationalen Polizei. Das Wohl der Gäste sei nicht in Gefahr. Die Sicherheitskräfte hätten das alles im Griff.

Unterstützung durch das Militär

Die Polizei in Johannesburg bekommt jetzt sogar noch Unterstützung durch das Militär. Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag haben Spezialisten in Hillbrow eine Sonderoperation durchgezogen, 85 Verdächtige sind dabei festgenommen worden. Nichts soll dem Zufall überlassen werden, wenn am Sonntag in Ellis-Park das Eröffnungsspiel Südafrika gegen Irak angepfiffen wird.

Gut, dass die Polizei Vish Naidoo hat, denn er beherrscht Auftritte vor Journalisten bestens. Der Mann in blauer Uniform wirkt unaufgeregt, er spricht klar und präzise. Naidoo zählt gerade auf, was sie bei der WM alles auffahren werden, um Gangster abzuschrecken und Hooligans im Zaum zu halten. Mehr als 40.000 Polizisten werden zum Schutz der Fans und der Stadien eingesetzt, dazu 40 Helikopter, die mit modernen Kommandowagen auf dem Boden in Verbindung stehen.

Auf der nächsten Seite: "Herrliche" Wasserwerfer und ein drohender "Krieg" mit den Taxifahrern

WM-Qualifikation im Überblick
:Die letzte Chance

Schweden wahrt seine letzte Chance auf die WM-Qualifikation, ebenso Iran, Katar und Mazedonien. Der Spieltag in Bildern.

Keinesfalls zu vergessen: die zehn neuen Wasserwerfer. "Schöne Teile", sagt Naidoo, und seine Augen beginnen zu leuchten. "Die sind für alle, die Unsinn machen wollen." Also Hooligans und solche Leute. Dann zwinkert er und sagt: "Wir hoffen schon, dass wenigstens ein paar Leute Unsinn machen." Sonst wären die herrlichen Wasserwerfer ja völlig umsonst.

Der Mann ist ganz offensichtlich locker und entspannt, er versprüht ein gesundes Selbstbewusstsein. Das schafft einerseits Vertrauen. Andererseits aber ist auch ein PR-Profi wie Naidoo gegen die Verbrechensstatistik Südafrikas ziemlich machtlos: 50 Menschen werden täglich in diesem Land ermordet, mehr als 100 vergewaltigt.

Jeden Morgen füllen Berichte über brutale Raubüberfälle und Einbrüche die Zeitungen. Und man kann es auch in den Städten überall sehen: Wer genügend Geld hat, schützt sein Haus mit Kameras, Elektrozäunen und meterhohen Mauern. Zwar geht die Gewalt nach den offiziellen Zahlen insgesamt etwas zurück. Aber in Südafrika sterben täglich immer noch mehr Menschen durch Verbrechen als in den USA, das sechsmal so viele Einwohner hat. Ganz zu schweigen von europäischen Ländern, in denen die Menschen viel sicherer leben als am Kap.

Jugend ohne Perspektiven

Aber wie gefährlich ist Südafrika für Besucher, die nur ein paar Tage oder Wochen bleiben? Man weiß zum Beispiel, dass sich bei der großen Mehrheit der Morde Täter und Opfer gekannt haben. Häufig hat die exzessive Gewalt mit zertrümmerten Familien zu tun, mit sozialer Verwahrlosung. Die Jugend Südafrikas hat kaum Perspektiven - Probleme, deren Wurzeln oft weit zurückreichen in die Zeit der Apartheid. Das Risiko für Touristen aus dem Ausland ist also wohl geringer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag - wenn man die Gefahr nicht selbst herausfordert und alleine nachts durch die finstersten Ecken zieht.

Südafrika hat schon viele Großveranstaltungen organisiert, bei denen es nie zu größeren Zwischenfällen kam. Die Rugby-WM 1995, den Afrika-Cup 1996, die Cricket-WM 2003, mehrere UN-Konferenzen. Jedes Jahr lockt der Staat mit seinen phantastischen Landschaften, Stränden, Weinbergen und Nationalparks mehr als neun Millionen Urlauber an, die hier weitgehend unbeschwert ihre Ferien verbringen. Kürzlich haben nun auch noch die Inder ihre Cricket-Liga nach Südafrika verlegt, weil sie der Sicherheit am Kap mehr trauen als im eigenen Land. Das macht Südafrika mächtig stolz.

Auf allen Routen kreuz und quer

Über die Sicherheit im Land wird vermutlich noch lange gestritten. Doch vor dem Confed-Cup ist noch ein weiteres Problem aufgetaucht, das die Organisatoren ins Grübeln bringt. Es sind dies die Proteste der südafrikanischen Taxifahrer, die sogar mit "Krieg" gedroht haben, falls die Organisatoren der WM nicht genügend Rücksicht auf sie nehmen.

Um diesen Streit zu verstehen, muss man ein wenig ausholen: Südafrika hat weder U-Bahnen noch ein gutes Busnetz für den Nahverkehr. Alle Leute, die nicht mit ihrem eigenen Auto fahren, steigen in ein Sammeltaxi. Das sind Toyota-Minibusse, die auf allen Routen kreuz und quer durch die Städte fahren.

Für die WM aber sollte sich das alles ändern, das Fußballfest galt als große Chance, ein modernes Nahverkehrsnetz aufzubauen, das Südafrika nach 2010 weiter ausbauen sollte. Auch die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) ist an Planungen beteiligt, ein Schnellbussystem in Südafrika einzuführen. Südamerikanische Städte wie Bogotá und Santiago stehen dafür Modell.

Die Regierung scheut den Druck

Noch im Mai sprach Projektmanager Bob Stanway von einer "kleinen Revolution", die sich anbahne. Er hatte eine hübsche Karte an die Wand geworfen, ein buntes Geflecht aus Buslinien war da zu sehen, die sich schon bald über den ganzen Ballungsraum in und um Johannesburg ziehen sollten. Auch für die anderen großen Städte gibt es solche Planungen. Es ist dabei nur noch ein Problem zu lösen: Was tun mit den Taxifahrern, die ihre Pfründe verbissen verteidigen? Alle Versuche, sie in ein neues System einzubinden, sind bislang fehlgeschlagen. Und die Taxifahrer machen nun so viel Ärger, dass die neuen Busse für den Confed-Cup gar nicht fahren dürfen.

Die Probleme sind kompliziert, und ins Taxigeschäft haben zweifelhafte Gestalten investiert. Manche dieser Leute schrecken selbst vor brutaler Gewalt nicht zurück, in Streitereien um die Fahrgäste wurden schon Menschen erschossen. Südafrikaner sprechen von ihrer "Taxi-Mafia", mit der sich niemand gerne anlegt. Ihr politischer Einfluss ist offenbar gewaltig. Denn auch die neue Regierung scheut bislang davor zurück, Druck auf die Branche auszuüben.

Doch die Fifa wird dem Streit nicht lange zusehen wollen. Der drohende Taxikrieg schürt neue Skepsis und wirft die Planungen zurück. Vermutlich wird es nun der Präsident der Republik selbst richten müssen. Jacob Zuma muss sich etwas einfallen lassen, und das schnell. Denn die Zeit bis zur WM fliegt dahin. Am Sonntag sind es noch 362 Tage - dann ist Anpfiff.

© SZ vom 12.06.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: