Sturz von Simon Ammann:Knochen heil - aber was ist mit dem Kopf?

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Verlor nach der Landung das Gleichgewicht: Simon Ammann in Bischofshofen (Foto: Getty Images)

Simon Ammann stürzt in Bischofshofen schwer. Der Schweizer ist in stabilem Zustand, doch die anderen Springer nimmt der Vorfall mit. Ausgerechnet jetzt sollen sie am Kulm den Weltrekord jagen.

Von Lisa Sonnabend

Es waren schöne Bilder. Zwei seiner Teamkollegen hoben Stefan Kraft auf die Schultern, sie trugen den 21-Jährigen, der soeben die Vierschanzentournee gewonnen hatte, durch den Schnee, hinüber zu Michael Hayböck. Der thronte ebenso auf zwei Kollegen-Schultern, denn er hatte am Dienstagabend in Bischofshofen den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere geholt. Die Österreicher Kraft und Hayböck grinsten sich an, dann umarmten sie sich lange. Wenige Meter entfernt allerdings war einigen nicht zum Jubeln zu Mute, sie bangten um Simon Ammann.

Der Schweizer Springer war wenige Minuten zuvor bei der Landung schwer gestürzt. Seine Ehefrau stand nun vor dem Rettungscontainer, den drei Monate alten Sohn hatte sie in einem Tuch um ihren Bauch gebunden. Die Augen waren gerötet, der Blick ging ins Leere.

Ammann war weit geflogen, doch er konnte den Sprung nicht stehen. Nachdem der 33-Jährige mit den Skiern aufgesetzt hatte, verlor er das Gleichgewicht, er kippte nach vorne und knallte bei hoher Geschwindigkeit mit Oberkörper und Gesicht in den Schnee. Sanitäter stürmten sofort in den Auslaufbereich der Paul-Ausserleitner-Schanze, sie drehten den 33-Jährigen in die Seitenlage, dann trugen sie ihn weg vom Unglücksort. Ammann lag regungslos da, er hatte nach dem Aufprall das Bewusstsein verloren. Er blutete. Es waren schreckliche Bilder.

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Am Dienstagabend gab es eine erste vorsichtige Entwarnung vom Schweizer Skiverband, am Mittwochmorgen teilte der Sprecher Christian Stahl mit: "Simon Ammann ist ansprechbar und kann alles bewegen." Er bleibt weiterhin im Krankenhaus von Schwarzach, wo sein Zustand überwacht wird. Am Donnerstag will der Schweizer Verband erneut über den Gesundheitszustand informieren. Medienberichten zufolge soll er sich eine Gehirnerschütterung und Prellungen zugezogen haben.

Es war bereits der zweite schwere Sturz in Bischofshofen. Der Amerikaner Nicholas Fairall musste am Montag mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht und in der Nacht notoperiert werden. Er war nach der Landung in der Qualifikation gestürzt, es verdrehte ihm die Beine. Fairall zog sich Verletzungen an der Wirbelsäule zu. Ob er wieder Skispringen kann, ist derzeit unklar. Rex Bell, Chef der US-Skispringer, sagte: "Ich wünsche ihm eine vollständige Genesung."

Ammann, der in seiner Karriere alles bis auf die Vierschanzentournee gewonnen hatte, hatte bereits in Oberstdorf seinen Sprung nicht gestanden, verpasste den zweiten Durchgang und verspielte die Chance auf den Gesamtsieg bereits beim ersten Wettbewerb. Sein Sprungstil gilt als aggressiv, Probleme bei der Landung hat er deswegen oft. In den Tagen nach Oberstdorf hatte er sich entspannt und lässig gegeben. Er schien den ersten Sturz verdaut zu haben. Doch in Bischofshofen riskierte Ammann nun abermals viel. Die Konsequenzen sind diesmal gravierender.

Die Stürze in Bischofshofen zeigten: Beim Skispringen genügt ein kleiner Moment der Unkonzentriertheit und die Athleten bringen sich in große Gefahr. Natürlich tragen die Springer Helme. Doch die dünnen Anzüge schützen kaum vor Verletzungen, auch wenn die Dicke auf 0,4 bis 0,6 Zentimeter erhöht wurde. Die Springer dürfen seit dieser Saison zudem Rückenprotektoren einsetzen, doch kaum einer trägt sie.

Am kommenden Wochenende trifft sich die Skiflugszene am Kulm in Bad Mitterndorf, eine der größten Schanzen der Welt. Nach Umbauarbeiten ist der Anlauf nun noch steiler. Das Ziel der Veranstalter: Die Springer sollen mehr als 240 Meter weit fliegen. "Der Weltrekord ist sicher möglich", warb der Organisationschef Hubert Neuper für die Veranstaltung. Ein Sturz wäre möglicherweise noch fataler als in Bischofshofen.

Die Bilder aus dem Vorjahr sind noch allgegenwärtig: Der Österreicher Thomas Morgenstern hatte in der Luft das Gleichgewicht verloren und sich mehrfach überschlagen. Im Herbst gab der 28-Jährige dann seinen Rücktritt bekannt, er bekam den Sturz nicht mehr aus dem Kopf.

Auch in Bischofshofen ist den Springern anzumerken, dass die Stürze sie mitnehmen. Stefan Kraft erinnerte nach seinem Sieg an seinen Kollegen, er verzichtete auf eine große Party. Werner Schuster, Trainer des deutschen Teams, sagte: "Wenn man da mit dem Gesicht den Schnee poliert, erkennt dich deine Frau nicht mehr wieder." Peter Prevc, der Drittplatzierte in der Tourneewertung, hörte auch nicht auf zu lächeln, als er nach Ammann gefragt wurde. Doch das Lächeln war nun ein sehr verlegenes. "Ich habe den Sturz nicht gesehen", sagte der Slowene. Er schob hinterher, als würde er sich selbst Mut machen: "Ich habe gehört, seine Knochen sind heil."

Von Gregor Schlierenzauer ist bekannt, dass er sich die Stürze der Kollegen grundsätzlich nicht anschaut. Als Ammann weggebracht wurde, bereitete er sich gerade auf seinen zweiten Sprung vor. Er rückte seine Brille zurecht, zupfte am Trikot. Dann musste er hinunter. Er landete nach 130 Metern - viel zu früh. Doch das war ihm in diesem Moment ziemlich egal.

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